Rektorin Patrizia Hasler wird öffentlich vorgeworfen, einen autoritären Führungsstil zu pflegen, Mitspracherechte der Lehrpersonen zu verletzen und einem Sportlehrer ungerechtfertigt gekündigt zu haben. In einem Artikel des «Tages-Anzeigers» ist die Rede von einem «Klima der Angst und des Misstrauens» innerhalb der Technischen Berufsschule Zürich (TBZ), der grössten Berufsschule im Kanton. Die Zeitung bezieht sich dabei auf «übereinstimmende Aussagen aus der Lehrerschaft».

Kritisiert wird Hasler auch von der Gewerkschaft, dem Zürcher Verband der Lehrkräfte in der Berufsbildung (ZLB). Allen voran von deren Präsidenten, Konrad Kuoni. Im Artikel sagte er: «Das Klima ist so vergiftet, dass sich an der TBZ kaum mehr jemand offen kritisch äussert.»

Recherchen des Beobachters zeigen nun: Das ist nur die halbe Wahrheit. Es ist die Bildungsdirektion, die ihre Aufsicht nicht wahrnimmt.

Allerdings prophezeite man bereits damals, dass sie mit ihrer «unangenehmen, anstrengenden und fordernden Art» auch einigen «auf die Füsse treten» könnte.

Es begann im Januar 2020, als die Berufsschule eine neue Rektorin suchte. Erste Bewerbungsgespräche wurden geführt. Wie aus vertraulichen Protokollen der Findungskommission hervorgeht, kam Haslers zielstrebige, fordernde Art gut an. Man suchte jemanden, der Reformen einleiten und durchsetzen kann. Die Schule sollte fit gemacht werden für die Zukunft. Hasler schien dafür die geeignete Person zu sein. Eine Macherin, tough, pragmatisch. Allerdings prophezeite man bereits damals, dass sie mit ihrer «unangenehmen, anstrengenden und fordernden Art» auch einigen «auf die Füsse treten» könnte.

Aus denselben Protokollen geht hervor, dass sich auch der Gewerkschaftspräsident Kuoni um die Rektorenstelle beworben hatte. Derjenige also, der heute vehement Haslers Absetzung fordert. Anders als Hasler wurde er damals nicht zu einem weiteren Assessment eingeladen.

Angesprochen auf eine mögliche Befangenheit, schreibt er: «Tatsächlich bewarb ich mich Ende 2019 als Rektor an der TBZ. Mitte 2021 wurde der ZLB-Vorstand ein erstes Mal von einer Lehrerin aus der TBZ wegen der dortigen prekären Zustände kontaktiert. Die Tatsache, dass ich nicht Rektor der TBZ wurde, hat mit meinem Einsatz für die Lehrerinnen und Lehrer dieser Schule überhaupt keinen Zusammenhang.»

Gespaltene Lehrerschaft 

Die Prophezeiung der Findungskommission bewahrheitete sich, kaum war Hasler im Amt. Alteingesessene Lehrpersonen fühlten sich durch die anstehenden Veränderungen bedroht. Denn plötzlich wurden Unterrichtsmethoden und eingespielte Abläufe hinterfragt. Also versuchte man, die Rektorin aus dem Amt zu drängen, Reformbemühungen zu torpedieren und ihre Führungstätigkeit zu verunmöglichen, so die Meinung mehrerer aktueller und ehemaliger Lehrpersonen, die sich beim Beobachter gemeldet haben. So wurden etwa vertrauliche Verfügungen der Bildungsdirektion ungeschwärzt im Lehrerzimmer aufgehängt.

Das widerspricht der Darstellung im «Tages-Anzeiger». Wer hat recht? Das Bild, das sich während der Recherche ergab: An der Schule gibt es zwei Lager. Eines, das die angestossenen Reformen der Rektorin begrüsst, und eines, das sich von der Rektorin schikaniert und gemobbt fühlt. Als drittes Lager gibt es eine schweigende Mehrheit der 223 Lehrpersonen, die einfach in Ruhe arbeiten möchte.

Interessanter ist darum die Frage: Was macht die Bildungsdirektion, die die Berufsschule beaufsichtigt, um die Situation zu entschärfen?

