Die Szenerie wirkt romantisch. Ein Wäldchen, ein Moor, umgeben von zwei Bächen. Hier scheinen Natur und Energiegewinnung in Harmonie. Doch Kritiker sehen das anders: Das Kleinwasserkraftwerk Frauental in Cham ZG sei ein ökologisch und ökonomisch unsinniger Eingriff in ein Naturschutzgebiet.

Betrieben wird das Kraftwerk vom Zuger Energieunternehmen WWZ. Es nutzt das Flüsschen Lorze nicht etwa mit einer Konzession, sondern dank einem privaten, sogenannt ehehaften Recht. Dieses entstammt vormodernen Zeiten und gilt unbefristet. Rund 150 Schweizer Kleinwasserkraftwerke haben solche Wassernutzungsrechte, heisst es beim Bundesamt für Umwelt.

Die ehehaften Rechte wurden in früheren Jahrhunderten an Gewerbebetriebe verliehen, etwa an Mühlen. Sie blieben erhalten, auch wenn die Besitzer inzwischen nicht mehr Mehl, sondern Strom produzieren. Das sei eine «nicht zu rechtfertigende Privilegierung», schreiben die Juristen 
Michael Bütler und Enrico Riva in einem Gutachten für die Umweltorganisation WWF. Die Rechteinhaber müssten sich nicht einmal an das geltende Umweltrecht halten.

250 Werke verstossen gegen Recht 

Die Schweizer Fliessgewässer sind in einem schlechten Zustand. Das hält der Biodiversitäts-Bericht des Bundesamts für Umwelt fest. Viele Bäche und Flüsse wurden durch Wasserkraftanlagen massiv geschädigt, teils sogar komplett trockengelegt. Diverse Fisch- und Pflanzenzarten sind vom Aussterben bedroht

Daher schreibt das Gesetz bei allen Anlagen einen minimalen fliessenden Wasseranteil vor, das Restwasser. Damit können die Bäche aber gemäss Bundesamt für Umwelt «nur einen Teil ihrer natürlichen Funktion ausüben». Selbst dieses wenige Restwasser lassen 250 von landesweit 1000 zu sanierenden Kraftwerken nicht durch, obwohl die gesetzliche Frist 2012 abgelaufen ist – Anwalt Michael Bütler nennt es ein «Vollzugsdefizit im Umweltrecht».

Kraftwerke, die eine Konzession neu beantragen oder erneuern, müssen die gesetzlichen Vorgaben für den Gewässerschutz vollumfänglich umsetzen und deutlich mehr Restwasser als das Minimum abgeben. Davon profitieren Tiere und Pflanzen. Die ehehaften Anlagen aber dürfen unbefristet nur geringste Restwassermengen abgeben. So auch das Kraftwerk Frauental an der Lorze.

«Diese privaten Nutzungsrechte verletzen die Hoheit des Staates über die Gewässer.»

Michael Bütler, Jurist

Wie andere Kraftwerkbetreiber erhält WWZ für ihren Wasserstrom üppige öffentliche Gelder. 2016 waren es allein für das Werk Frauental 207'000 Franken – ein Vielfaches des Marktpreises des produzierten Stroms. Mit der von den Konsumenten finanzierten kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) werden Produzenten erneuerbarer Energie unterstützt.

In der Schweiz beziehen mindestens 30 ehehafte Kraftwerke KEV-Gelder – total rund 10 Millionen Franken, hat der WWF anhand öffentlicher Dokumente eruiert. Dass die ehehaften Werke ohne Konzession öffentliche Gelder erhalten und gleichzeitig die Gewässer schädigen dürfen, findet die Umweltorganisation stossend.

Für Anwalt Michael Bütler stehen diese privaten Rechte quer in der Rechtslandschaft. Denn sie «verletzen die Hoheit des Staates über die Gewässer». Bütler plädiert dafür, sie durch Konzessionen abzulösen. Die Zuger Baudirektion sieht das anders: «Um ehehafte Wasserrechte aufzuheben, müssten deren Besitzer enteignet und durch die öffentliche Hand entschädigt werden.» Es sei fraglich, ob es dafür ein öffentliches Interesse gebe. Und: Das Bundesgericht anerkenne schliesslich die ehehaften Rechte.

Subventionen in Millionenhöhe 

Auch die Betreiberin WWZ, die an sechs Anlagen ehehafte Rechte besitzt, ist gegen eine Umwandlung in Konzessionen. Die Rechte böten in einem «schwierigen Umfeld einen gewissen Investitionsschutz». Ein Verzicht wäre «adäquat zu vergüten». Man nehme nicht an, dass die öffentliche Hand zu Entschädigungszahlungen bereit wäre.

Anderswo geht es aber. Die Kantone Zürich und Aargau etwa befristen die ehehaften Rechte oder wandeln sie um in Konzessionen. Auch für das Bundesamt für Umwelt ist es «wünschenswert», diese historischen Rechte durch «zeitgemässe Wasserrechtskonzessionen» abzulösen. Das müssten jedoch die Kantone tun.

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Tina Berg, Redaktorin
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