Beobachter: Herr Stortz, Swisslos hat dem Staat für das letzte Geschäftsjahr 491 Millionen Franken überwiesen. Das sind 14 Prozent mehr als im Vorjahr. Was halten Sie davon?
Cédric Stortz: Das gibt uns natürlich zu denken. Es handelt sich ja bei den Produkten von Swisslos um reine Glücksspiele, und offensichtlich wurde mehr gespielt, insbesondere beim Produkt Sportwetten. Diese werden häufig von Männern zwischen 18 und 29 Jahren getätigt – die selbst die zuständige Interkantonale Geldspielaufsicht Gespa für eine «vulnerable Gruppe» hält. Dass die Nettoverluste der Spielerinnen zudem stetig steigen, ist ebenfalls beunruhigend. Allerdings muss man sagen, dass die Gespa ihre Aufsichtspflicht vergleichsweise ernst nimmt.


Gibt es Hinweise, dass nicht nur mehr gespielt wurde, sondern dass es auch entsprechend mehr Süchtige gibt? 
Dieser Schluss ist nicht zulässig – weil schlicht die Daten dazu fehlen. 
 

Hatte Corona einen Einfluss?  
Corona hatte eindeutig einen Einfluss auf das Geldspielverhalten, insbesondere in den Phasen des Shutdowns. Die gleichzeitige Werbeoffensive der Anbieter hatte ebenfalls einen Effekt. Für eine definitive Beurteilung ist es noch zu früh, aber wir werden die weitere Entwicklung natürlich beobachten. 
 

Die Mehreinnahmen sind laut Swisslos auf Sportwetten zurückzuführen, die 2019 mit dem neuen Geldspielgesetz in der Schweiz erlaubt wurden. Sportwetten gelten als vergleichsweise suchtgefährdend. Stimmt das?
Ja. Sie erfüllen ein elementares Kriterium für ein grosses Suchtpotenzial: die kurze Zeitspanne zwischen Einsatz und Gewinn oder eben Verlust. Darum sind Casinospiele, einarmige Banditen und Online-Wetten jeglicher Art gefährlicher als zum Beispiel Lotto, bei dem diese Zeitspanne unter Umständen Tage dauert. Zudem hat man fälschlicherweise das Gefühl, durch vermeintliches Wissen oder Know-how zukünftige Gewinne einstreichen zu können. 
 

Lotto spielen und Lösli kaufen sind also harmlos? 
Ihr Suchtpotenzial ist tatsächlich tiefer. Sie können aber als «Ersatzdrogen» funktionieren. Nicht wenige gesperrte Spielsuchtbetroffene landen bei Lotto und Co. Denn Kioske kontrollieren nicht, ob jemand eine Spielsperre hat.  

Sind Sie spielsüchtig?

Glücksspielsucht unterscheidet sich nicht von anderen Suchterkrankungen (Alkohol, Medikamente, illegale Drogen): Abhängige Personen haben nur eingeschränkte Kontrolle über ihr Verhalten und können dieses trotz starker negativer Konsequenzen nicht ändern. Spielsucht gilt laut dem Krankenversicherungsgesetz als Krankheit, ärztlich verordnete Behandlungen sind mit der Grundversicherung abgedeckt. Hilfe bieten Suchtfachstellen, Selbsthilfegruppen und Budgetberatungen.

Wenn Sie sich wegen Ihres Spielverhaltens Sorgen machen, gibt der Beobachter-Selbsttest Auskunft, ob Sie die Grenze zur Sucht bereits überschritten haben. Weist Ihr Verhalten mindestens fünf der folgenden Merkmale auf, sind Sie pathologisch, also krankhaft glücksspielsüchtig:

  • Sie beschäftigen sich mental häufig mit dem Glücksspiel.
  • Sie spielen mit steigenden Einsätzen.
  • Sie haben wiederholt erfolglos versucht, das Glücksspiel einzuschränken oder aufzugeben.
  • Sie sind reizbar beim Versuch, das Glücksspiel einzudämmen oder ganz darauf zu verzichten.
  • Sie spielen, um Problemen zu entfliehen oder um Ohnmachts- und Schuldgefühle, Sorgen und Ängste abzubauen.
  • Sie jagen dem Geld nach, das Sie beim Spiel verloren haben.
  • Sie belügen soziale Bezugspersonen, um das Ausmass der Spielerei zu verheimlichen.
  • Sie begehen illegale Handlungen wie Betrug oder Diebstahl, um das Glücksspiel zu finanzieren.
  • Ihre partnerschaftliche Beziehung oder Ihre beruflichen Perspektiven sind gefährdet aufgrund Ihres Glücksspielverhaltens.
  • Sie verlassen sich darauf, dass Ihnen andere Menschen Geld zur Verfügung stellen, um Ihnen aus einer spielbedingten finanziellen Misere zu helfen.

Zur Person

Cédric Stortz, Projektleiter Glückspielsucht beim Fachverband Sucht

Cédric Stortz ist Projektleiter Glückspielsucht beim Fachverband Sucht.

Quelle: Fachverband Sucht
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