Kaum ist das Baby da, gehts gleich ans Impfen. Zumindest wenn sich Eltern an die Empfehlungen des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) halten. Das offizielle Impfprogramm sieht zurzeit 26 Impfdosen gegen acht Krankheiten vor - in den ersten zwei Lebensjahren. Ungefähr 95 Prozent der Eltern lassen ihre Kinder gegen Diphtherie, Starrkrampf, Keuchhusten, Kinderlähmung und Hirnhautentzündung impfen. Bei Masern, Mumps und Röteln sind es um die 85 Prozent.

Doch immer wieder warnen Impfgegner wie etwa die private Vereinigung Aegis vor Risiken. Eltern geraten beim Entscheid zunehmend in ein Dilemma: Diphtherie, Starrkrampf, Keuchhusten, Kinderlähmung und Hirnhautentzündung sind lebensgefährlich. Masern, Mumps und Röteln können in seltenen Fällen zu schweren Komplikationen führen.

Umgekehrt können in seltenen Fällen auch die Impfungen gegen diese Krankheiten schwere Nebenwirkungen haben. Das BAG geht davon aus, dass das bei höchstens einer von 100’000 Impfungen der Fall ist. Eine mögliche Komplikation ist ein allergischer Schock. Sehr selten wurde nach der Masern-Mumps-Röteln-Impfung eine Hirnentzündung beobachtet. Es gibt auch Hinweise darauf, dass die Hepatitis-B-Impfung in seltenen Fällen das Risiko für multiple Sklerose erhöht. In mehreren Studien konnte jedoch kein ursächlicher Zusammenhang nachgewiesen werden. Nach Impfungen entwickeln ausserdem 10 bis 30 Prozent der Kinder Rötungen, Schwellungen und Schmerzen an der Einstichstelle, oder sie bekommen Fieber.

Verschieben, bis das Kind älter ist
Selbst wer sich vertieft mit dem Impfen auseinander setzt, wird immer wieder auf Fragen stossen, die sich nicht wissenschaftlich fundiert beantworten lassen: Ist es für das Immunsystem besser, Kinderkrankheiten durchzustehen, wie das Impfkritiker behaupten? Leiden geimpfte Kinder häufiger unter Allergien? Ein guter Rat für verunsicherte Eltern lautet in jedem Fall: Lassen Sie sich Zeit für den Impfentscheid. Es kann sinnvoll sein, Impfungen aufs zweite Lebensjahr oder in die Vorpubertät zu verschieben. Es gibt nämlich Hinweise darauf, dass unerwünschte Nebenwirkungen von Impfungen bei älteren Kindern seltener vorkommen als bei Babys.

Der Arzt Peter Klein von der Arbeitsgruppe für differenzierte Impfungen betont: «Für die meisten Impfungen gibt es keinen unumstösslichen Grund, schon im ersten Lebensjahr zu impfen.» Ausnahmen sind die Impfungen gegen Keuchhusten und gegen die Hib-Hirnhautentzündung. Keuchhusten ist vor allem für junge Säuglinge gefährlich, Hib in den ersten zwei Lebensjahren. Eltern, die ihr Kind dagegen impfen lassen wollen, sollten das deshalb bereits in den ersten zwei Monaten nach der Geburt machen.

Mumps-Epidemie trotz Impfungen
Der Entscheid, gezielt nur gegen einzelne Krankheiten zu impfen, wird Eltern meist abgenommen: Einzelimpfstoffe gibt es immer weniger, weil die Nachfrage zu gering ist und es sich für die Hersteller nicht lohnt, diese anzubieten. «Wir fordern zwar die Hersteller auf, Einzelimpfstoffe möglichst beizubehalten. Aber wir können sie nicht dazu zwingen», erklärt Hans-Peter Zimmermann vom BAG.

Nichtimpfer sehen sich dem Vorwurf ausgesetzt, dass sie dazu beitrügen, dass gefährliche Krankheiten nicht ausgerottet werden könnten. Das allerdings ist oft kein Argument. Zwar gibt es dank Impfkampagnen in den meisten Gebieten der Welt keine Kinderlähmung mehr. Doch bei Keuchhusten sei eine Ausrottung unrealistisch, räumt Hans-Peter Zimmermann ein. Zudem zeigen wissenschaftliche Studien, dass nach natürlichen Erkrankungen mehr Antikörper gebildet werden als nach einer Impfung. Es sei jedoch nicht erwiesen, dass mehr Antikörper besser schützen, meint Zimmermann.

