«Sven hatte zuerst entzündete Hautstellen an der Backe», beschreibt Simone Meier das Leiden ihres Sohnes, «später an Armen und Beinen.» Sechs Wochen nach der Geburt war die Haut des Säuglings am ganzen Körper entzündet. Da der Juckreiz oft unerträglich war, konnte Sven kaum mehr schlafen. «Als Kleinkind sass er manchmal bloss apathisch am Boden und kratzte sich.» So lange, bis die Haut blutig war.

Nicht gleich den Kopf verlieren
Sven litt unter Neurodermitis, auch bekannt als atopisches Ekzem. Etwa zehn Prozent aller Kinder in Industrieländern sind davon betroffen. Typisch für die Krankheit sind Ekzeme auf der Haut und ein starker Juckreiz. Bei manchen Menschen sind die Beschwerden allerdings so gering, dass man noch nicht von Neurodermitis spricht. Eltern sollten deshalb nicht gleich den Kopf verlieren, wenn ihr Kind gerötete Hautstellen bekommt oder seine Haut zu jucken beginnt. «In diesem Fall genügt es oft, die Hautpflege zu intensivieren», beruhigt Yvonne Hari Hecking, Fachärztin für Allergien am Inselspital Bern. Erst wenn sich das Ekzem ausbreitet oder wenn die betroffenen Stellen nässend werden, sollte man zum Arzt gehen.

Die Neigung zu Neurodermitis ist angeboren. «Von ihrer Veranlagung her haben Neurodermitiker generell eine trockene Haut», sagt Hari Hecking. «Wenn diese nicht gepflegt wird, steigt das Risiko, dass sich in ihr feine Risse bilden» – gleichzeitig sinke die Juckreizschwelle. «Wenn man dann kratzt, entzündet sich die Haut, und Bakterien können in den Körper eindringen.» Dadurch verstärke sich der Juckreiz, und man kratze noch mehr – ein Teufelskreis.

Nicht in jedem Fall führt eine entsprechende Veranlagung zum Ausbruch einer Neurodermitis. «Mögliche Auslöser für die Krankheit sind trockene Winterluft, Hausstaubmilben, Rauch, bestimmte Nahrungsmittel oder chemische Duftstoffe», sagt die Ernährungsberaterin Monique Mura Knüsel, die betroffene Eltern berät. «Nicht selten haben auch psychische Belastungen einen Einfluss auf den Krankheitsverlauf.»

Die Haut wird dicker
Für die Familie Meier war Svens Hautkrankheit eine Belastungsprobe. Eine Besserung erfolgte erst nach einem mehrwöchigen Kuraufenthalt, den Simone Meier zusammen mit ihrem zweieinhalbjährigen Sohn in Davos verbrachte. «Das brachte Ruhe in die Familie», sagt sie. Durch spezielle Bäder, die entspannte Atmosphäre und aufgrund der Tatsache, dass es in dieser Höhe keine Milben gibt, beruhigte sich Svens Haut. Und erst recht erleichtert war Simone Meier, als Sven vier wurde und seine Neurodermitis nach und nach fast völlig verschwand.

«Das ist typisch», weiss die Allergieärztin Hari Hecking. «Mit zunehmendem Alter wird die Kinderhaut dicker und ist damit weniger reizbar.» Nur noch etwa ein Prozent aller Erwachsenen litten deshalb unter akuter Neurodermitis. Viele ehemalige Neurodermitiker werden jedoch später von anderen Leiden geplagt. «Sie leiden als Erwachsene oft unter Asthma oder unter einer Pollenallergie», sagt die Ernährungsberaterin Mura Knüsel.

Da die Veranlagung für Neurodermitis vererbt wird, zögerten Simone und Christoph Meier lange mit dem zweiten Kind. Vor drei Jahren kam Tim auf die Welt und war zu Beginn weitgehend beschwerdefrei. Erst mit zwei begannen bei ihm die Hautprobleme. «Sie sind aber weit weniger schlimm als bei Sven», sagt Simone Meier. Zudem sei sie nun viel gelassener, als sie es noch bei Sven war. Sie weiss jetzt: «Es gibt keine Patentrezepte gegen Neurodermitis. Man kann mit der Krankheit leben, muss aber selber einen Weg finden, um mit ihr umzugehen.»

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