Vreni war wunderschön. Aber sie war die Tochter des Milchtechnologen, und er, Ueli, nur ein einfacher Agrarpraktiker. Ausserdem war Vreni schon lange dem Sohn des Fleischfachmanns versprochen. Als Uelis Arbeitgeber von ihrer Liaison hörte, jagte er ihn deshalb vom Hof. Ueli sei nichts als ein verfluchter Angehöriger eines mobilen ethnischen Minderheitenpacks, rief er ihm hinterher. Genau wie seine Mutter, die Sexarbeiterin.

Das war wahr. Uelis Mutter war allein. Sein Vater, ein Asphaltbauer mit Migrationshintergrund, hatte die Familie noch vor Uelis Geburt verlassen. Seine Mutter hatte versucht, sich als Raumpflegerin und Gastropraktikerin durchzuschlagen, aber es reichte nicht. Uelis Mutter blieb keine Wahl...

Diese Geschichte wäre um einiges besser, wenn es noch Käser, Huren und Zigeuner gäbe. Mir fehlen diese Leute. Aber Soziologen und Berufsverbände haben das bunte Volk aus der Gesellschaft wegdefiniert. Natürlich steckt dahinter eine hehre Absicht: Die Betroffenen sollen nicht benachteiligt oder geringgeschätzt werden.

Obs was nützt? Ich hab da meine Zweifel. Das Zigeunerleben war lustig faria ho –, jenes der mobilen ethnischen Minderheiten scheint mir eher problembeladen.

Trotzdem bemühen sich weiter alle munter um Schönung – mit teils fatalen Konsequenzen: So mancher Patient wird jämmerlich verenden, weil er «Fachangestellte Gesundheit» nicht mehr über die Lippen bringt. Ein einfaches «Schwester» hätte rettende Pflege herbeigerufen.

Alles wertvolle Geschöpfe

Und wer sich nicht selber schönt, wird geschönt: Nebenan wohnt eine Familie mit einem Buben. Seine Mutter ist stolz. Die Lehrerin sage, der Bub sei verhaltenskreativ und habe noch viel Potential, das er ausschöpfen könne. Der Knirps erinnert mich an mich, als ich klein war. Meine Lehrerin aber sagte, ich sei frech und faul.

Die ganze Begriffskosmetik ist ein billiger Trick: Auf diese Weise muss man den Leuten nicht mehr mühsam beibringen, dass Zigeuner, Ausländer und Metzger auch wertvolle Geschöpfe sind. Bezeichnungen lassen sich halt deutlich einfacher wandeln als Vorurteile. Und wenn alle gemerkt haben, dass Raumpflegerinnen Putzfrauen und Subsahara-Migranten Schwarzafrikaner sind, geben ihnen die Experten halt wieder einen neuen Namen.

Zum Beispiel einen zweiteiligen, englischen. Amerikaner sind da sehr kreativ. Von ihnen kam zum Beispiel der Facility Manager zu uns. Er war ursprünglich Abwart und zwischenzeitlich Hausmeister. Kleinwüchsige sind vertikal Herausgeforderte, und Angehörige der dunkelhäutigen Minderheit in den USA heissen Afroamerikaner. Das, so weiss der Soziologe, ist politisch korrekt, weil es nicht auf die Hautfarbe, sondern auf die Geschichte der Betroffenen verweist. Etwas halbherzig, allerdings.

Für gründliche Schweizer wäre das nichts. «Nachkommen-von-zugewanderten-Arbeitern-oder-Flüchtlingen-die-aufgrund-ihrer-Herkunft-noch-immer-häufig-diskriminiert-werden» – das würde auf die Geschichte hiesiger Minderheiten verweisen. Aber wer will das so genau wissen? Deshalb heissen die bei uns einfach Secondos. Besser so.