Frage von Ralph F.: Meine Lebenspartnerin leidet unter einer schweren Depression. Ich versuche sie immer wieder aufzuheitern, stattdessen zieht es mich selber immer mehr nach unten. Wie kann ich ihr helfen, ohne selbst den «Verleider» zu bekommen?

Sie sind nicht der Einzige, dem es so geht. Deshalb gibt es auch Selbsthilfegruppen für Angehörige von Depressionskranken. Zu hören, wie andere mit der belastenden Situation umgehen, kann befreiend wirken. Man profitiert zum Beispiel von erfolgreichen Strategien, die andere im Umgang mit depressiven Partnern gefunden haben. Die Selbsthilfegruppe ermöglicht eine gewisse Abgrenzung. Abgrenzung bedeutet aber nicht Abwendung.

Helfen können Sie Ihrer Partnerin, indem Sie nicht krampfhaft daran arbeiten, die Situation zu lösen - sie etwa aufzuheitern versuchen -, sondern indem Sie erst mal Verständnis für ihr Leiden zeigen: «Wenn ich höre, wie du dich fühlst, kann ich verstehen, dass dir das Leben verleidet ist.» Falsch wären Reaktionen wie: «Versuche doch einmal das Positive in deinem Leben zu sehen!» Ermunterungen, Ratschläge - wenn auch noch so gut gemeint - verstärken das Gefühl von Hoffnungslosigkeit bei Depressiven nur noch. Ein gewisses Mass an Abgrenzung ist deshalb nicht nur für Sie gesund, sondern auch für Ihre Partnerin.

Die drei Säulen des Mitgefühls

Dass uns seelische Zustände anderer «anstecken» können, hängt damit zusammen, dass Menschen eine natürliche Anlage zum Mitgefühl haben. Der Fachausdruck dafür lautet Empathiefähigkeit. Im Idealfall ruht sie auf drei Säulen: Angeboren ist dem Menschen offenbar, dass er mit anderen seelisch «mitschwingen» kann. Videoanalysen haben gezeigt, dass wir den Gesichtsausdruck eines Gegenübers unwillkürlich und kaum wahrnehmbar kopieren und dadurch spüren, wie es dem andern geht. Geschieht dies unbewusst, kann dies eben zu der von Ihnen geschilderten belastenden Gefühlsansteckung führen. Bei einer gewollten Einfühlung - also bewusst und beabsichtigt - ist diese Gefahr geringer. Dies ist bei professionellen Helfern unbedingt notwendig.

Die Abgrenzung wird aber auch von den anderen zwei Säulen der Empathie unterstützt. Es gehört ebenfalls zu den Möglichkeiten unseres Gehirns, zwischen eigenen und fremden Gefühlen zu unterscheiden. Paradoxerweise kann sich besser einfühlen, wer sich auch besser selbst abgrenzen kann. Sie sollen zwar die Gefühle Ihrer Partnerin verstehen können, müssen sich aber immer wieder bewusst werden, dass es deren Depression ist und nicht Ihre eigene.

Als dritte Säule der Empathiefähigkeit erkannten die Wissenschaftler, dass wir lernen können, unsere eigenen Gefühle besser zu managen. Dies erreichen wir, indem wir lernen, mit einem Teil unserer Seele Zuschauer unserer selbst zu sein. So werden wir nicht zum Opfer unserer Gefühle.

Empathiefähigkeit ist übrigens nicht zuletzt auch wichtig, um Gewalt zu verhindern. Sie wirkt als «Gewaltbremse», denn wer sich in ein Opfer einfühlt, kann nicht mehr rücksichtslos zuschlagen. Obwohl also Mitgefühl bereits als Anlage angeboren ist, sollte diese Fähigkeit immer weiter verfeinert und trainiert werden. Sie macht uns wirklich menschlich - und sie hilft nicht nur uns, sondern auch den Mitmenschen.