Pannen bei der Potenz
Wie weiter, wenn «er» nicht mehr seinen Mann steht beim Sex? Scham ist fehl am Platz - den meisten Männern kann geholfen werden.
aktualisiert am 20. Juli 2018 - 22:53 Uhr
Potenz ist das Gütesiegel der Manneskraft. Wenn sie versagt, muss Hilfe her. Ob spanische Fliege, Yohimbin, Nashornpulver oder Voodoo-Zauberei: Potenzaufputscher haben seit Jahrhunderten weltweit Hochkonjunktur. Viagra ist lediglich der jüngste Hit.
Neu sind die Probleme mit der Impotenz nicht. Aber: Man(n) spricht zunehmend darüber, und das ist bereits ein wichtiger Schritt bei der Problemlösung. Wollen und nicht können stürzt den Mann in eine tiefe Krise. Uber Scham, Wut und Enttäuschung können oft auch die aufmunternden Worte und das Verständnis der Partnerin nicht hinwegtrösten. Die Angst, dass es beim nächsten Mal wieder nicht klappt, nistet sich ein. Die Selbstachtung bekommt einen Knacks - Depressionen und Spannungen in der Partnerschaft sind oft die Folge.
Ungefähr ein Viertel aller Männer über 50 leiden unter Erektionsstörungen , der sogenannten erektilen Dysfunktion - und das Impotenzrisiko steigt mit zunehmendem Alter.
Die meisten Betroffenen versuchen mit dem Frust, dass Sex nur noch als schöne Erinnerung besteht, allein fertig zu werden. Nur etwa zehn Prozent suchen ärztliche Hilfe - leider. Experten geben zu bedenken, dass ein Erektionsausfall eine Krankheit wie jede andere auch ist. Meistens habe dies organische Gründe. Dass sich psychische Probleme dazugesellen, ist verständlich.Ärztlicher Rat ist also angezeigt.
Das männliche Glied ist ein elastisches Organ. Der Grund für sein Anschwellen sind meist die Reize eines weiblichen – oder männlichen – Gegenübers. Sie bewirken via Nervenbahnen und Ausschüttung des Hormons Testosteron eine Erweiterung der Arterien im Penis: Die zwanzigfache Menge Blut strömt hinein.
Gleichzeitig verengen sich die Abflusswege, die Venen. So entsteht ein Blutstau. Aufgefangen wird dieser in den drei Schwellkörpern, die den grössten Teil des Penis ausmachen. Die Folge: Das Glied wird steif. Vieles kann diesen komplizierten Vorgang stören. Leistungsdruck , Stress und Übermüdung sind Gründe, die fast jeder Mann kennt.
Häufiger sind jedoch organische Ursachen. Krankheiten wie Diabetes , Arteriosklerose, multiple Sklerose und chronisches Nierenversagen können mit Erektionsproblemen einhergehen. Potenzschwächend wirken sich aber oft auch psychische Beschwerden, Prostataoperationen oder Röntgenbestrahlungen aus.
Zudem führen bestimmte Medikamente vielfach zu Erektionsproblemen - typische Beispiele sind Psychopharmaka oder Mittel gegen hohen Blutdruck. Weitere Potenzkiller sind zuviel Alkohol und starkes Rauchen.
Die Momente der männlichen Machtlosigkeit müssen kein unabwendbares Schicksal bedeuten. Scham und Selbstvorwürfe sind also fehl am Platz. Betroffene sollten mit ihrem Arzt über die Erektionsprobleme reden. Auch Ärztinnen haben dafür Verständnis.
Gemeinsam müssen Arzt und Patient nach der Wurzel des Übels suchen. Manchmal bringt die Behandlung einer organischen Grundkrankheit auch die sexuelle Kraft wieder zurück. Ebenso hilfreich kann eine Psychotherapie sein, wenn die Ursache der erektilen Dysfunktion im seelischen Bereich liegt.
Operative Eingriffe und Hormonspritzen zur Wiederherstellung der «Standfestigkeit» sind ganz selten nötig. Nur wenig Patienten haben ihre Potenzschwierigkeiten wegen Testosteronmangels. In den meisten Fällen wirksam sind hingegen mechanische «Stehhilfen» - zum Beispiel eine Vakuumpumpe. Sie wird vor dem Geschlechtsverkehr über das Glied gestülpt. Dann wird die Luft abgepumpt. Durch den entstehenden Unterdruck strömt Blut in den Penis - er wird steif.
Seit einiger Zeit gibt es auch Medikamente, die der Patient selber in die Schwellkörper des Penis einspritzen kann. Die Erektion dauert bis zu einer Stunde.
Seit einiger Zeit werden diese Mittel auch als dünne Zäpfchen in die Harnröhre eingeführt. Noch einfacher und weniger unerotisch wird die Handhabung sein, wenn die Schwellsubstanzen einmal als Creme zum Auftragen erhältlich sein werden. Londoner Mediziner testen derzeit eine Salbe, die Nitroglycerin enthält, ein Stoff, aus dem auch Sprengstoff hergestellt wird. Laut der britischen Zeitung «The Sun» führte eine erbsengrosse Menge bei sieben von zehn Männern zu einer Erektion.
Derzeit raubt die Potenzpille Viagra vielen Männern den Schlaf. Sie ist wirksam - aber auch sehr teuer. Und: Die blaue Wunderpille kann unerwünschte Nebenwirkungen hervorrufen - vor allem bei gleichzeitiger Einnahme von bestimmten Herz- und Blutdruckmitteln.
Nicht zuletzt gilt: Sex ist kein Leistungssport. Erwartungsdruck schadet der Liebe mehr, als dass er nützt. Auch im Zeitalter von Viagra sollten traditionelle «Hilfsmittel» wie beispielsweise die richtige Atmosphäre, reichlich Zeit und Zärtlichkeit nicht vernachlässigt werden. So macht es nämlich auch den Frauen mehr Spass.
«Viagra - das Ende der Impotenz», Sonja Funke, Fischer Taschenbuch Verlag, ca. Fr. 16.90