Die Vorwürfe sind nicht ganz taufrisch. Die Konkurrenz wirft dem Bundesamt für Zivilluftfahrt Bazl schon länger vor, dass es die Schweizerische Rettungsflugwacht Rega systematisch bevorzuge. Nun aber gibt es einen Fall, der die Schweizer Justiz auf allen Ebenen beschäftigt.

Die Betreiberin des Heli-Flugplatzes Balzers FL hat im August 2020 einen Strafantrag gegen das Bazl eingereicht. Sie wirft der Behörde Willkür und Ungleichbehandlung vor. Der Strafantrag lautet auf Amtsmissbrauch und weitere Straftaten und richtet sich gegen den Bazl-Direktor Christian Hegner und weitere Personen des Bundesamts.

Gemäss Strafantrag hat das Bazl seit 2015 willkürlich Verfahren gegen den Heliport Balzers geführt – mit dem Ziel, seine Tätigkeit zu untergraben. Die Anwaltskosten, um diese Verfahren abzuwehren, beliefen sich gemäss Heliport-Betreiberin auf 450'000 Franken. Dazu muss man wissen: Am Heliport Balzers betreibt die Lions Air Group seit 2018 einen Rettungshelikopter. Deren Tochterfirma Alpine Air Ambulance Alpine Air Ambulance statt Rega Wenn der falsche Helikopter kommt AAA kämpft seit Jahren gegen die Vormachtstellung der Rega. Regelmässiger Anlass für die Konflikte: Es ist nicht in allen Kantonen sichergestellt, dass jeweils derjenige Rettungshelikopter aufgeboten wird, der sich am nächsten bei der Unfallstelle befindet.

Elf Treffen in drei Jahren

Das Bazl und die Rega seien zu eng miteinander verbunden, die Rega profitiere von einer Vorzugsbehandlung, moniert die Heliport Balzers AG in ihrem Strafantrag. Es sei zu unzulässigen Absprachen und so zu Marktverzerrungen gekommen.

So gab es zwischen 2017 und 2020 mindestens elf Treffen zwischen Bazl-Direktor Christian Hegner und Rega-Chef Ernst Kohler. Bei diesen Meetings hat es keine Tagesordnung und kein Protokoll gegeben, bestätigt Bazl-Sprecher Urs Holderegger dem Beobachter. Aber regelmässige Treffen zwischen dem Bazl-Direktor und den wichtigsten Repräsentanten der Schweizer Luftfahrt, wie dem Chef der Luftwaffe oder der Flugsicherung Skyguide, seien üblich. «Diese Gespräche dienen dem gegenseitigen Informationsaustausch und werden nicht protokolliert», sagt der Bazl-Sprecher.

Wenn man Vertreter der Heli-Branche befragt, klingt es aber anders. Laut Philip Kristensen, Geschäftsführer der Swiss Helicopter Association SHA, trifft sich der Vorstand des Verbands alle drei bis vier Monate mit Hegner. Diese Meetings würden protokolliert. «Es gibt immer auch eine Traktandenliste mit Vorabinformationen, was an den Sitzungen läuft.» Das sei auch das übliche Prozedere bei den Treffen mit der Luftwaffe. Kristensen sagt, er selbst verfasse jeweils die Protokolle.

«Das Bazl fasst die verschie­denen Anbieter ganz unterschiedlich an.»

Chef eines grossen Luftfahrtbetriebs

Der Anwalt der Heliport Balzers AG, Philippe Renz, war viele Jahre beim Bazl als Jurist tätig. Er sagt, dass das Bazl während des gesamten Strafverfahrens von August 2020 bis heute «die Zwecke und die Notwendigkeit der Sitzungen zwischen Hegner und Kohler nie rechtfertigen konnte». Auf Nachfrage erklärt das Bazl daraufhin, die Meetings stünden in Zusammenhang mit dem nationalen Tiefflugprojekt LFN (Low Flight Network). Es sei «verständlich, dass es auch zu einem regelmässigen Austausch zwischen dem Amtsdirektor und dem CEO der Rega gekommen ist», so der Sprecher des Bazl.

«LFN wurde in aller Eile aus dem Hut gezaubert», sagt dagegen Balzers-Anwalt Renz. Dieses Thema sei im ganzen Strafverfahren nicht ein einziges Mal erwähnt worden. Zudem träfen sich die Spitzen bei solchen Projekten vielleicht ein- oder zweimal und würden die Verhandlungen dann rasch den verantwortlichen Abteilungen überlassen.

Was aber wurde tatsächlich an diesen informellen Treffen verhandelt? Waren es sogar mehr als elf Meetings? Stimmt es, dass Kohler und Hegner auch regelmässig zusammen lunchen gehen? – Rega-Chef Ernst Kohler wollte zu diesen Fragen nicht Stellung nehmen.

