Podcast-Serie «Overkill»: Eine Nacht und ihre Narben
Sascha ist sieben Jahre alt, als er seine Mutter verliert. Und mit ihr die Chance auf ein ganzes Leben. Die Podcast-Serie beleuchtet den ungelösten Mord und seine Opfer.
Veröffentlicht am 19. Juni 2025 - 15:03 Uhr
So schnell bricht eine Welt zusammen: Foto von Sascha mit seiner Mutter und Artikel nach der Gewalttat
Am 30. November 1989 brennt in Kreuzlingen TG ein Haus. In den verkohlten Trümmern finden Ermittler die Leiche einer Frau: Silke Wienrich, 27 Jahre alt, erstochen. Ihr siebenjähriger Sohn Sascha schläft zur Tatzeit im Sonderschulheim Bernrain.
35 Jahre später sitzt Sascha Weder in seiner kargen Einzimmerwohnung in Winterthur. Vor sich hat er ein Bild des Jungen von damals. Seine Gedanken sind bei dem, was hätte sein können. Bei ihm: die Journalistinnen Charlotte Theile und Fiona Lusti.
Man muss ihn reden hören
«Das erste Mal war ich bei Sascha Weder, weil ich einen Artikel über seinen Fall geplant hatte», sagt Charlotte Theile, die als Autorin für den Beobachter schreibt und die Agentur Elephant Stories leitet, zu der auch Lusti gehört. «Ich hatte das Gefühl, das ist eine Recherche, die man besser zu zweit macht – und gut dokumentiert. Deshalb hatte ich das Mikrofon dabei.»
Schnell war ihr klar: Wer diesen Menschen und seine Geschichte verstehen will, der muss ihn reden hören. Daraus ist die aufwendigste Audioproduktion in der Geschichte des Beobachters entstanden.
«Als Hörstück kommt einem dieser Fall besonders nahe und berührt.»
Dominique Strebel, Chefredaktor Beobachter
«Wir versuchen, jede Geschichte in der Form zu erzählen, die am besten passt», sagt Chefredaktor Dominique Strebel. «Manchmal ist das ein kurzer Eintrag in einem Nachrichtenüberblick. Manchmal eine mehrseitige Reportage im Heft. Und in diesem Fall finden wir: Als Hörstück kommt einem dieser Fall besonders nahe und berührt.»
Der Podcast «Overkill» rekonstruiert in fünf Folgen die Tatnacht, nimmt Sie mit zu den Menschen, die damals ermittelt haben, lässt die Akten und Protokolle sprechen – und begleitet Sascha Weder auf seiner Suche nach Gerechtigkeit.
Unbequeme Fragen an Justiz und Gesellschaft
Bei dieser Geschichte komme enorm viel zusammen, sagt Chefredakor Strebel. «Die Hörerinnen werden mitgenommen in die Geschichte der Opferhilfe in der Schweiz, in die Debatte um die Verjährung von schweren Verbrechen – ins Grenzgebiet zwischen Recht und Gerechtigkeit. Das alles sind Kernthemen des Beobachters.»
Für Strebel, selbst Jurist, wirft der Podcast auch unbequeme Fragen an Justiz und Gesellschaft auf. «Bei gewissen Entscheiden der Behörden im Umgang mit Sascha Weder, gerade in der jüngeren Vergangenheit, muss man wirklich von Versagen sprechen.»
Aber auch auf der menschlichen Ebene dürfte Sascha Weders Geschichte bei vielen, die sie hören, einen bleibenden Eindruck hinterlassen. «Als Journalistinnen haben wir eine kritische Distanz zu den Protagonisten», sagt Theile. «Aber es gibt da eine Szene im letzten Teil, in der Sascha den Menschen trifft, den er als seinen ‹Todfeind› bezeichnet hat: den Verteidiger des mutmasslichen Täters. Was in diesem Gespräch passiert ist, hat mich auch persönlich bewegt.»
Aber hören Sie selbst: