Auch eine gelungene Operation ist ein einschneidendes Ereignis. Es erschütterte das Selbstverständnis Ihrer Bekannten, und sie benötigt therapeutische Hilfe, um den Eingriff zu verarbeiten. Man könnte aus einer ganzheitlicheren Betrachtungsweise eine Hypothese wagen: Eventuell waren schon die Gallensteine die Folge von seelischem Ungleichgewicht. Der Alternativmediziner Rüdiger Dahlke etwa deutet sie als «versteinerte Aggressionen» – allzu lange habe man sich «gallige Ausbrüche» verkniffen, obwohl die Lebenssituation so frustrierend war, dass sich immer mehr Wut ansammelte. Diese Theorie ist natürlich in der Schulmedizin verpönt – aber sie kann als Illustration dafür dienen, dass körperliche Krankheiten durchaus nicht bloss körperliche Ursachen haben.

Die Krankheit wird zum Feind erklärt

Der Krankheitsverlauf Ihrer Bekannten zeigt die Schwächen eines herkömmlichen Verständnisses von Krankheit und Heilung. Die Krankheit wird als Feind betrachtet, der bekämpft werden muss. Die Ärzte sind die Helden in Weiss, die uns vom Übel befreien sollen. Nicht immer aber ist wirklich ein «Feind» fassbar, und Arzt und Patient müssen sich mit der Beseitigung von Symptomen begnügen. Die Wurzel des Übels ist dann weder erkannt worden, noch hat sie sich aufgelöst.

Heute setzt sich immer mehr ein anderes, fruchtbareres Krankheitsverständnis durch: Krankheiten kommen nicht nur von aussen, sondern sind auch Ausdruck eines inneren Ungleichgewichts. Wir alle müssen unsere inneren Bedürfnisse mit den Möglichkeiten in Einklang bringen. Wir brauchen nicht nur Nahrung und eine Wohnung, wir brauchen Geborgenheit, haben sexuelle Bedürfnisse, wollen lernen und uns entfalten und erleben ein ganzes Gefühlsspektrum, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen. Irgendwie haben wir es alle geschafft, diese Aufgabe zu lösen. Aber oft nur mangelhaft. Es gibt Knoten und Hemmungen, Blockaden und blinde Flecken. Verdrängte Konflikte und innere Spannungen aber machen auf die Dauer krank. Wenn dann körperliche Symptome auftauchen und wir endlich zum Arzt gehen, ist es schon fast zu spät.

Prävention soll in der Schule beginnen

Wir brauchen ein geschärftes Gesundheitsbewusstsein. Deshalb ist neben der Psychopathologie, der Krankheitslehre der Psyche, vor einem Jahrzehnt eine Gesundheitspsychologie entstanden. Sie fragt nicht, was uns krank macht, sondern was die Gesundheit fördert. Gesundheit ist dabei mehr als die Abwesenheit von Krankheit. Sie bedeutet auch seelisches Wohlbefinden.

Die Gesundheitspsychologie kritisiert, dass unser Gesundheitswesen eigentlich ein Krankheitswesen sei. 98 Prozent seiner Aufwendungen flössen in die Krankheitsversorgung und nur zwei Prozent in die Prävention. Bereits in der Schule sollten Kinder lernen, Sorge zu ihrer Gesundheit zu tragen. Wir Erwachsenen müssen zu Experten werden, die zwar dankbar die Hilfe der Medizin in Anspruch nehmen, aber die Eigenverantwortung nie abgeben. Denn wir können selber erkennen, ob wir im Gleichgewicht sind oder nicht – und sollten Symptome immer als Hinweise auf eine Störung interpretieren. Und wir sollten den Mut haben, uns oder unsere Lebenssituation jederzeit zu verändern.

Die verborgenen Gefühle Ihrer Bekannten werden erst in einer guten Psychotherapie zum Vorschein kommen. Dadurch wird sie «ganzer», heiler werden – vielleicht sogar geheilt. Sie selbst haben übrigens schon angefangen, ihr zu helfen, indem Sie sich für ihre Gesundheit interessieren.

Weitere Infos:
www.healthpsychology.ch (Schweizerische Gesellschaft für Gesundheitspsychologie)