Wenn ein Arbeitgeber vor ein paar Jahren nach der Ethnie oder Hautfarbe der Mitarbeitenden gefragt hätte, wäre wohl ein Shitstorm das Resultat gewesen. Warum will der Arbeitgeber das wissen? Ist das nicht Privatsache? 

Die UBS forderte im Sommer ihre Schweizer Angestellten dazu auf, ihre Ethnie online anzugeben. Sieben Kategorien standen zur Auswahl: asiatisch, schwarz, lateinamerikanisch, weiss oder eine Kombination davon. «I prefer not to say» war auch eine Kategorie – «keine Angabe». Der Aufruf wurde mit Espressotassen bebildert, gefüllt mit Kaffee in diversen Farbtönen. Die Umfrage löste Irritationen und böse Kommentare aus, vor allem ausserhalb der Bank. Die UBS bemühe überwunden geglaubte Stereotype.

Die Bank hatte genau das Gegenteil im Sinn. Sie wollte sich einen Überblick über die ethnische Zusammensetzung der Belegschaft verschaffen, «mögliche ethnisch bedingte Herausforderungen» besser erkennen und angehen, begründet ein UBS-Sprecher die Erhebung.

Benachteiligte Gruppen könnten dann über Talentprogramme und Mentorings gefördert werden, «damit alle Mitarbeitenden in ihrer gesamten Berufslaufbahn stets die gleichen Chancen erhalten». Die Angaben der Angestellten seien aber absolut freiwillig und würden vertraulich behandelt, versichert die Grossbank.

USA als Vorreiter

«Es ist zwar das erste Mal, dass eine Bank Ethnien erfasst. Überrascht hat uns das aber nicht», sagt Natalia Ferrara, Co-Präsidentin des Bankenpersonalverbands. Dahinter stünden internationale Initiativen aus dem Human-Resources-Bereich, die jetzt auch die Schweiz erreichten. Der Verband begrüsst solche Diversitätsprogramme prinzipiell. Dass jetzt die Ethnie zum Thema werde, sei für die Schweiz vielleicht ungewohnt. Besonders im Bankensektor, wo der Frauenanteil in Führungsetagen bei nur fünf Prozent liege und von daher bereits eine andere grosse Baustelle offen sei.

«Eine Protestwelle wegen der Frage ist ausgeblieben», so Ferrara. Angestellte hätten sich eher darüber aufgeregt, dass hier schon wieder etwas aus den USA übernommen werde. Dort sind grössere Firmen sogar verpflichtet, ihre Diversität regelmässig in öffentlichen Berichten auszuweisen. Neben der Rasse sind auch Geschlecht, sexuelle Orientierungen und Behinderungen relevante Kriterien.

Ferrara kritisiert aber die unbefriedigende Kommunikation der UBS. «Es ist heikel, solche persönlichen Daten zu erfassen. Die Belegschaft muss darum genau orientiert werden, was für Folgen die Erkenntnisse daraus haben.»

Schützenswerte Daten

Es stellt sich auch die Frage, ob solche Erhebungen nicht die Privatsphäre verletzen. «Eine juristische Einordnung dazu ist komplex und nach Schweizer Recht noch kaum erforscht», sagt Isabelle Wildhaber, Professorin für Privat- und Wirtschaftsrecht an der Uni St. Gallen. «Rasse, ethnische Zugehörigkeit, Behinderungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen, aber auch sexuelle Orientierungen werden in den Datenschutzgesetzen vieler Länder als besonders schützenswerte Personendaten betrachtet.» So auch in der Schweiz.

Es sei darum heikel, solche Informationen einfach zu erfragen, sagt Wildhaber. Nicht nur der Datenschutz, sondern auch das Arbeitsrecht müsse dabei eingehalten werden. Und das erlaubt Datensammlungen über Angestellte grundsätzlich nur, wenn sie deren Eignung für das Arbeitsverhältnis betreffen oder zur Durchführung des Arbeitsvertrags nötig sind. «Ein Diversity-Monitoring ist in der Schweiz darum nur eingeschränkt möglich», so Wildhaber.

