«Lic. iur., Advokatur, Verwaltungen», steht am Briefkasten, und im elektronischen Telefonverzeichnis findet sich beim Namen S. die Bezeichnung «Lic. iur. Rechtsanwalt». Sowohl Advokat wie auch Rechtsanwalt sind allerdings geschützte Titel. Das weiss auch S.: Er wurde vor einem Jahr wegen Widerhandlung gegen das Anwaltsgesetz zu einer Busse von 1000 Franken verurteilt (siehe Artikel zum Thema: «Justiz: Schlamperei für teures Geld»). Das Amtsgericht Solothurn-Lebern verbot ihm zudem, sich weiterhin Anwalt, Advokat oder Rechtsanwalt zu nennen. Doch offensichtlich hat diese Busse nicht gewirkt. Als der Beobachter «Rechtsanwalt» S. zur Rede stellen will, verweigert dieser das Gespräch: «Ich habe keine Zeit für den Beobachter.»


Dass S. trotz Verbot weiterhin als Anwalt auftrete, sei «unbefriedigend», sagt Hans-Peter Marti, Präsident der Aufsichtsbehörde der Solothurner Anwälte. Er könne nichts dagegen tun, da er nur die Aufsicht über die zugelassenen Anwälte ausübe. Marti will jedoch eine weitere Strafanzeige gegen S. prüfen - wenn sich jemand beschwert. Bei erneuter Verurteilung droht S. eine Busse von bis zu 10'000 Franken.

Doch Marti zweifelt, dass das etwas nützt: «Einsperren kann man ihn ja nicht», meint er lakonisch. Und wieso nicht? Paragraph 17 des Solothurner Anwaltsgesetzes sieht bei unzulässigem Tragen des Anwaltstitels auch Haft vor. Doch seit 1. Januar 2007 können für solche Vergehen nur noch Bussen verhängt werden - Haft ausgeschlossen. Paragraph 17 ist also veraltet.

«Die Situation nochmals überdenken»
Im Kanton Solothurn besteht offensichtlich Handlungsbedarf, denn die Sanktionen gegen falsche Anwälte werden nicht härter, sondern schwächer. Doch Jean-Pierre Summ, Präsident der Justizkommission des Solothurner Kantonsrats, hält Massnahmen für überflüssig. Er will sich aber immerhin mit Hans-Peter Marti «zusammentun» und die Situation nochmals überdenken.

Bei der Wahl eines Rechtsanwalts ist im Kanton Solothurn also nach wie vor Vorsicht geboten.