Ob Showstars, Musiker oder Schauspieler – quer durch alle Prominentengattungen sorgen Schwule für beste Unterhaltung. Ihr Coming-out, das offene Bekenntnis zum Schwulsein, tut ihrer Popularität keinen Abbruch. Selbst in der Politik ist Homosexualität kein Stolperstein mehr. «Ich bin schwul, und das ist auch gut so», outete sich der deutsche Politiker Klaus Wowereit 2001. Wenig später wurde er zum Bürgermeister der deutschen Hauptstadt gewählt.

Homosexualität ist längst in allen Gesellschaftsschichten etabliert – in allen? Fast allen. Eine Gruppe von knackigen Männern in kurzen Hosen und Kniesocken scheint Schwule immer noch mehr zu fürchten als den Himmel, der ihnen auf den Kopf fallen könnte: Fussballer.

Im Film «Männer wie wir», der derzeit in den Schweizer Kinos zu sehen ist, wird Torwart «Ecki» von seiner Mannschaft verstossen, weil er schwul ist. Innert vier Wochen stellt er eine schwule Fussballmannschaft zusammen und spielt gegen seinen ehemaligen Verein. So weit der Film, aber wie siehts in Wirklichkeit aus? Schwule Fussballer, gibts die? – Der Beobachter-Reporter erkennt das Thema als eine der letzten grossen Fragen und bemüht sich um Antworten.

Vielleicht der Uli Hoeness?
Unter den Experten herrscht Ratlosigkeit. Nur ein Bekannter aus Deutschland weiss spontan: «Uli Hoeness ist homosexuell.» Als Quelle gibt er aber den Fanblock von Eintracht Frankfurt an. Die Fans hätten das jeweils zur Melodie von «Yellow Submarine» skandiert, wenns gegen Bayern München ging. «Gute Frage…», lautet ansonsten die Antwort der Fachleute, und der Rest ist, nach kurzem Grübeln, Schweigen. Selbst ausgewiesenen Kennern, die den 74er-Final in Minutenchronologie und im Schlaf wiedergeben können, fällt kein einziger schwuler Fussballer ein. Trotzdem, die Frage verdient eine Antwort.

«Ich bin auch schon mit Profis ins Bett… gut, das ist länger her, und es sind nicht mehr alle aktiv», sagt Peter Leuenberger von der Internetplattform gayCH verheissungsvoll. «Die trifft man aber nicht einfach in einer Schwulenbar», gibt er als Hinweis für die Weitersuche. Aha, auf zur nächsten Quelle.

Selbstmord und Scheinehen
Rolf Stürm versuchte zu den Eurogames 2000, dem europäischen Sportevent für Schwule und Lesben in Zürich, eine Podiumsdiskussion zum Thema zu veranstalten – und suchte einen Spitzenfussballer, der zur Teilnahme bereit gewesen wäre. Er will Auskunft geben, nachdem der Beobachter betont, dass es keineswegs darum gehe, einen Spieler in die Pfanne zu hauen, geschweige denn zu outen, sondern nur darum, aus einer gesicherten Quelle zu beweisen, dass es auch im Fussball die statistisch normale Homosexualität gibt. Bei aller Hilfsbereitschaft muss Stürm zugeben, selbst einmal an der Fragestellung gescheitert zu sein. Einziges Resultat: «Eine Kollegin, von Beruf Sportreporterin, sagte mir, dass sie den Freund eines Profis kenne. Sie könne versuchen, einen Kontakt herzustellen.» Es blieb beim Versuch.

Mathematisch ist die Sache klar: Rein statistisch ist jeder zwanzigste Mann schwul. Bei einer Kadergrösse von rund 20 gibt das einen Spieler pro Team. Peter Püntener äusserte sich im Vorfeld zu den Eurogames 2000, deren Organisationskomitee er präsidierte, entsprechend. «Ich kann sagen, dass es alleine in der höchsten Fussballliga 20 bis 30 schwule Spieler gibt», sagte er damals in einem Interview dem «Tages-Anzeiger». Heute fallen Püntener spontan «drei bis vier schwule Spitzenfussballer» ein. «Ich kann versuchen, einen Kontakt herzustellen», erklärt er. Seither herrscht Funkstille.

