«Räum endlich dein Zimmer auf», sagte meine Mutter früher immer. Als verantwortungsvoller Sohn habe ich das selbstverständlich verinnerlicht und leide heute unter sogenannter Ataxophobie, der krankhaften Angst vor Unordnung.

Für Leute wie mich beginnt das Grauen bereits am Morgen, wenn wir die Nachrichten sehen, die über Nacht in Massen auf dem Handy eingingen. Zwanghaft müssen wir jede prüfen und als erledigt abhaken. Auch im Spam-Ordner – vielleicht ist ja was Wichtiges reingeraten zwischen Pillenversand, Bitcoin-Betrug und «Ich bin heiss – und du?».

Vielleicht hat zudem jemand einen schalen Witz auf Facebook gepostet oder einen hochgereckten Daumen auf Whatsapp gesandt. Das will ich alles wissen, auch wenn klar ist: Das Smartphone macht, obwohl sein Name vielleicht anderes vermuten liesse, dumm. Und soziale Medien machen einsam.

Die Konzentration eines Menschen leidet bereits, wenn ein Smartphone nur schon in Sicht- oder Reichweite ist, zeigt eine Studie. Denn das Gehirn verschwendet aktiv Schmalz darauf, sich von dem Ding auf dem Tisch nicht ablenken zu lassen.

Ein Trost bleibt: Die heutige Jugend hat es noch viel elender. Die muss sich den ganzen Tag lang durch debile Tiktok-Videos wischen. Das schadet nicht bloss der geistigen Kapazität, sofern vorhanden, sondern viel schlimmer: dem Daumen. Nicht dem auf Whatsapp, sondern dem real existierenden. Immer häufiger entzünden sich dessen Sehnen. Diagnose: nicht Tennisarm, sondern Handyfinger.

Dabei war es just der Daumen, der dem Menschen ermöglichte, sich die Erde untertan zu machen. Dank ihm können wir Gegenstände ergreifen. Und so begann die Zivilisation mit der Keule, verfeinerte sich mit Messer, Gabel und Tennisschläger und fand dann ihre endgültige Bestimmung im Smartphone.

Doch es kommt noch besser: Die Firma Neuralink, sie gehört einem gewissen Elon Musk, will uns Elektroden ins Hirn pflanzen und uns so mit der digitalen Welt verbinden. Gerade erst hat sie die Zulassung für Versuche am Menschen erhalten.

Und so werden wir den ganzen Spam bald auch ohne Bildschirm geliefert bekommen. Direkt ins Bewusstsein, sofern vorhanden. Dann brauchen wir endlich auch den Daumen nicht mehr.

Buchtipp
Bitte nicht lächeln!
Bitte nicht lächeln!