In Basel stürzt ein dreijähriges Mädchen aus dem zweiten Stock. Sie hatte das Fenster geöffnet, war auf den Sims geklettert und hatte das Gleichgewicht verloren. Passanten betreuten das Kind, bis die Sanität kam. Das Mädchen war allein zu Hause gewesen.

Glücklicherweise sind solche Meldungen wie diese nicht allzu häufig. Eigentlich ist klar, dass man Dreijährige nicht allein lassen darf. Leider nicht für alle: «Immer wieder bekommt unsere Fachstelle Meldung von Nachbarn, weil kleine Kinder allein zu Hause sind», sagt der Psychologe Charles Baumann, Leiter des Kinder- und Jugendhilfezentrums Winterthur.

Doch ab welchem Alter ist es angemessen, Kinder allein zu lassen? «Ab neun Jahren, tagsüber bis zu einer Stunde», sagt Baumann. Das sei ein allgemeiner Richtwert. «Es hängt aber auch davon ab, welche sozialen und emotionalen Fähigkeiten ein Kind hat.» Manches ist mit acht so weit, ein anderes erst mit zehn. Ab zwölf Jahren könne man ein Kind auch mal abends allein lassen, maximal bis Mitternacht.

Was, wenn es an der Tür klingelt?

«Das Alleinlassen muss man zuerst üben», sagt Baumann. Und die Voraussetzungen müssen stimmen. Kinder finden die Vorstellung des Alleinseins ab einem gewissen Alter vielleicht reizvoll – doch sie können sich nicht richtig vorstellen, was es tatsächlich heisst, alles allein entscheiden zu müssen. Oder sich beruhigen zu müssen, wenn es in der Wohnung knarrt oder an der Tür klingelt.

Eltern sollten realistisch sein bei ihren Erwartungen, was das Kind macht, solange es allein ist. Dass es für die Schule büffelt, sollte man höchstens ausnahmsweise erwarten. Viel eher läuft das Alleinsein reibungslos ab, wenn das Kind sich mit etwas beschäftigen kann, was ihm gefällt. Etwa länger gamen und fernsehen dürfen.

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Zu oft alleine ist nicht gut für das Kind

Die Frage ist auch, wie oft das Kind allein sein soll. «Es ist nicht ideal, wenn sich ein Kind regelmässig über Mittag allein versorgen muss», findet Experte Baumann. Eine andere Lösung sei immer vorzuziehen – seien es Nachbarn, Hort oder ein mit anderen Eltern organisierter Mittagstisch.

Manchmal jedoch gibt es keine andere Lösung. Max aus Luzern war in der ersten Klasse, als seine Mutter ab und zu um sechs Uhr früh zur Arbeit musste. Der Hort öffnete erst um sieben. Als Alleinerziehende und Krankenschwester hatte sie keine andere Wahl, als den Sohn früh zur Selbständigkeit zu erziehen. Hatte sie Frühschicht, standen sie gemeinsam auf, frühstückten, und Max spielte. Von der Arbeit rief sie ihn um zehn vor sieben an und sagte, er solle sich auf den Weg machen.

So klappts mit dem Alleinlassen
  • Fragen Sie das Kind, ob es einverstanden ist; stimmt es nur widerwillig zu oder ist es aufs Alleinsein schlecht vorbereitet, steigt das Risiko einer negativen Erfahrung.
     
  • Vereinbaren Sie klare Regeln: Das Kind muss wissen, was es darf und was nicht – etwa Fremden die Tür nicht öffnen. Die sperrt man am besten zu, lässt aber einen Zweitschlüssel stecken, damit das Kind nicht eingesperrt ist. Das setzt natürlich voraus, dass es das Auf- und Zuschliessen kennt.
     
  • Proben Sie den Ernstfall: Was soll das Kind tun, wenn es Hunger hat, ihm übel ist, wenn es sich verletzt – oder wenn ein Fremder vor der Tür steht?
     
  • Beginnen Sie mit kleinen Zeiteinheiten der Abwesenheit: kurz zum Bäcker oder zur Post gehen und dann gemeinsam schauen, wie sich die Zeit allein angefühlt hat.
     
  • Wenn Sie kleinere Kinder kurz allein lassen, weil Sie in die Waschküche müssen: Prüfen Sie, ob die Fenster geschlossen sind.
     
  • Stellen Sie sicher, dass Ihr Kind das Telefon zuhause bedienen kann. Es sollte wissen, an welche Nummern es sich im Notfall melden kann.
     
  • Sagen Sie dem Kind klar, wie lange Sie weg sein werden.
     
  • Rufen Sie das Kind zwischendurch mal an, auch wenn es schon älter ist. Nicht um es zu kontrollieren, sondern um ihm Sicherheit zu geben und das Gefühl zu vermitteln, dass Sie sich um es kümmern.