Es ist ein gutes Zeichen, wenn Kinder auf die Krise reagieren. «Wenn sich Kinder und Jugendliche auffällig verhalten, ist das eine normale und gesunde Reaktion auf die verrückten Lebensumstände», sagt Heiner Krabbe. Er ist Psychologe und Experte auf dem Gebiet von Kindern in Konflikten – unter anderem für die Gerichte in Zürich.

Jedes Kind ist anders. Aber wenn sich die Eltern trennen, helfen jedem bestimmte Sicherheiten. Die Kinder können die grosse Veränderung unbeschadet überstehen, wenn die Erwachsenen ein paar Grundregeln beachten – besonders bei der Kommunikation.

Auch wenn man sich nicht streitet – die Kinder merken sofort, wenn etwas nicht stimmt. «Es ist erstaunlich, wie genau die Kinder mitbekommen, was in der Familie passiert», sagt Heiner Krabbe. Verheimlichen bringt nichts. Sondern kindgerecht kommunizieren – bereits in der ersten Trennungsphase.

Es den Kindern sagen

Kinder kennen die erwachsene Form der Liebe nicht und können deshalb auch die entsprechenden Probleme nicht verstehen. Das ändert sich erst, wenn sie in der Jugendzeit selbst eine Beziehung erleben.

Sie können deshalb nicht nachvollziehen, warum sich die Eltern trennen. Es bringt nichts, ihnen die Gründe zu erklären. Streit als Grund anzugeben, ist keine gute Idee. Vielleicht hört der Nachwuchs selbst auf zu streiten – und das kann hinderlich für die Entwicklung sein. Wenn die Kinder nach Gründen fragen, kann man sagen, dass sie für jeden Elternteil unterschiedlich seien. 

Es genügt, ihnen deutlich zu machen, dass man sich trennt. Beruhigend wirkt es, wenn es die Eltern gemeinsam sagen. Und folgende Punkte ansprechen:

  • dass beide, Mutter und Vater, mit dem Kind in Kontakt bleiben; 
  • dass die Kinder nichts dafürkönnen – besonders wichtig bei Schulkindern;
  • dass beide Elternteile die Trennung akzeptieren. 


Beim Auszug ans Kind denken

Psychologe Krabbe empfiehlt, das Kind einzubeziehen, wenn Mama oder Papa packt und auszieht. Wenn ein Elternteil unerwartet ausgezogen ist, kann das für die Kinder fatal sein. Es hilft, das Kind möglichst gemeinsam und frühzeitig zu informieren. Idealerweise packt es selbst auch eine kleine Kiste mit etwas Spielzeug und Kleidung, fährt mit in das neue Zuhause und baut dort seine Sachen auf. Falls das nicht möglich ist, kann es zumindest ein paar Dinge mitgeben. So erfährt es: «Ich bin dabei.» Und wenn auch im bisherigen Zuhause etwas verändert wird, zeigt das dem Nachwuchs, dass der Auszug nicht nur vorübergehend ist.

Übergaben harmonisch gestalten

Kinder wissen gern frühzeitig, wann sie bei welchem Elternteil sind. Und es tröstet sie, wenn sie zumindest zu Beginn ein Elternteil begleitet. Eine einigermassen entspannte Stimmung bei der Übergabe entlastet alle. Die Eltern können sich kurz darüber austauschen, was die andere Person wissen muss. Kritische Punkte sollten aber nicht in dem Moment angesprochen werden, sondern lieber bei einem separaten Termin ohne Kinder. Im besten Fall pendelt sich ein Übergaberitual ein.

Grundlegende Sicherheiten

Psychologe Krabbe macht Mut: «Die meisten Kinder finden ihr Gleichgewicht wieder, wenn sie merken, dass sich die Welt in ihren Grundfesten nicht verändert hat.» Es ist aber normal, dass sie einen oder zwei Entwicklungsschritte zurückgehen: auf die Stufe, die sie schon kennen – das gibt Sicherheit. Zusätzlich stabilisieren können die Eltern ihre Kinder, wenn sie folgende drei Punkte klar vorleben:

1. Die Beziehung mit beiden Elternteilen bleibt bestehen

Doch woran erkennen Kinder das? Der Schlüssel sind Alltagsgegenstände. Kinder schauen sich ihre Umgebung sehr genau an und ziehen ihre Schlüsse. Optimal ist deshalb, wenn sie bei beiden Elternteilen ein voll eingerichtetes Zimmer haben. Das ist nicht möglich? Gemäss Krabbe kein Problem: «Auch kleine Dinge wie eine Zahnbürste und ein separates Spielzeug beim ausgezogenen Elternteil wirken Wunder.»

