Kommentar zur AHV 2030
Das Rentenalter muss rauf – auch wenn es schmerzt
Das Reformprojekt AHV 2030 soll die Altersvorsorge sichern, ohne dass etwas am Rentenalter geändert wird. Das ist unfair gegenüber den Jungen.
Veröffentlicht am 3. Juni 2025 - 06:40 Uhr
Arbeiten über das Alter 65 hinaus: In anderen Ländern ist das längst normal.
Quelle: Getty ImagesWas tun, wenn ein Elefant im Raum steht? Wegschauen und hoffen, dass er von selbst verschwindet? Dass das nicht hilft, sollte der Bundesrat eigentlich wissen. Und trotzdem schliesst er die Augen und wartet ab.
Die Metapher vom Elefanten im Raum steht für ein Thema, das sich fast schon physisch aufdrängt – über das aber niemand reden will. Mit dem Reformprojekt AHV 2030 versucht der Bundesrat, sich noch einmal am Elefanten vorbeizuschlängeln. Also an der Frage, ob es für die Finanzierung der AHV nötig ist, länger zu arbeiten – damit die Jungen finanziell nicht zu sehr belastet werden und der Generationenvertrag nicht überstrapaziert wird.
Die AHV hat ein demografisches Problem. Bei ihrer Einführung 1948 hatte man mit 65 noch rund 13 Jahre Leben vor sich. Jetzt sind es mehr als 21 Jahre, die finanziert werden müssen. Der Bund erwartet, dass die AHV im Jahr 2030 rund 2,5 Milliarden Franken mehr ausgibt, als sie einnimmt. Ohne Gegenmassnahmen steigt diese Summe weiter. Klar, Prognosen könnten sich später als zu pessimistisch erweisen. Ignorieren sollte man sie trotzdem nicht.
Rentenalter 70 in Dänemark
Alle europäischen Länder haben die gleichen Probleme. Etliche haben deshalb das Rentenalter über 65 Jahre hinaus erhöht. Am stärksten Dänemark, wo eine grosse Mehrheit im Parlament gerade beschlossen hat, es schrittweise bis auf 70 anzuheben.
Der Bundesrat hingegen will das Rentenalter nicht antasten, sondern die Einnahmen aus den aktuellen Geldquellen erhöhen. Das sind vor allem Lohnbeiträge, die zur Hälfte von den Angestellten gezahlt werden – je jünger, umso länger. Andere Ideen zur Finanzierung der Renten – wie eine moderate Erbschaftssteuer oder eine Finanztransaktionssteuer – zieht der Bundesrat nicht in Betracht. Auch nicht ein höheres Rentenalter. Das ist den Jungen gegenüber hochgradig unfair.
Der Bundesrat begründet seine Entscheidung mit dem sehr deutlichen Nein zur Initiative der Jungfreisinnigen im letzten Jahr. Diese wollten das Rentenalter auf 66 Jahre und später noch weiter erhöhen. Es war sicher ein Fehler der Initianten, auf das Rentenalter zu fokussieren und nicht auf die individuelle Lebensarbeitszeit. Es ist ein grosser Unterschied, ob man mit 15 beginnt, körperlich zu arbeiten, oder mit 25 einen Bürojob antritt. Warum sollen alle mit 65 in Rente gehen? Bisher wurde das kaum diskutiert.
Die Debatte jetzt beginnen
In den Diskussionen um das Reformprojekt AHV 2030 argumentiert der Bundesrat, dass ein höheres Rentenalter «eine lange Übergangsphase sowie Kompensationsmassnahmen» benötige. Um die Finanzierung bis 2040 zu sichern, brauche es Massnahmen, die schneller wirken. Das stimmt. Aber gerade wegen der langen Vorlaufzeit ist es nötig, die Debatte jetzt zu beginnen: Wie viel bringt das Drehen an der Stellschraube Rentenalter finanziell? Was bedeutet es für den Arbeitsmarkt? Was für den Fachkräftemangel und was für die Zuwanderung?
Bei der Pensionskasse hätte ein höheres Rentenalter für den Einzelnen einen doppelt positiven Effekt.
Oft geht vergessen: Bei der Pensionskasse hätte ein höheres Rentenalter für den Einzelnen einen doppelt positiven Effekt. Wer später in Rente geht, steigert auf der einen Seite das Altersguthaben, weil mehr angespart und verzinst wird. Und auf der anderen Seite verbessert sich der sogenannte Umwandlungssatz, mit dem die Rente berechnet wird – weil man sie weniger lange bezieht. Das heisst, die monatliche Rente ist höher.
Bei Reformen der Altersvorsorge ist ein langer Atem nötig. Deutschland zum Beispiel hat 2007 das Rentenalter 67 beschlossen – mit vielen kleinen Zwischenschritten. Der erste Jahrgang, der regulär so lange arbeitet, geht 2031 in Pension. So haben alle genug Zeit, um sich auf ihr jeweiliges Rentenalter einzustellen.
