Im Auftrag seines Mandanten betrieb Anwalt Arnd Ulrich Kröger 2012 dessen Geschäftspartner. Er ahnte nicht, welche Konsequenzen dies für ihn haben sollte: Der Betriebene leitete selber gegen Kröger die Betreibung ein und forderte 1,5 Millionen Franken «Schadenersatz».

Eine klassische Schikanebetreibung. Denn zwischen Arnd Ulrich Kröger und dem Betriebenen gab es keine direkte Verbindung. Kröger handelte für seinen Klienten. Doch für Kröger war das «äusserst unangenehm». Weil er als Anwalt auch Kundengelder verwaltet, darf gegen ihn keine Betreibung hängig sein. Er war verpflichtet, die Aufsichtsbehörde und seine Berufshaftpflichtversicherung zu informieren.

Arnd Ulrich Kröger konnte die Betreibung zwar mit einem Rechtsvorschlag stoppen. Auf seinem Betreibungsregisterauszug blieb sie trotzdem vermerkt. «Stellen Sie sich eine Schlagzeile in der Boulevardpresse vor: ‹Betreibung gegen Anwalt über 1,5 Millionen›!»

Jeder kann jeden betreiben

In der Schweiz ist es ganz einfach, jemanden mit einer Betreibung zu schikanieren. Denn jeder kann jeden betreiben – und das für wenig Geld. Der Zahlungsbefehl kostet je nach Höhe der Forderung 17 bis 410 Franken. Ob die Forderung berechtigt ist, dürfen die Betreibungsämter nicht überprüfen. Einzige Ausnahme: «Wenn der Gläubiger offensichtlich Ziele verfolgt, die mit der Zwangsvollstreckung nicht das Geringste zu tun haben, der Betroffene also schikaniert werden soll», hielt das Bundesgericht in mehreren Urteilen fest.

Eine Schikanebetreibung liegt zum Beispiel vor, wenn kurz nacheinander Betreibungen für dieselbe Forderung eingereicht werden. Oder wenn – wie im Fall von Kröger – ein Phantasiebetrag eingefordert wird und zwischen Gläubiger und Schuldner keine rechtliche Verbindung besteht. In solchen Fällen kann sich der Betroffene mit einer Betreibungsbeschwerde bei der Aufsichtsbehörde wehren. Das kostet nichts.

Der Eintrag bleibt fünf Jahre lang

Wenn die Betreibung bloss ungerechtfertigt ist, sind solche Beschwerden nicht möglich. Ein Beispiel: Man kündigt seinen Internetanschluss vorzeitig, weil er nicht funktioniert; der Anbieter fordert trotzdem eine Strafgebühr wegen der frühzeitigen Vertragsauflösung ein. In solchen Fällen kann man die Betreibung zwar per Rechtsvorschlag stoppen, der Eintrag aber bleibt im Betreibungsregister – und zwar für jedermann sichtbar während fünf Jahren.

Das kann höchst unangenehm sein. Wer eine Wohnung sucht, hat wenig Chancen, in die engere Auswahl zu kommen. Der Vermieter wird jene vorziehen, die einen sauberen Betreibungsauszug vorlegen. Und wer eine Hypothek hat, muss seiner Bank schon eine sehr gute Erklärung liefern, warum die Betreibung nicht gerechtfertigt ist – sonst riskiert er, dass man ihm die Hypothek kündigt.

2,7 Millionen Betreibungen

2011 wurden fast 2,7 Millionen Betreibungen eingeleitet. Doch nur bei jeder zweiten setzten die Gläubiger die Betreibung später fort. «Ein klares Indiz, dass viele Betreibungen ungerechtfertigt sind», sagt Mario Roncoroni von der Berner Schuldenberatung. «Vor allem Inkassofirmen verwenden den möglichen Eintrag im Betreibungsregister als Druckmittel, um eine ungerechtfertigte Forderung durchzusetzen.»

Wer auf einen sauberen Betreibungsregisterauszug angewiesen ist, hat deshalb keine andere Wahl: Er muss mit dem Gläubiger verhandeln. Will der nicht, hat man nur die Möglichkeit, eine sogenannt negative Feststellungsklage einzureichen. Doch dafür gibt es eine hohe Hürde: Man muss die Gerichtskosten vorschiessen. Im Fall von Arnd Kröger hätte der Vorschuss mehrere zehntausend Franken betragen. Damit nicht genug: Der Vorschuss wird später mit den Gerichtskosten verrechnet, sogar wenn man den Prozess gewinnt. Man muss die Kosten beim unterlegenen Beklagten selber einfordern. Eine absurde Regel.

Bundesbern hat reagiert

Auf Initiative des Tessiner FDP-Ständerats Fabio Abate arbeitete die nationalrätliche Kommission für Rechtsfragen eine Lösung aus: Wer zu Unrecht betrieben wird und Rechtsvorschlag erhoben hat, soll ein Gesuch stellen können, dass die Betreibung im Auszug nicht erscheint. Das aber nur unter folgenden Bedingungen: Seit die bestrittene Betreibung eingeleitet wurde und in den sechs Monaten davor, darf höchstens eine zweite Betreibung gegen einen eingeleitet worden sein. Zudem darf es in dieser Betreibung weder zur Fortsetzung noch zur Pfändung gekommen sein.

Eine vordergründig einfache Regel, die auf rein formalen Kriterien beruht. In der Vernehmlassung stiess der Vorschlag auf breite Ablehnung. «Umständlich und wenig praxistauglich» schreibt die Regierung des Kantons St. Gallen in ihrer Stellungnahme. Der Kanton Basel-Stadt weist auf den «erheblichen administrativen Mehraufwand für die Betreibungsämter» hin, der sich nicht einfach mit einer Softwareanpassung lösen lasse. Der Zürcher Regierungsrat warnt davor, dass ein Gläubiger die neue Regel leicht umgehen könne, indem er dafür sorge, dass zwei Personen in seinem Umfeld den Schuldner ebenfalls betreiben. «Wir können uns nicht vorstellen, dass der Vorschlag das Problem ungerechtfertigter Betreibungen im Registerauszug auch nur teilweise zu lösen vermag», schreibt Roger Schober, Präsident der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz.

Eine radikale Lösung

Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse schlägt vor, dass der Eintrag im Betreibungsregister gelöscht werden soll, sofern der Gläubiger die Betreibung nicht innert 30 oder 40 Tagen fortsetzt. Ein praktikabler Vorschlag.

Arnd Ulrich Kröger musste nicht auf die Gesetzesrevision warten, bis sein Betreibungsregister wieder sauber war. Er erhob gegen die Betreibung Beschwerde. Und hatte Glück. Denn der ehemalige Geschäftspartner seines Mandanten zog die Betreibung zurück – er hatte sich von einem Anwalt beraten lassen.

Beschwerde gegen Betreibung

  • Zuständig für Beschwerden ist das Gericht am Wohnsitz des Schuldners. Hat der Kanton nur eine Aufsichtsbehörde, ist es das Kantons- oder das Obergericht.

  • Die Beschwerde müssen Sie spätestens innert zehn Tagen seit der Zustellung des Zahlungsbefehls beim Gericht einreichen.

  • Das Verfahren ist kostenlos.

  • Sie müssen in der Beschwerde genau begründen, warum eine Schikanebetreibung vorliegt, Beweismittel bezeichnen und beantragen, dass der Eintrag gelöscht wird.

  • Verlangen Sie, dass die Betreibung bis zum Entscheid des Gerichts Dritten nicht bekannt gegeben werden darf.

  • Bei Ablehnung der Beschwerde können Sie den Entscheid an die nächste Instanz weiterziehen.