Frage von Alfred G.: «Ich habe immer Mühe, mich zu entscheiden. Im Moment schwanke ich, ob ich den Aufwand für eine berufsbegleitende Weiterbildung auf mich nehmen soll. Ob es sich lohnt und ob ich es schaffe?»

Ob Sie es schaffen, wissen Sie nur, wenn Sie es versuchen. Und ob es sich lohnt, wissen Sie erst, wenn Sie es geschafft haben. Das spricht dafür, sich in diesem Fall dafür zu entscheiden – falls sich das finanzielle Engagement auch im Rahmen bewegt. Bei einer Weiterbildung ist ja schon der Weg anregend, selbst wenn man keinen Abschluss erreicht.

Offenbar aber leiden Sie immer wieder an Entscheidungsunfähigkeit. Damit sind sie nicht der Einzige. Die Krux ist, dass wir nie genau wissen können, welche Folgen eine Entscheidung hat – daher auch der Scherz, dass Voraussagen schwierig sind, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen.

Ausserdem trifft es auch nicht zu, dass wir im Nachhinein wirklich immer klüger sind – wie die Redensart meint. Wir wissen zwar, was uns die Entscheidung gebracht hat, aber wir wissen nicht, wie es herausgekommen wäre, wenn wir uns anders entschieden hätten: vielleicht besser, vielleicht aber auch schlimmer.

Kopf oder Bauch?

Anders als Tiere, die instinktiv auf Schlüsselreize reagieren (müssen), haben wir Menschen die Freiheit, uns immer wieder zu entscheiden. Aber diese Freiheit ist auch eine Last und eine Herausforderung.

Ziemlich weit verbreitet ist die Auffassung, dass Entscheidungen rational getroffen werden sollen, also mit dem Verstand. Dazu kann man Listen mit den erwarteten positiven und negativen Konsequenzen erstellen. Man kann die einzelnen Folgen auch noch gewichten und dann theoretisch exakt ausrechnen, welche Entscheidung richtig ist.

Andere plädieren für die «Bauchentscheidung»: «Ich spüre einfach, dass das das Richtige für mich ist, auch wenn ich es nicht begründen kann.» Das sagen Frauen häufiger als Männer. Selbst wenn Männer intuitiv entschieden haben, führen sie im Nachhinein meist rationale Gründe dafür an.

Den Verstand nicht über das Gefühl stellen

Der deutsche Psychologe Gerd Gigerenzer hat sich wissenschaftlich mit Bauchentscheidungen beschäftigt. Er hält zwar Verstand und Logik für nützliche Werkzeuge – aber wir sollten den Verstand nicht über das Gefühl stellen. Der allergrösste Teil unseres Gehirns arbeitet nämlich unbewusst. Ohne dass wir es wissen, sind da die Details all unserer Erfahrungen des bisherigen Lebens gespeichert. Die Intuition zieht ihre Weisheit aus diesem Reservoir – ihre Entscheidungen bekommen uns daher sehr oft besser als allzu kopflastige.

Einen interessanten Gedanken zum Thema Entscheidungen hat aber auch der deutsche Philosoph Odo Marquard: Unser Entscheidungsspielraum werde grundsätzlich massiv überschätzt, meint er. Ein grosser Teil unseres Lebens wird durch Zufälligkeiten bestimmt. Zufällig werden wir in der Schweiz und nicht in der Dritten Welt geboren, zufällig wachsen wir in dieser Sozialschicht, mit diesen Eltern und mit den damit gegebenen Möglichkeiten auf. Man solle sich deshalb nicht einbilden, sein ganzes Leben frei gestalten zu können, sondern solle auch die Zufälligkeiten begrüssen, schreibt Marquard. Nicht nur begrüssen, sondern das Beste daraus machen, würde ich anfügen.

Diese Tipps können bei Entscheidungen helfen

Grundsätzlich

  • die Augen offen halten für die Zufälligkeiten, die das Leben bietet
     
  • diese als Chance sehen, etwas daraus machen, denn oft schliesst sich das Zeitfenster schneller wieder, als man denkt


 

In konkreten Entscheidungssituationen

  • versuchen, möglichst rational (mit dem Verstand) die Konsequenzen der Entscheidungsalternativen zu benennen
     
  • sich in die Alternativen hineindenken und versuchen zu spüren, wie man sich dabei fühlen würde (mit Bauch oder Herz)
     
  • Verstand und Bauchgefühl ernst nehmen