Erwiesen ist wiederum, dass nicht alle Impfungen gleich gut wirken: Während einer Mumps-Epidemie im Jahr 2000 erkrankten in der Schweiz rund 50’000 Kinder - drei Viertel von ihnen, obwohl sie geimpft waren. Der heute erhältliche Mumps-Impfstoff schützt laut Hans-Peter Zimmermann vom BAG zu 70 bis 90 Prozent. Die übrigen Impfstoffe haben eine Schutzwirkung von rund 95 Prozent.

Impfungen für Kinder: Weshalb wogegen?

  • Diphtherie, Starrkrampf, Kinderlähmung: Sehr gefährliche Krankheiten. Eine Impfung ist empfohlen. Erwägung: Das Ansteckungsrisiko ist bei Babys, die zu Hause aufwachsen, klein. Eventuell erst im Krabbelalter mit Impfen beginnen.

  • Keuchhusten: Vor allem ganz junge Säuglinge sind gefährdet (in einem von 1000 Krankheitsfällen tödlich). Impfung vor allem in den ersten Lebensmonaten ist sinnvoll. Erwägung: Nur Babys impfen, die schon im ersten Lebensjahr mit vielen Kindern in Kontakt kommen, zum Beispiel in der Kinderkrippe.

  • Hib-Hirnhautentzündung und Hib-Kehlkopfentzündung: Vor allem junge Säuglinge sind gefährdet; zurzeit gibt es etwa 60 Erkrankungen pro Jahr, die bei 1,5 Prozent tödlich verlaufen. Erwägung: Gestillte Babys sind besser geschützt, eventuell erst mit zwei Jahren impfen. Frühgeburten und Babys in der Kinderkrippe haben allerdings ein höheres Erkrankungsrisiko.

  • Masern: Risiko einer Hirnentzündung in einem von 100'000 Fällen. Gefährdet sind Säuglinge, Jugendliche und Erwachsene. Erwägung: Kinder erst mit zehn bis zwölf Jahren impfen, falls sie bis dahin noch keine Antikörper haben.

  • Röteln: Wegen Röteln in der Schwangerschaft kommen in der Schweiz jährlich ein bis zwei Kinder mit Missbildungen zur Welt. Die Impfung ist für Mädchen empfohlen, falls mit zwölf Jahren noch keine Antikörper vorhanden sind. Der Impfstoff ist nur in Kombination mit Mumps- und Masern-Vakzin erhältlich.

  • Mumps: Es besteht das Risiko eines Gehörverlustes in einem von 200'000 Fällen. Ab der Pubertät kommt bei Männern ein grosses Risiko einer Hodenentzündung hinzu (20 Prozent), die selten zu Unfruchtbarkeit führt. Erwägung: Impfung bei Knaben, die mit zwölf Jahren noch keine Antikörper haben. Kein Mumps-Einzelimpfstoff erhältlich.

  • Hepatitis B: Ist durch Blut und Geschlechtsverkehr übertragbar. Eine Impfung ist nur bei Risikoverhalten nötig.

  • Zecken-Hirnhautentzündung: Vorbeugung mit zeckenabweisenden Kleidern und Mitteln. Erwägung: Impfung für Personen, die sich regelmässig in verseuchten Waldgebieten aufhalten.

  • Pneumokokken und Meningokokken: Das Erkrankungsrisiko ist für gesunde Kinder sehr gering. Risiken und Langzeitwirkung der relativ neuen Impfung sind noch nicht geklärt.
Impfungen für Erwachsene: Drei sind nötig

Es gibt drei Krankheiten, gegen die alle Erwachsenen einen aktualisierten Impfschutz haben sollten:

  • Diphtherie,
  • Starrkrampf,
  • Kinderlähmung


Das ist wenig umstritten, denn: «Diese Krankheiten haben eine sehr hohe Komplikations- und Sterberate», sagt der Arzt Peter Klein von der Arbeitsgruppe für differenzierte Impfungen.

Doch auch bei den klassischen Kinderkrankheiten steigt nach der Pubertät das Komplikationsrisiko. Deshalb empfiehlt Peter Klein Erwachsenen, die nicht immun sind, eine Impfung gegen Masern, Frauen ausserdem die Impfung gegen Röteln. Alle anderen Impfempfehlungen hängen vom persönlichen Risiko ab. Nur in bestimmten Fällen sinnvoll sind Impfungen gegen Grippe, Tollwut, Zecken-Hirnhautentzündung, Tuberkulose, Hepatitis B, Windpocken, Pneumokokken (Erreger von Entzündungen und Blutvergiftungen), Meningokokken (Erreger von Hirnhautentzündung).

Bei Reisen in fremde Länder sind je nach Region Impfungen gegen Cholera, Gelbfieber, Typhus und Hepatitis A empfehlenswert oder sogar vorgeschrieben. Informationen dazu finden Sie unter www.safetravel.ch.