Bundesrat muss Führungsstärke zeigen
Die Schweiz dagegen begnügt sich damit, den jeweils akuten Finanzbedarf der AHV zu sichern. Die Generation 50 plus ist politisch sehr einflussreich, was es schwierig macht, etwas gegen sie durchzusetzen. Es ist verlockend, die Augen zu verschliessen und zu behaupten, dass jetzt gerade der falsche Moment sei für grundsätzliche Reformen.
Sicher, ein höheres Rentenalter ist unpopulär. Trotzdem muss der Bundesrat Führungsstärke zeigen. Er sollte den Wählerinnen und Wählern bewusst machen, dass ein höheres Rentenalter den Generationenvertrag stärkt. Nur so bewegt sich der Elefant im Raum. Nur so können wir die Zukunft der AHV nachhaltig sichern.
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Bundesrat: Medienmitteilung zur AHV 2030
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Bundesamt für Sozialversicherungen: AHV-Statistik
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Bundesamt für Statistik: Lebenserwartung im Alter von 65 Jahren
7 Kommentare
Der Bundesrat nimmt in diesem Fall nur den Volkswillen wahr. Von der FDP und den Neoliberalen wird aber trotz der Klatsche bei der haushohen Ablehnung der Jung FDP Initiative immer noch gezwängelt,
Wenn man die Lösung mit Rentenaltererhöhung anschaut könnte man denken, dass diese von Kindergärtnern oder Erstklässlern abstammt und nicht von meist gebildeten Hochschulabsolventen.
Derzeit geht es der AHV gut, sie hat 2024 einen Gewinn von 5,6 Milliarden Franken erzielt.
Und nicht Verlust, wie dank falscher Formel vor der letzten AHV Abstimmung prophezeit.
Auch werden immer nur die neuen Rentner hochgerechnet die Austritte wegen Tod oder Ende der Leistungspflicht unterschlägt man einfach.
Die Panikmache dient wohl nur der Stärkung der privaten Vorsorge wo öfters Geld verschwindet. Gemäss der Vimeo Dok "das Protokoll" wo bei der 2. Säule 20 Milliarden spurlos verschwunden sind. Auch mussten Arbeitnehmer bis in die 80 er Jahre hinein bei Stellenwechsel den sogenannten fiktiven "Arbeitgeber Anteil" liegen lassen.
Es braucht schon Reformen aber nicht solch primitive.
Erstens mal statt Rentenalter Beitragsjahre. Wer früh Erwerbstätig wurde muss auch früher hören können. Dann mindest 10 oder mehr Jahre Beiträge vor überhaupt ein Anrecht auf eine Rente entsteht. Gewisse Gruppen haben mit nur 1 Jahr Beitrag Anrecht auf AHV und damit auch EL. Das gibt es wohl in keinem anderen Land.
Dann Beiträge mehr direkt ab Produktpreis statt über den Umweg Löhne, welche Personal intensive Branchen benachteiligt und dagegen Betriebe mit viel Maschinenarbeit oder Arbeit im Ausland bei der Altersvorsorge wenig bis nichts beitragen. In der Zukunft wird eher mehr Arbeit durch Maschinen, Automatisierung, Digitalisierung und wohl auch künstlicher Intelligenz erledigt.
Und wenn man schon Vergleiche mit dem Ausland macht sollte man erstens schon gesamtheitlich betrachten (Arbeitszeit, Ferien, Feiertage) und nicht das extrem heraussuchen.
Und woher nehmen wir die Arbeitsplätze für die ältere Generation? KI wird ohnehin schon viele Stellen ersetzen, sodass sich auch jüngere Arbeitnehmer*innen neu orientieren müssen. Das Pensionsalter raufzusetzen ist auf dem Papier schnell gemacht, aber in der Praxis nicht wirklich für alle umsetzbar.
Rentenalter rauf?
Meine Kolleginnen in der Spitex lassen sich frühpensionieren sobald sie es sich irgendwie leisten können. Sie nehmen riesige Abstriche in kauf. Warum? Kommen Sie mal zur Spitex Stadt Winterthur:Jahresarbeitszeit 42h) im Schichtbetrieb! Das schaffen nicht mal die Jungen. Die bleiben Zuhause mit burnout.
Erst müssen sich Arbeitszeiten und Bedingungen ändern für Ü 50. Oder Anpassungen an Nordische Arbeitsbedingungen. Mags nicht mehr hören von diesen Sesselsitzern!
Die nehmen ja den Lift für 1 Etage. Natürlich sind die Abends noch in Festlaune, auch mit 70.
Jahresarbeitszeit 42h??
Sie meinen wohl Wochenarbeitszeit 42h?
Bei jeder Abstimmung, werde ich klar dagegen sein. Es verlagert nur das Problem von der AHV, in die anderen Kassen. Ausgleichskassen, Sozialkassen usw. Die, die denken, dass man mit 69 noch auf dem Bau, oder sonst einer körperlichen Arbeit nachgehen kann, haben selber noch nie den Schreibtisch verlassen.
Der Mensch besteht nicht nur aus Körper. Auch nicht so körperliche Arbeit kann ganz schön ermüden. Auch die Firmenkultur hat Einfluss. Wenn man in eine Dschungel / Wander Firmenkultur geraten ist bekommt man schneller ein Burn Out oder gar Nervenzusammenbruch vor allem wenn man über 50 ist.