Antwort von Koni Rohner, Psychotherapeut FSP:

Machen Sie aus der Not eine Tugend! Wenden Sie sich nach innen und suchen Sie das, was Ihnen aussen schon früh versagt blieb, in Ihrem Innern. Ich bin sicher, dass Sie ein sehr liebesfähiger und vitaler Mensch sind. Vielleicht wurden und werden Sie gerade aus diesem Grund immer wieder abgelehnt. Weil viele Menschen neidisch sind auf Ihre Lebendigkeit und zerstören wollen, was ihnen selber fehlt.

Wenn es Ihnen gelingt, die Wärme Ihres eigenen Herzens zu spüren, werden Sie nicht mehr so sehr auf die Nahrung von aussen angewiesen sein. Sie werden milder mit den «Verfolgern» umgehen und sich durch Zurückweisungen nicht mehr aus der Ruhe bringen lassen. Sobald Sie mit sich selbst im Reinen sind und nicht mehr mit der lieblosen Umwelt hadern, werden Sie Menschen finden, die zu Ihnen passen und Sie so annehmen, wie Sie sind. Allmählich werden Sie immer öfter korrigierende Erfahrungen machen und spüren, wie liebenswert Sie sind.

Zerstörerische Wirkung

Mit hoher Wahrscheinlichkeit leiden Sie an dem, was der Schweizer Psychotherapeut Peter Schellenbaum «die Wunde der Ungeliebten» nennt. In seinem gleichnamigen Buch schreibt er darüber, wie frühe Verletzungen das spätere Beziehungsverhalten beeinträchtigen können.

Wir nehmen als selbstverständlich an, dass alle Eltern ihre Kinder gernhaben. Es ist ein Tabu, dass dem nicht immer so ist. Einige von uns mussten die Erfahrung machen, dass sie von einem Elternteil oder gar von beiden nicht wirklich geliebt wurden. Bei Einzelnen ist diese Wunde so tief,dass sie im ganzen späteren Liebesleben eine zerstörerische Wirkung entfaltet.

Natürlich geben alle Eltern ihr Bestes. Aber vielleicht sind sie dermassen gestresst, dass sie nicht wirklich auf das Wesen des Kindes eingehen können, vielleicht werden sie selber von Neurosen oder Depressionen gequält, die es ihnen verunmöglichen, das Kind in seiner ganzen Wirklichkeit wahrzunehmen. Vielleicht sind sie auch durch die Ansprüche des Kindes überfordert, gerade wenn es besonders vital und liebesbedürftig ist.

Sie sind bereits einen Schritt weiter als viele «Ungeliebte». Sie schauen der Tatsache, ein unerwünschtes Kind gewesen zu sein, unerschrocken ins Auge. In der Regel fällt es Betroffenen ausserordentlich schwer, die Illusion aufzugeben, die Eltern hätten sie doch geliebt. Die schmerzhafte Erfahrung der Kälte und Zurückweisung wird massiv verdrängt. Das Gefühl des Ungeliebtseins ist im Untergrund natürlich trotzdem wirksam. Es führt entweder zu Depressionen oder zu einem diffusen Hass auf das andere Geschlecht.

Die Wunde muss wieder aufgerissen werden

Meist wird das Verdrängte wie bei Ihnen unbewusst mit immer wieder neuen Akteuren inszeniert – als ob die Seele wüsste, dass die Wunde nur heilt, wenn sie wieder aufgerissen wird. Aber sie heilt nur vollständig, wenn man den ganzen Hass und alle Schmerzen, die aus dem Nicht-geliebtwerden entstehen, bewusst nochmals durchlebt. Dazu braucht es in der Regel eine therapeutische Begleitung. Erst wenn man zu den Eltern sagen könnte: «Ich habe euch als kleines Kind geliebt, obwohl zu wenig zu mir zurückkam», ist man über den Berg. Dann ist aus dem ausgestossenen Kind eines geworden, das sich freigestossen hat.

Buchtipp

Peter Schellenbaum: «Die Wunde der Ungeliebten. Blockierung und Verlebendigung der Liebe»; Deutscher Taschenbuch-Verlag, 2013, 200 Seiten, CHF 12.90