«Tiefes Misstrauen»

In der Schweizer Luftfahrtbranche ist es ein offenes Geheimnis, dass die beiden Chefs einen sehr guten Draht zueinander haben. «Das Bundesamt arbeitet nicht mit gleich langen Spiessen», sagt ein Unternehmer. «Das Bazl fasst die verschiedenen Anbieter ganz unterschiedlich an», so dieser Chef eines grossen Luftfahrtbetriebs.

Den gleichen Vorwurf erheben auch Mitarbeitende des Bazl selbst. Ein Bericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle EFK von Anfang 2020 kritisiert die Nähe der Bazl-Spitze zu den Beaufsichtigten. Mitarbeitende sprechen im EFK-Papier von «Absprachen» zwischen dem Direktor und gewissen Firmen. Die Folge sei «ein tiefes Misstrauen zur Unabhängigkeit der Amtsleitung gegenüber den Beaufsichtigten», heisst es im Bericht.

Auch folgendes Beispiel ist typisch: Die Rega wollte zwischen 2018 und 2019 in Davos eine weitere Helikopterbasis bauen. Der Verein Naturanostra wehrte sich erfolgreich dagegen. Vereinspräsident und Anwalt Markus Dörig sagt: «Wir hatten das Gefühl, dass die Karten zwischen Bazl und Rega von Anfang an bereits im kleineren Kreis gemischt worden waren.» Zum Vorwurf der Bevorzugung gewisser Anbieter wollte das Bundesamt keine Stellung nehmen.

Es sei an der Zeit, Schluss mit diesen Absprachen zu machen, sagt David Vogt, Gründer der Heliport Balzers AG. «Das Bazl hat sich in den letzten Jahren konsequent geweigert, mit uns in einen Dialog zu treten. Dagegen hat sich das Bundesamt für die Rega engagiert, wo immer es nur ging», so sein Vorwurf.

Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft übernimmt

Die Bundesanwaltschaft wollte auf den Strafantrag des liechtensteinischen Heliports gegen die Bazl-Führung nicht eingehen. Man habe keinen Amtsmissbrauch feststellen können. Die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts, an die der Fall weitergezogen wurde, wies die Beschwerde gegen die Nichtanhandnahme der Bundesanwaltschaft im letzten August ebenfalls ab, mit denselben Argumenten. Ein Weiterzug ans Bundesgericht war nicht möglich, das Verfahren wäre somit eigentlich rechtskräftig erledigt gewesen.

Die Heliport Balzers AG reichte aber im September bei der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft AB-BA Strafantrag wegen Amtsmissbrauchs gegen mehrere Bundesstrafrichter und Staatsanwälte des Bundes ein.

Die AB-BA nimmt den Fall Balzers nun genauer unter die Lupe. Zur Prüfung wurde ein ausserordentlicher Staatsanwalt des Bundes eingesetzt.

Wer kontrolliert die Bundesjustiz?

Speziell ist, dass beim Beschluss der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts die beiden SVP-Richter Stephan Blättler und Cornelia Cova involviert waren. Sie waren auch dabei, als das Bundesstrafgericht Ende April den Sonderermittler Stefan Keller in den Ausstand versetzte.

Keller wollte die informellen Treffen des früheren Bundesanwalts Michael Lauber mit Fifa-Chef Gianni Infantino untersuchen. Nach nur einem Jahr musste er sein Mandat dann aber niederlegen. Angesichts der Parallelen zwischen den beiden Fällen hat die Heliport-Betreiberin auch noch Strafanzeige wegen Verdachts auf Amtsmissbrauch im Fall Keller eingereicht.

Den ehemaligen Bundesrichter Hans Wiprächtiger hat der Fall des abgesetzten Sonderermittlers Stefan Keller «erschüttert». Er bezeichnet das damalige Urteil der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts als «absolut falsch».

Die Akten im Fall Balzers kennt Wiprächtiger zwar nicht, er fordert vom Gesetzgeber nun aber, dass nach einem Urteil am Bundesstrafgericht noch ein weiteres ordentliches Rechtsmittel zur Verfügung stehen müsse. Zudem fordert er, dass die Gerichtskommission und das Parlament in Zukunft nur noch unabhängige und integre Personen als Richterinnen und Richter für die Bundesjustiz vorschlagen und wählen.

Auch der St. Galler Staatsrechtsprofessor Rainer J. Schweizer kennt den Fall Balzers nicht im Detail. Auf Anfrage sagt er jedoch, dass es nach den verschiedenen Vorkommnissen nun angezeigt wäre, die Angelegenheit näher zu untersuchen. «Es scheint mir notwendig, dass die Geschäftsprüfungskommission die Arbeit und den Betrieb des Bundesstrafgerichts überprüfen. Denn der Ruf und die Glaubwürdigkeit dieses Gerichts haben durch diverse Missstände personeller Art sehr gelitten.»

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