Beat Bachmann aus Malters LU erhielt nach 23 Jahren beim selben Autoersatzteilhändler die Kündigung. Die letzten Jahre hatte er ohne grössere Leistungsausfälle und mit vollem Pensum gearbeitet, obwohl seine Krankheit längst ausgebrochen war: hereditäre spastische Spinalparalyse (HSP), ein Gendefekt, der zu einer fortschreitenden Versteifung der Beinmuskulatur bis zur Lähmung führt.

In der Schweiz rechnet man mit maximal vier HSP-Betroffenen auf 100’000 Einwohner. Ihnen tut vor allem eins gut: Bewegung. «Das ist unsere Therapie», sagt Bachmann. Pläne seiner Vorgesetzten hätten dem heute 50-Jährigen das Gegenteil eingebrockt: Man wollte ihn Ende 2012 in die Filiale Oensingen versetzen, 65 Kilometer Arbeitsweg. Da Bachmann auf das Auto angewiesen ist, hätte das bedeutet: zweimal mindestens eine Stunde im engen Wagen sitzen – unzumutbar bei seinem Zustand. «Man hat überhaupt keine Rücksicht auf meine Situation genommen», sagt er. Die Bitterkeit ist gut herauszuhören.

Gleiches Leiden wie Vater und Grossvater

Beat Bachmann ist 38, als die ersten Symptome auftreten. Er stolpert hie und da, weil das Anheben der Füsse nicht mehr richtig funktioniert. Es wird immer schlimmer mit den Beinen, Koordinationsprobleme und Sensibilitätsstörungen kommen dazu. Die Einschränkungen nehmen zu, auch für die Familie: Seine Frau Maria muss ihm in der Freizeit fast durchwegs zur Seite stehen. «Wenn er allein ist, ist da die ständige Angst, dass er stürzt und ihm etwas passiert», sagt sie. Irgendwann geht es bei Bachmann nicht mehr ohne den Rollstuhl.

Schon sein Vater und sein Grossvater hatten diesen Krankheitsverlauf – ohne zu wissen, was dahintersteckt. Bei Bachmann bringt eine genetische Untersuchung rasch Klarheit. Es ist möglich, dass die 18-jährige Tochter Cécile ebenfalls ein defektes Gen in sich trägt. Gewissheit darüber gibt es aber nicht. Und selbst wenn: Wann und wie stark die Krankheit ausbricht, ist von Person zu Person verschieden.

Beat Bachmann, ein zupackender, leicht untersetzter Mann, war sein Berufsleben lang Automechaniker. Die Liebe zu allem, was Motor und Räder hat, blitzt wieder auf, als er in der Stube seinen Rollstuhl an den nagelneuen Swiss-Trac «mit Traktorbereifung» hängt. Das elektronische Zuggerät bringt ihm, dem Bewegungsmenschen, ein Stück Mobilität zurück.

Der Blick geht wieder nach vorn. «Ich habe mein Schicksal akzeptiert», sagt Bachmann. «Ich bin nicht der Typ, der jammert und sich verkriecht.» Dazu gehört, dass er eine Selbsthilfegruppe für HSP-Betroffene gegründet hat. Auch sonst entwickeln sich die Dinge ganz gut. Von der IV hat er eine Kostengutsprache für eine halbe Rente – eine gewisse finanzielle Sicherheit. Und vor allem: Er arbeitet wieder. Durch private Kontakte hat er seit dem Herbst eine 50-Prozent-Stelle als Mechaniker. Ein Job ist sein Lebenselixier. Auch wenn er weiss: «Irgendwann wird es nicht mehr gehen mit diesem Pensum. Aber ich nehme es, wies kommt.»

Die spastische Spinalparalyse kennt man im ländlichen Entlebuch übrigens unter dem Namen «Bucherkrankheit», ausgehend von einer betroffenen Familie Bucher. Allein im Dorf Malters weiss Beat Bachmann von vier weiteren Leuten mit HSP. Fast schon programmatisch für das Phänomen der seltenen Krankheiten: Auch das Seltene kommt mitunter häufig vor.

Weitere Infos

Selbsthilfegruppe: HSP - Selbsthilfegruppe Schweiz

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Quelle: Luxwerk