Ich sitze in Schweden auf einem Campingplatz. Zum ersten Mal in diesen Ferien fühle ich mich entspannt. Ich frage mich, warum. Ist es die Sonne, das Verweilen an einem Ort, Yoga am Morgen – oder ist es das sich abzeichnende Ende der Ferien? Lässt es die Gegenwart in einer vorgegriffenen, romantischen Retrospektive erglänzen?

Wir sind mittlerweile seit einem Monat mit dem Wohnmobil unterwegs. Ich hatte erwartet, direkt nach der Abfahrt in eine euphorische Abenteuerlust zu verfallen und diese bis zum Ende nicht mehr zu verlieren. Aber natürlich verflüchtigte sie sich schnell angesichts der realen Aufgaben, die sich uns stellten.

Wir hatten weder eine Route geplant noch viel Ahnung von unserem neuen Zuhause auf Rädern. Die Anfangszeit war deswegen vor allem lehrreich: Wo wird Trinkwasser eingefüllt, wie leert man die Chemietoilette, wie gross ist eigentlich dieses Deutschland und wann sind wir endlich da?

Wir lernten, wie sehr ein Abwassertank stinken kann und dass man die Markise besser mit Heringen befestigt, will man nicht mitten in der Nacht im Sturzregen einen kleinen Privatsee entleeren. Zudem mussten wir uns an das nicht ganz vollständige Inventar und die dünnen Matratzen gewöhnen – und daran, dass die ganze Behausung bei kleinsten Bewegungen schwankte.

Nach diesen Lernprozessen machte sich zum ersten Mal eine gewisse Entspannung breit, die dazu führte, dass uns nun Emotionen heimsuchten, die zu Hause im Alltagsstress keinen Raum bekommen hatten. Ein paar Lebens- und Schaffenskrisen sowie eine Magenverstimmung später (es gilt nicht nur don’t eat the yellow snow, sondern auch don’t drink the yellow water) löste sich dann endlich alle Anspannung in Luft auf. Die inneren Blockaden und Zwänge schwanden, und damit kam die Zufriedenheit.

Und nun sitze ich hier, geniesse mein Leben und denke mir: Dass es so viel braucht und so lange dauert, um wirklich abschalten zu können, sagt einem auch niemand. Drum sag ich es Ihnen jetzt: Fünf Wochen Ferien reichen nicht, um sich von 47 Wochen Arbeit zu erholen (persönliche Krisen, Todesfälle, Pandemien, Krankheiten und andere unvorhersehbare Geschehnisse nicht mitgerechnet).

Also, wenn Sie können: Arbeiten Sie weniger, machen Sie mehr Pausen. Fühlen Sie Ihre Emotionen und nehmen Sie sich vor allem Zeit für die wirklich wichtigen Dinge. Und falls es mal wieder zu einer Volksabstimmung kommen sollte: Stimmen Sie um Herrgotts Willen für mehr Ferien.

Zur Person
Lisa Christ