Normalerweise lasse sie sich Zeit bei solchen Entscheidungen. «Aber das ging megaschnell. Der Berater kam zu mir nach Hause, alles klang super, der Vertrag war schnell unterschrieben», sagt Anja Friedrich (Name geändert).

Vor vier Jahren liess sich die Österreicherin eine teure 3a-Lebensversicherung aufschwatzen. Die heute 27-Jährige war für ihr Doktorat an der Uni Zürich in die Schweiz gezogen. Sie wollte fürs Alter vorsorgen und erfuhr von der Säule 3a. Ein ausländischer Studienkollege empfahl ihr einen Berater der Firma 360 Consulting in Zollikofen. Der verkaufte ihr ein Paket der Helvetia. 

«Das ist doch rückgratlos!»

Jahre später erzählte ihr eine Kollegin, sie habe mit einer 3a-Versicherungslösung massive Verluste eingefahren. Friedrich forschte nach und wollte darauf raus aus dem Vertrag. Nach langem Hin und Her erhielt sie von den eingezahlten knapp 11'000 Franken weniger als 2000 zurück.

«Wie kann man einer 23-Jährigen eine Lebensversicherung und Altersvorsorge mit monatlichen Beiträgen von 300 Franken andrehen? Das ist doch rückgratlos!», sagt sie. Mittlerweile ist sie mit dem Versicherungsombudsmann in Kontakt.

Friedrich kennt mindestens drei weitere Doktorierende aus Österreich und Deutschland, die mit demselben Berater die gleiche Erfahrung gemacht haben. «Unsere Unwissenheit war für ihn ein gefundenes Fressen. Es ist unheimlich schwierig, sich richtig zu informieren, wenn man neu im Land ist», sagt sie. 

Müssten Berater die spezielle Situation von Zugezogenen besser beachten und ausführlicher informieren? Der Berater von damals ist nicht mehr bei 360 Consulting tätig.

Der Geschäftsleiter der Firma sagt, der Gesprächsablauf sei immer gleich. Alle Kundinnen und Kunden würden von Grund auf beraten, weil auch viele Schweizer das Säulensystem nicht im Detail kennen würden. Er bedauere es, wenn sich die Betroffenen nachteilig behandelt fühlten. Sie hätten aber gewusst, worauf sie sich einlassen.

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