Ich gestehe: Ich bin Vegetarier. Aber auch Fleischfresser dürfen jetzt ruhig weiterlesen, ich habe nichts gegen sie. Okay, fast gar nichts.

Jedenfalls: Ich habe Hunger. Oder, wie der Vegetarier sagt: Kohldampf. Und ich esse am liebsten Schniposa mit Ketchup und Mayo. Nur darf bei mir eben das Schnitzel nicht mitmachen.

Und das ist genau das Problem. Wenn ich in eine Beiz komme, laufe ich oft unter «ferner liefen». Vielleicht gibts einen lampigen Gemüseteller, oder mit viel Glück und Gnade kann die Küche bei den Älplermagronen die Speckwürfeli weglassen.

Noch schlimmer wirds, wenn der Koch etwas «speziell für die Vegetarier unter unseren Gästen» kreiert. Zum Beispiel Quinoa-Blini mit Aprikosen-Chutney. Warum soll ich essen, was kein vernünftiger Mensch isst?

Vor allem: Ich kriege nie genug in der Beiz. Die scheinen alle zu denken, dass ich keinen Appetit habe, nur weil ich kein Fleisch esse. Doch: Ich bin kein Spargel-Tarzan und keine Grünkohl-Jane. Ich bin nicht anämisch, weil ich kein Blut trinke. Nur weil ich fitter und gesünder bin als die Wurstfreunde unter uns, lasse ich mich nicht mit einem Fitnessteller abspeisen. Ich bin und will keine halbe Portion. Wieso soll ich mich in ein Restaurant setzen, nur um nachher hungrig zu sein? Hunger kann ich auch gratis haben.

Die Deko-Pflanze ist aus Plastik

Die einzigen Beizen ohne Mangelerscheinungen sind Pizzerien: Da gibts Risotto, Nudeln und Pizza vegetariana. Da wird auch ein Grünzeugler satt. «Geh doch zum Hiltl», höre ich Fleischfresser höhnen. Doch danach leidet leider das Portemonnaie an Auszehrung.

Da sitze ich also mal wieder in einer Beiz, habe in der Menükarte nichts Richtiges gefunden und beäuge gerade gierig die Deko-Pflanze auf dem Tisch. Sie ist aber aus Plastik. Und so komme ich auf revolutionäre Gedanken: «Vegetarier aller Länder, vereinigt euch! Wir wollen nicht länger Beigemüse sein!» Nur schon, damit ich nicht mehr ständig dieselbe Frage von Karnivoren beantworten muss: «Warum bist du denn Vegetarier?» «Weil ich es pervers finde, Lebewesen zu töten, um sie zu essen», sage ich jeweils. Fleischfresser sehen dann immer ein wenig aus, als habe sich gerade ein Kotelettknochen in ihrem Hals verkeilt. Und wie programmiert sagen sie alle leicht verdruckst: «Ich esse auch ganz wenig Fleisch.» Aha, denke ich dann. Bei diesem schlechten Gewissen muss man sie wohl packen, wenn man ihnen das Fleisch madigmachen will.

Doch jetzt kommt der Kellner. Ich erkläre meine Situation. Er sagt: «Aha, Vegetarier. Wir hätten da auch Fischgerichte, haben Sie gesehen…» In solchen Momenten zweifle ich jeweils kurz, ob Mordgelüste wirklich so pervers sind. Oder gegenüber renitentem Servicepersonal zulässig. Dann atme ich tief durch und sage seufzend: «Okay, dann nehme ich halt die Blini. Kann ich Ketchup und Mayo dazu haben?»