Wenig, wie sich im Fall eines Sportlehrers zeigt. Die Schulleitung wollte ihm kündigen, weil er sich mehrfach im Ton vergriffen, seine Kompetenzen überschritten und eine als «Treueverletzung zu wertende Handlung» vorgenommen habe, wie es in den Akten zum Fall heisst.

Die Bildungsdirektion stellte sich im Herbst 2021 auf die Seite der Schulleitung und schrieb, der Vertrauensverlust sei «unbestritten». Das entsprechende Schreiben liegt dem Beobachter vor.

Bildungsdirektion ändert die Meinung

In der Folge setzte der Sportlehrer gemeinsam mit der Gewerkschaft ZLB alle Hebel in Gang, um die Bildungsdirektion davon zu überzeugen, dass die Rektorin das wahre Problem ist. So gab es etwa einen vierseitigen Hilferuf an Bildungsdirektorin Silvia Steiner. Sie solle die Schule wieder «in ruhigere Gewässer führen», man bat um «aktive Wahrnehmung ihrer Aufsichtsfunktion». Der Anwalt des Sportlehrers reichte eine Aufsichtsbeschwerde gegen die TBZ ein.

Davon liess sich die Bildungsdirektion offenbar umstimmen – ohne allerdings die Schulleitung noch einmal anzuhören, was diese wiederum als «skandalös» empfindet. Das bei der Bildungsdirektion zuständige Mittelschul- und Berufsbildungsamt (MBA) wies die Schulleitung in der Folge an, keine personalrechtlichen Entscheide zu fällen, solange die Aufsichtsbeschwerde läuft. Nur: Das MBA hat die Aufsichtsbeschwerde bis heute nicht an die Hand genommen. Auf Anfrage des Beobachters heisst es dazu lediglich: «Die zur Bearbeitung der Aufsichtsbeschwerde notwendigen Dokumente wurden dem MBA leider erst mit erheblicher Verzögerung zur Verfügung gestellt.»

«Schulleitung, Schulkommission und Lehrerschaft können kaum noch zusammenarbeiten, weil ungelöste Konflikte den Schulalltag und die Schulentwicklung erschweren.»

Vorstoss der GLP-Kantonsräte Karin Joss und Christoph Ziegler

Ganz grundsätzlich ist es auch fraglich, ob die Intervention des MBA rechtlich überhaupt zulässig ist. Denn eigentlich kann ein Arbeitnehmer mit einem Rekurs gegen eine Kündigung vorgehen. Zwei renommierte Verwaltungsrechtler kommen auf Anfrage des Beobachters zum Schluss: Die Bildungsdirektion darf wohl nur dann eingreifen, wenn die Kündigung den Schulbetrieb «gewichtig stört». Von der Eskalation der Situation in der Schule profitieren also die Gewerkschaft und der gekündigte Sportlehrer. Die TBZ prüft darum aktuell, ob sie gegen den Entscheid der Bildungsdirektion vorgehen will. An der Kündigung hält sie nach wie vor fest.

Die Probleme an der TBZ haben viel mit grossen Fragen zu tun: Wie viel Führung braucht eine Schule? Wie viel Autonomie und Mitspracherecht sollen Lehrpersonen haben?

Fragen, die offenbar auch andere Berufsschulen im Kanton Zürich beschäftigen. In einem aktuellen Vorstoss im Kantonsrat ist die Rede davon, dass sich weitere Schulen seit vielen Jahren in einer sehr ähnlichen Situation wie die TBZ befinden. «Schulleitung, Schulkommission und Lehrerschaft können kaum noch zusammenarbeiten, weil ungelöste Konflikte den Schulalltag und die Schulentwicklung erschweren», schreiben Kantonsrätin Karin Joss und Kantonsrat Christoph Ziegler. Massnahmen wie Mediation oder Coaching hätten kaum Erfolge gebracht. Immer wieder hätten Lehrpersonen und Konvente ihre Anliegen auf dem Dienstweg adressiert und Unterstützung für die Lösung der dauerhaft blockierten Situation gesucht.