Kaum hat das Schuljahr begonnen, sorgt eine neue Datenbank für Aufregung. Darin speichert die Stadtzürcher Volksschule Informationen von rund 32'000 Schülerinnen und Schülern. Weder die Kinder und Jugendlichen noch ihre Eltern haben Kenntnis davon.

Einem von sieben Schulkreisen der Stadt Zürich ist das Datensammeln bereits zu bunt geworden. Die Kreisschulbehörde Limmattal weist in einer internen Rundmail, die dem Beobachter vorliegt, ihre Lehrpersonen an, keine Schülerinformationen mehr in die Datenbank einzutragen. «Es ist ein Skandal, wie unvorsichtig mit sensiblen Schülerinformationen umgegangen wird», sagt eine mit dem Vorgang vertraute Person.

Das Zürcher Schuldepartement begründet das Datensammeln mit dem gesetzlichen Auftrag der Schulleitungen und Behörden, für optimal durchmischte Klassen Bildung Chancengleichheit in der Schule? Fehlanzeige! zu sorgen. Da die Datenbank lediglich diesem Zweck diene, brauche es auch keine Einwilligung der Eltern. Wer wissen möchte, was in der Datenbank über sein Kind eingetragen wurde, muss sich mit einem Gesuch an die zuständige Kreisschulbehörde wenden.

 

Datenschützer wird nun aktiv

Doch so ganz wohl ist es dem Zürcher Schuldepartement dabei nicht. Dem Beobachter schreibt es, dass man «Verbesserungspotenzial» erkannt habe und daran sei, die Datenbank «weiterzuentwickeln». Das ist bitter nötig. In den Schülerprofilen finden sich Kommentare wie «K. ist Einzelkind», «T. hat einen sehr tiefen IQ» oder «Mutter von F. ist alleinerziehend». «Dass solche Informationen, die teilweise Jahre zurückliegen, für die Klassenbildung benötigt werden, ist Augenwischerei», sagt ein Insider. Es ist zudem unklar, wer die Verantwortung trägt, wenn solche Einträge Fehlinterpretationen oder eine Stigmatisierung Bildung «Ein Arbeiterkind gilt per se als dümmer» auslösen. Weil die Daten nicht gelöscht werden sollen, besteht die Gefahr, dass solche Beurteilungen ein ganzes Schulleben an den Betroffenen hängen bleiben.

Auch wie die Daten gesammelt werden, wirft Fragen auf. Entgegen der Darstellung des Schuldepartements ist in der Datenbank nicht ersichtlich, wer die Einträge verfasst hat. Auch ihre Qualität wird nicht überprüft. So ist es beispielsweise möglich, unerkannt nachträglich das Datum zu ändern, Noten anzupassen oder Kommentare zu verändern oder sogar zu löschen.

Der Stadtzürcher Datenschützer Marcel Studer hat erst durch den Beobachter von der neuen Datenbank erfahren; dies, obwohl bei einem Projekt mit sensiblen Daten eine Meldepflicht besteht. Er wird die Datenbank nun einer datenschutzrechtlichen Prüfung unterziehen.

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Matthias Pflume, Leiter Extras
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