Internationale Unternehmen stehen aber unter Druck, solche Monitorings zu machen. «Manche Muttergesellschaften verlangen von ihren international tätigen Töchtern, ein Monitoring trotz lokalen Beschränkungen durchzuführen, um eine konzernweite ‹Momentaufnahme› ihrer Vielfalt erstellen zu können», so Wildhaber. Wieweit dies in der Schweiz überhaupt möglich ist, untersucht sie aktuell in einer juristischen Forschungsarbeit.

«Wenn nur 20 Prozent antworten, sagen die Daten nichts über die reale Situation in einem Unternehmen aus. Die Belegschaft muss darum vom Mitmachen überzeugt werden.»

Ines Hartmann, Projektleiterin am Kompetenzzentrum für Diversity und Inklusion der Uni St. Gallen

Falls Diversity-Erhebungen nur freiwillig und möglicherweise nur anonym erlaubt wären, stellt das Firmen vor eine grosse Herausforderung. «Wenn nämlich nur 20 Prozent antworten, sagen die Daten nichts über die reale Situation in einem Unternehmen aus. Die Belegschaft muss darum vom Mitmachen überzeugt werden», sagt Ines Hartmann, Projektleiterin am Kompetenzzentrum für Diversity und Inklusion der Uni St. Gallen.

Es geht nicht nur darum, die Vorteile von mehr Diversität plausibel zu machen. Angestellte wollen auch wissen, an welchen Zielgrössen sich Arbeitgeber orientieren und welche Auswirkungen die Resultate solcher Erhebungen auf die Belegschaft und Bereichsverantwortliche haben. Misst man sich am realen Anteil einer Gruppierung in der Gesamtbevölkerung? Oder ist der Anteil an Studienabgängerinnen eine sinnvollere Referenz? Und wie genau will man solche Ziele erreichen?

Druck der Börse

Hartmann berät auch Firmen bei der Umsetzung von Diversity-Programmen. «Das Bedürfnis nach Zahlen, die eine Ist-Situation im Unternehmen überhaupt erst fassbar machen, wächst. Zugleich ist die Verunsicherung gross, etwas falsch zu machen und die Belegschaft möglicherweise zu verärgern.» 

Um den Frauenanteil oder die Altersverteilung zu erheben, braucht es dagegen keine Befragungen, die Daten hat die Firma sowieso. Ein Blick in die USA zeigt aber, was neben Ethnie und Geschlecht an Bedeutung gewinnen dürfte: sexuelle Orientierungen, Alter und Behinderungen. So machen Investmentfirmen ihre Beteiligungen an Unternehmen zunehmend von deren Diversity-Performances abhängig und erzeugen damit enormen Druck auf die Firmen.

Manche gehen darum in die Offensive. So beschloss die Beratungsfirma Boston Consulting Group im September, dass bis 2025 fünf Prozent der Belegschaft keine heterosexuelle Orientierung haben sollen. Die Firma bietet spezielle Beratungen gleich selber an.

Noch weiter geht Adena Friedman, die Chefin der US-Technologiebörse Nasdaq. Sie beantragte bei der Börsenaufsicht, gehandelte Firmen sollen neben Rasse und Geschlecht auch die sexuelle Orientierung ihrer Geschäftsleitungsmitglieder ausweisen. Mindestens zwei von ihnen müssten einer unterrepräsentierten Minderheit angehören. Sonst sollten die Unternehmen von der Börse gestrichen werden.

Dagegen wirken die Vorgaben in der Schweiz bescheiden. Seit diesem Jahr sollte der Frauenanteil in Verwaltungsräten grosser Firmen mindestens 30, in Geschäftsleitungen mindestens 20 Prozent betragen. Ethnien und sexuelle Vorlieben spielen keine Rolle. Sanktionen gibt es nicht.

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Quelle: Beobachter Bewegtbild
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