Gott war zornig und liess es 40 Tage lang sintflutartig regnen. Als es endlich aufhörte, entsandte Noah auf seiner Arche drei Tauben. Die erste kehrte mit leerem Schnabel zurück, die dritte blieb ganz weg. Die zweite Taube aber brachte einen Ölzweig und zeigte Noah damit, dass Gott endlich besänftigt war. Die Flut war verebbt, Land in Sicht. 

Seit dieser Story aus dem Alten Testament gilt die Taube mit Zweig im Schnabel weltweit als Symbol des Friedens. 

Ausser in Basel. Dort hat man das mit dem Friedenssymbol offenbar nicht so recht verstanden, wie wir einer Medienmitteilung entnehmen müssen. Kontext: Eine Volksinitiative bemüht sich um ein besseres Miteinander von Mensch und Tier. Sie will darum die städtische Taubenpopulation regulieren. Bei der Unterschriftensammlung auf der Strasse kamen den Initianten erschütternde Szenen zu Ohren:

«Viele frustrierte und hilflose Bürger fühlen sich traurigerweise dazu gedrängt, Selbstjustiz an den Tauben vorzunehmen, indem sie die Tauben von ihren Balkonen und Fensterbänken mit Luftgewehren abschiessen, sie vergiften, sie erschlagen oder ihnen die Hälse umdrehen. Die nicht flugfähigen Küken werden von den Balkonen geworfen oder der Mutter aus dem Nest entrissen, um sie irgendwo anders auszusetzen, was der sichere Tod bedeutet.»

Wie ein Splatterfilm

Wenn wir an dieser Stelle kurz unsere Gefühle sortieren, müssen wir erstens den Verfassern dieser Textpassage zu ihrem Sinn für dramatische Zuspitzung gratulieren; eine Medienmitteilung wie ein Splattermovie. Toll! Wir müssen uns zweitens fragen, was bitte mit Otto Normalverbraucher auf dem Basler Balkon los ist, wenn er – stellen wir uns das einmal plastisch vor – einer Taube mit blossen Händen den Hals umdreht?!? 

Wir müssen uns drittens fragen, was Symbole – früher bekannt als Verdichtung allgemeingültiger Annahmen – noch wert sind, wenn sie in Basler Hinterhöfen derart brutal attackiert werden. Was kommt als Nächstes? Das weisse Tuch, eine Kriegserklärung? Rote Rosen, wir machen Schluss? Die Neusortierung sicher geglaubter Wahrheiten schreitet voran. Wir bleiben dran.