In der Geschichte des internationalen Profifussballs gibt es erst einen Spieler, dessen Homosexualität bekannt wurde. Der Engländer Justin Fashanu wurde 1990 nach seinem Outing unter einem fadenscheinigen Vorwand entlassen (weil er das Training geschwänzt habe), acht Jahre später beging er Selbstmord.

Der holländische Fifa-Schiedsrichter John Blankenstein bekannte sich nach seiner Karriere 1996 offen dazu, homosexuell zu sein. Er sagte auch, dass er fünf Profis kenne, die aus Angst vor einem Outing Scheinehen eingegangen seien.

Schweigen, Selbstmord, Scheinehe – warum ist die Homophobie im Fussball so stark? «Schwul zu sein gilt in Fussballerkreisen offensichtlich immer noch als abartig», erklärt sichs der 76-fache Internationale und Trainer des FC Aarau, Andy Egli. «Die Gefahr, von der Mannschaft ausgegrenzt zu werden, ist durchaus vorhanden. Da sind wir in unserem Denken noch nicht so weit.» Egli selbst hätte mit einem Outing kein Problem.

Auch Nationaltrainer Jakob Kuhn nicht. Im Gegensatz zu ausländischen Berufskollegen zeigt er sich aufgeschlossen: «Ich hätte überhaupt kein Problem, wenn sich ein Spieler outen würde. Die sexuelle Neigung der Spieler gehört nicht zu meinen Selektionskriterien.» Die Frage, warum es keine schwulen Fussballer gibt, bringt aber auch ihn ins Grübeln. «Ich wurde nie mit dem Thema konfrontiert», meint er. Trainerkollege Hanspeter Latour, der derzeit in Thun Erfolge feiert, ergänzt: «Es war bisher auch bei Gesprächen mit Trainerkollegen nie ein Thema.»

50 Jahre Uefa, 100 Jahre Fifa, 109 Jahre Schweizerischer Fussballverband, aufgeschlossene Trainer und kein Hinweis auf schwule Kicker? Vielleicht haben die Schwulen einfach Besseres zu tun, als einem Fussball hinterherzurennen?

«Ich kenne einen schwulen Metzger»
In der Schweiz scheint es tatsächlich so. An den Eurogames 2004 in München gab es unter den 16 Fussballmannschaften kein Schweizer Team, und in Bern versucht man bisher vergebens, elf homosexuelle Kicker zusammenzubringen. «Fussball ist unter Schwulen einfach kein Thema», sagt ein schwules Fanclubmitglied eines Schweizer Super-League-Vereins, der keinesfalls genannt werden will. Die homophobe Stimmung in den Stadien sieht er als Hauptgrund. «Schwule S…» gehöre halt immer noch ins Vokabular praktisch aller Fanclubs, erklärt auch Markus Imbach, Präsident des Zürcher Letzi-Fanclubs. «Persönlich finde ich das nicht schön, und ein Problem hätte ich sicher nicht, wenn ein Spieler schwul wäre.» Dass es die gibt, kann sich auch Imbach durchaus vorstellen – genauso wie den schwulen Supporter. «Ich kenne sogar einen schwulen Metzger, da gibts wohl auch schwule Fussballer.»

«Fussball ist für mich ein Machosport. Der Begriff schwul wird da als Schwäche gesehen», erläutert der Psychologe Chris Marcolli. Der ehemalige Profifussballer von Basel und Delémont betreut verschiedene Mannschaften. «Ich war dabei erst einmal mit dem Thema Homosexualität konfrontiert.» Warum das so ist? «Entweder kommt man mit der Situation gegen aussen souverän klar, oder ein schwuler Spieler verlässt den Fussball», so seine Überlegungen. Mit anderen Worten: Man mimt den Heterosexuellen oder verlässt die Mannschaft.

Frank Rost, Torwart beim deutschen Bundesligisten Schalke 04, meinte auf die Frage eines Reporters, ob es schwule Profis gebe: «Nein, ausserdem dusche ich immer mit dem Arsch zur Wand.» Bewiesen ist damit gar nichts, höchstens die alte Weisheit, dass man auch ohne viel Hirn erfolgreicher Fussballer werden kann.

Nicht nur wegen Männern wie Rost hat Eurogames-Organisator Rolf Stürm wahrscheinlich Recht mit seiner Prognose: «Es dauert wohl mindestens noch 40 Jahre, bis sich mal ein Spieler outet.»

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