Markus I.: «Dass jugendliche Fans vor dem Hallenstadion übernachten, um zuvorderst an einem Konzert sein zu können, das kann ich noch verstehen. Aber warum machen selbst Erwachsene diesen Starrummel mit? Sind wir alle in der Pubertät steckengeblieben?»

Idole spielen im Jugendalter in der Tat eine grosse Rolle. Aber auch als Erwachsener braucht man sich nicht zu schämen, ein Fan zu sein. Das Phänomen gibt es in allen Altersklassen. Und es gab es schon vor 2000 Jahren. Die alten Griechen verehrten Helden, in der Mythologie etwa Herkules oder Odysseus, und in der Realität des alten Roms galten die Gladiatoren als Idole. Es soll sogar Gladiatorenpüppchen als Fanartikel gegeben haben.

Offenbar ist es ein menschliches Bedürfnis, zu herausragenden Personen aufzuschauen, eine Leitfigur zu finden oder ein Anhänger eines erfolgreichen Teams zu sein. Sicher kann man damit ein wenig am Glanz der verehrten Person oder Gruppe teilhaben, was das unspektakuläre Alltagsleben bereichert.

Seit etwa zehn Jahren befassen sich auch Soziologie und Psychologie mit dem Fanwesen. Das Wort Fan kommt vom englischen «fanatic», also Fanatiker, hat aber diese negative Bedeutung verloren. Ein Fan ist nach der Definition des deutschen Soziologen Mike Schäfer jemand, der eine leidenschaftliche gefühlsmässige Beziehung zu seinem Fanobjekt hat, und zwar über längere Zeit. Das Fanobjekt ist jemand oder etwas, das in der Öffentlichkeit zugänglich ist, das heisst, jeder kann ein Fan sein, aber ein direkter Kontakt ist in der Regel nicht möglich. Das kann eine Fussballmannschaft sein, ein Filmstar, ein Musiker, ein Land, eine Fernsehserie, ein Computerspiel, aber auch etwas Abstraktes wie ein bestimmter Musikstil oder etwas Ungewöhnliches wie eine besonders aufregende Achterbahn.

Das Institut für Soziologie an der Freien Universität Berlin studiert die Fans und ihre Leidenschaften. Eine Onlinebefragung in Deutschland zeigte, dass jeder zweite Fan für Sport, jeder vierte für Musik und jeder zehnte für Film schwärmt. Die Verteilung dürfte in der Schweiz ähnlich sein. Wer ein echter Fan ist, wendet über ein Viertel seiner Freizeit für sein Idol oder seine bevorzugte Sparte auf.

Was bringt es denn, ausser ein wenig Teilhabe am Glanz der Helden, ein Fan zu sein? Aus psychologischer Sicht dies: Wir Menschen haben einerseits das Bedürfnis, etwas Besonderes zu sein, ein Individuum, das sich von andern unterscheidet, aber gleichzeitig auch den intensiven Wunsch, dazuzugehören, nicht allein zu sein. Fan zu sein befriedigt beide Seiten. Wenn wir uns für Bligg, James Bond, Mutter Beimer oder die SCL Tigers begeistern, unterscheiden wir uns deutlich von der Masse und von den Anhängern anderer Klubs oder Persönlichkeiten. Gleichzeitig sind wir in unserer Fangruppe aufgehoben. Klubs und Foren im Internet verstärken dieses Gruppengefühl. Fans pilgern gemeinsam zu den Auftritten ihrer Helden oder finden sich dort.

Während das Bedürfnis, speziell und dennoch zugehörig zu sein, das Leben lang andauert, spielt der identitätsstiftende Aspekt des Fantums vor allem in der Jugend eine Rolle. Es geht da um die Entwicklung einer eigenständigen Persönlichkeit, um die Ablösung von den Eltern. In diesem Prozess werden oft Stars und Idole zu Stützen, und das Zimmer wird mit ihren Bildern tapeziert. Mit dem Erwachsenwerden verlieren sie ihre Bedeutung.

Es gibt sie in allen Altersgruppen und in allen Intensitätsstufen. Der amerikanische Psychologe Stephen Reysen beschreibt sie unter anderem wie folgt: Fans...

  • sind gefühlsmässig stark an ihr Fanobjekt gebunden;
  • geben ordentlich Geld aus für ihr Fantum;
  • möchten, dass andere wissen, für wen oder für was sie sich begeistern;
  • investieren viel Zeit in ihr Fantum;
  • möchten mit Leuten befreundet sein, die für dasselbe schwärmen.