Beobachter: Herzlichen Glückwunsch zum Gewinn des Prix Courage. Sind Sie erstaunt?
Iluska Grass: Extrem. Ich bin überwältigt. Damit habe ich überhaupt nicht gerechnet. Ich bin erstaunt und sehr dankbar.


Sie haben sich Neonazis entgegengestellt. Woher kommt Ihr Mut?
Ich bin so erzogen worden, dass ich für mich und andere hinstehe. Leuten helfe, die Hilfe brauchen. So bin ich gross geworden. Es ist meine Überzeugung, für andere Menschen da zu sein.


Das eine ist, das zu sagen, das andere, auch so zu handeln.
Ich glaube, es war eine sehr intuitive Situation. Es ist einfach in mir drinnen, dieses «Mach, greif ein!» Ich kann das nicht unterbinden.


Würden Sie wieder so handeln?
Jederzeit.


Sie sagten, es gehe Ihnen immer noch nahe, obwohl der Übergriff über vier Jahre her ist. Inwiefern?
Es geht mir nahe, weil ich täglich mit der Dankbarkeit des Opfers konfrontiert bin. Aber auch, wenn ich ähnliche Sachen in den Nachrichten höre und in den Zeitungen lese. Von Ungerechtigkeit, Rassismus, Antisemitismus. Solche News sind für mich jetzt gekoppelt mit meinem Erlebnis. Ein Thema, das tagtäglich irgendwo passiert. Meine Hoffnung ist, dass ich Leute motivieren und stärken kann, ebenfalls einzuschreiten und zu helfen. Etwas zu tun. Wegschauen ist keine Lösung.


Wie ist Ihr Kontakt mit dem Opfer?
Ich habe lange mit dem Opfer telefoniert letztes Jahr. Es ist sehr rührend, wie er seine Dankbarkeit ausgesprochen hat. Er nennt mich seinen «Engel». Ich werde ihm jetzt eine SMS schreiben.


Sie waren die Einzige, die vor Gericht ausgesagt hat. Wie war das?
Es wurde wie ein Teilzeitjob. Ich musste so oft aussagen, mich immer wieder aufs Neue damit konfrontieren. Man muss dranbleiben und zu seinen Aussagen stehen. Es wäre schön, wenn das zukünftig noch mehr andere Leute in solchen Situationen tun würden.


Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als Sie vom kürzlichen Attentat auf eine Synagoge in Halle an der Saale gehört haben?
Es macht mir Angst. Antisemitismus ist ein ewiges Thema, es nimmt einfach kein Ende, hört wohl nie auf. Ich finde es schlimm, dass es auch im Jahr 2019 noch ein Thema ist.


Was machen Sie mit dem Preisgeld von 15'000 Franken?
Ich bin ja ewige Studentin. Ich werde damit mein Essen und meine Krankenkasse zahlen. Ich habe nächste Woche Geburtstag, da gibt es einen grossen Geburtstagskuchen für alle.

Interview mit Iluska Grass nach der Preisverleihung

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Iluska Grass – Gewinnerin des «Prix Courage 2019»

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Birthe Homann, Redaktorin
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