Ein Kind schaut oft zuerst nach, ob die Zahnbürste und das Stofftier noch da sind. Das zeigt ihm: Das ist sein Zuhause, und es ist nicht nur ein Gast. Dabei helfen auch Rituale: Bei Papi wird nach dem Mittagessen immer gepuzzelt und bei Mami vor dem Schlafen eine Geschichte vorgelesen. Nicht hilfreich ist, wenn die Eltern um die Gunst der Kinder konkurrieren und sie etwa mit Geschenken überhäufen.

2. Die Eltern arbeiten weiterhin zusammen

Beruhigend ist es für Kinder, zu wissen, dass sich Mutter und Vater gemeinsam für etwas entschieden haben. Sei es für die Trennung oder dafür, wann das Kind bei wem ist. Das Einverständnis bestätigt sich aus Kindersicht, wenn die Eltern sich absprechen – und sei es nur über das Nötigste.  

3. Finanzielle Sicherheit

Hier geht es um Dinge wie Kleidung und Taschengeld. «Manchmal sind Kinder auch wegen finanzieller Fragen bedrückt, auf die Eltern nicht gleich kämen», sagt Heiner Krabbe. Einmal vermittelte er zwischen Vater und Mutter und lud auch die Tochter ein. Er fragte sie, was für sie gerade wirklich wichtig sei, damit es die Eltern besprechen. Die Antwort: Sie mache sich Sorgen, dass sie aus finanziellen Gründen nicht mit ins Klassenlager gehen könne. Wenn die Erwachsenen diese Fragen zusammen klären können, haben sie schon viel zum Wohl ihrer Kinder beigetragen.

Unterstützung für Eltern und Kinder

Selbst nicht mehr weiterzuwissen und Unterstützung zu holen, ist völlig normal. Die verschiedenen Angebote kommen auch den Kindern zugute – darum ist es ein Zeichen von guter Elternschaft, sich an Fachleute zu wenden. 

Paarberatung

Ist die Beziehung am Ende – oder vielleicht doch noch nicht? An diesem Punkt ist eine Paarberatung eine gute Sache. Mit Hilfe erfahrener Berater kann man herausfinden, weshalb es in der Beziehung nicht mehr rundläuft und ob es eine Lösung gibt. Und wenn die Liebe trotzdem zerbricht, hilft die Paarberatung, die Ablösung mit möglichst wenigen Verletzungen zu regeln. 

Sinnvoll sind auch sogenannte Ambivalenzberatungen, wenn eine Seite für sich allein die Frage beantworten möchte, ob sie bleiben oder gehen soll.

Mediation

Vieles kann man untereinander regeln. Das ist besser, als vor Gericht darüber zu streiten. Wer zu zweit daran scheitert, kann zu einer Mediatorin oder einem Mediator gehen. Sie sind ausgebildet, solche Verhandlungen professionell zu begleiten.


Unterstützung bei der Krisenbewältigung

Hier kommen zum Beispiel Konfliktcoachings in Frage. Einzelpersonen werden dabei unterstützt, selber besser mit dem Konflikt umzugehen. Manchmal ist das auch Voraussetzung, um dann bereit für eine Mediation zu sein. Teilweise ist es auch nützlich, sich therapeutisch begleiten zu lassen und eine Psychotherapie zu machen.

Rechtliche Beratung und Information

Beobachter-Mitglieder können sich im Beratungszentrum zu rechtlichen Fragen über die Linie «Familienrecht» beraten lassen. Und über die Linie «Sozialberatung» Tipps einholen, wie man selber mit der belastenden Situation umgehen oder wie man den Kindern beistehen kann. Für Nichtmitglieder gibt es für 60 Franken eine Scheidungsberatung im Beratungszentrum.

Daneben gibt es auch viele gute Familienberatungsstellen, die zu diesen Themen Auskunft geben. Sie sind oft kostenpflichtig.