Kaum flaut die Corona-Pandemie ab, wird in der ganzen Schweiz wild geschmust, gefummelt und hemmungslos kopuliert. Darum gibt es jetzt auch mehr Geschlechtskrankheiten – stimmt diese Vermutung? Nein, so einfach sei es nicht, sagt Benjamin Hampel, leitender Arzt am Gesundheitszentrum Checkpoint Zürich.

Die drei bekanntesten sexuell übertragbaren Infektionen sind Chlamydiose, Gonorrhoe (Tripper) und Syphilis (siehe Infografiken unten). Sie gehören zu den bakteriellen Geschlechtskrankheiten, sind häufig und lassen sich mit Antibiotika behandeln. Alle drei sind meldepflichtig – und die Meldungen nehmen seit 20 Jahren kontinuierlich zu.

«Das bedeutet aber nicht automatisch, dass die effektive Zahl dieser Erkrankungen steigt», sagt Benjamin Hampel. Das Bundesamt für Gesundheit betont in seinem jährlichen Bericht, dass die Zunahme der sexuell übertragbaren Krankheiten zum grossen Teil ganz einfach darauf zurückzuführen ist, dass sich mehr Leute testen lassen.

«Bei HIV sehen wir erfreulicherweise in den letzten zehn Jahren einen Abwärtstrend in der Schweiz.»

Benjamin Hampel, leitender Arzt am Gesundheitszentrum Checkpoint Zürich

Und das ist gut so. Gerade bei den Hauptrisikogruppen, also sexuell aktiven Männern und Frauen unter 25 Jahren, empfiehlt sich ein regelmässiger Test, auch wenn sie symptomfrei sind. Denn 40 bis 60 Prozent der Betroffenen zeigen keine Symptome.

Wenn sie sich nicht behandeln lassen, kann das verheerende Folgen haben: Je nach Erreger können Frauen unfruchtbar und Männer steril werden.

Besonders eine unbehandelte Syphilis kann Gehirn, Herz, Haut, Knochen und Nervensystem schwer schädigen. Zudem verbreiten sich die Krankheiten in der Gesellschaft, wenn sie unentdeckt bleiben.

Ebenfalls sexuell übertragbar sind das Humane Papillomavirus (HPV) sowie Hepatitis A und B. Gegen alle drei kann man sich impfen lassen.

Corona als Bremser, Dating-Apps als Förderer?

«Während der Corona-Pandemie gab es weniger Diagnosen, insbesondere in der ersten Shutdown-Phase 2020», sagt Benjamin Hampel. «Das kann durch eine Verhaltensänderung wegen Corona verursacht sein – oder aber auch, weil einfach weniger getestet wurde.»

Wenn man davon ausgeht, dass die Infektionen wirklich zugenommen haben und nicht nur die Diagnosen, gibt es laut Hampel dafür viele mögliche Faktoren. Ein wichtiger Punkt ist, dass sich die Sexualität verändert: «Durch Dating-Apps ist es heute viel einfacher, überall auf der Welt innerhalb weniger Minuten eine passende Sexualpartnerin oder einen passenden Sexualpartner zu finden.»

Aber lässt sich wirklich sagen, dass Geschlechtskrankheiten eindeutig zunehmen? «Dazu müsste man wissen, wie viele Tests in der Schweiz durchgeführt werden», sagt Hampel. Verlässliche Zahlen dazu gibt es jedoch nicht flächendeckend.

Aber eine Studie zu Männern, die Sex mit Männern haben, zeigt zum Beispiel: Ausser in der ersten Shutdown-Phase hat sich die Zahl der Sexualpartner während der Pandemie nicht wesentlich verändert.

Und: «Bei HIV sehen wir erfreulicherweise in den letzten zehn Jahren einen Abwärtstrend in der Schweiz.» Das komme zum einen daher, weil Therapien heute früher beginnen, zum anderen, weil die orale HIV-Prä-Expositionsprophylaxe unter homosexuellen Männern in der Schweiz immer beliebter werde.

Chlamydiose

Infografik Chlamydiose: Geschlechtskrankheiten
Quelle: BAG – Infografik: Andrea Klaiber

Die bakteriellen Chlamydien-Infektionen werden durch ungeschützten vaginalen, oralen oder analen Verkehr übertragen. Die Infektion betrifft häufig junge Frauen. Seit 2016 ist die Zunahme aber nur noch bei Männern zu sehen, bei den Frauen ist die Zahl seit fünf Jahren stabil, zuletzt sogar etwas gesunken.

  • Symptome: oft keine, sonst Brennen und Schmerzen beim Wasserlassen, Ausfluss.
  • Behandlung: Antibiotika; wenn die Infektion nicht behandelt wird, droht im schlimmsten Fall Unfruchtbarkeit bei Frauen respektive Sterilität bei Männern.

Gonorrhoe (Tripper)

Infografik Tripper: Geschlechtskrankheiten
Quelle: BAG – Infografik: Andrea Klaiber

Gonorrhoe, auch Tripper genannt, wird durch ungeschützten oralen, vaginalen oder analen Geschlechtsverkehr übertragen. 80 Prozent der Infizierten sind Männer, am stärksten betroffen sind 25- bis 44-Jährige. Vor allem homo- und bisexuelle Männer sowie Sexarbeiterinnen leiden öfter an der Krankheit.

  • Symptome: Schmerzen beim Wasserlassen und eitriger Ausfluss; beim Mann: Rötung und/oder Schwellung des Harnröhrenausgangs.
  • Behandlung: Antibiotika; wenn nicht behandelt wird, droht im schlimmsten Fall Unfruchtbarkeit bei Frauen respektive Sterilität bei Männern.

Syphilis

Infografik Syphilis: Geschlechtskrankheiten
Quelle: BAG – Infografik: Andrea Klaiber

Die bakterielle Syphilis, auch Lustseuche genannt, wird durch ungeschützten oralen, vaginalen oder analen Verkehr übertragen und bleibt manchmal jahrelang unentdeckt. Besonders betroffen sind homosexuelle Männer, Personen mit wechselnden Sexualpartnerinnen und -partnern sowie Prostituierte und Stricher.

  • Symptome: zu Beginn rote Flecke und Knoten im Genitalbereich, Rachen oder an anderen Körperstellen, Anschwellen der Lymphknoten.
  • Behandlung: Wenn rechtzeitig erkannt, mit Antibiotika behandel- und heilbar; wenn nicht behandelt wird, ist ein chronischer Verlauf möglich.

Tests und Impfungen: Wer zahlt?

Die Krankenkasse übernimmt die Kosten für die Hepatitis-B-Impfung; die HPV-Impfung bezahlen kantonale Programme für Personen bis 26 Jahre. Alle anderen Kosten für Tests und Impfungen muss man selbst zahlen. Die Stadt Zürich startet im Juni 2023 allerdings ein Pilotprojekt: Leute bis 25, die in der Stadt Zürich leben, und Personen mit niedrigem Einkommen erhalten Tests an zwei Teststellen gratis. Das Projekt wird von der Universität Zürich begleitet. Man will sehen, wie gross der Nutzen für die Bevölkerung ist.

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