Als Sandra Bühler zu ihrem Auto kommt, erschrickt sie. Am linken Vorderrad des Peugeot 308 ist eine Kralle angebracht, die Kontrollschilder sind abgeschraubt, unter dem Scheibenwischer klemmt ein Zettel. Darauf die Telefonnummer des Wiler Inkassobüros EVO Security Group. 

Sandra Bühler hatte das Auto 2019 für 12'000 Franken gekauft. Dafür nahm sie einen Kredit von 11'000 Franken bei Santander Consumer Finance in Schlieren ZH auf. Seither zahlte sie monatliche Raten von Fr. 340.60 ab. Irgendwann gingen einige Zahlungen vergessen, und Bühler schuldete der Kreditfirma Fr. 4335.22 plus Zinsen. Santander engagierte in der Folge EVO Security.

Bühler kontaktierte sofort das Inkassobüro, das zusätzlich zu den offenen Raten Fr. 1184.70 Umtriebsentschädigung Mahnung Muss ich fürs Inkasso zahlen? verlangte. Wenn sie nicht zahle, werde man den Peugeot abschleppen lassen. Noch während Bühler telefoniert, fährt ein Abschleppwagen vor. Sie kann gerade noch Fahrzeug- und Führerausweis aus dem Handschuhfach retten. In den folgenden Tagen überweist Bühler die offenen Raten. Doch das Inkassobüro droht ihr mit der Verwertung des Autos.

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Ist das legal? 

Eine verbreitete Praxis, sagt der Berner Anwalt David Furger. Doch ist sie legal? Der «Teilzahlungsvertrag», den Bühler beim Kauf unterzeichnete, enthielt einen sogenannten Eigentumsvorbehalt. Danach geht das Auto erst ins Eigentum von Bühler über, wenn der gesamte Betrag abbezahlt ist. Nur: Damit der Vorbehalt gültig ist, muss er im Eigentumsvorbehaltsregister des Betreibungsamts eingetragen sein. Das war in Bühlers Fall nicht passiert.

Im Kleingedruckten stand auch, die Kreditfirma könne das Auto «ohne gerichtlichen Entscheid behändigen», sollte man in Zahlungsverzug geraten.

Strafanzeige eingereicht

Gemäss Zivilgesetzbuch darf man ohne berechtigten Grund niemandem etwas wegnehmen, auch Schuldnern nicht. Ob die unterzeichnete Klausel gilt, ist daher fraglich. «Die eigenmächtige Rücknahme könnte im vorliegenden Fall eine verbotene Umgehung des Gesetzes sein», sagt Anwalt Furger. «Inkassobüros dürfen keinen Hausfriedensbruch begehen, keine Gewalt oder Nötigung anwenden und auch keine privaten Sachen im Auto mitnehmen.»

Ohne Einigung mit der Kreditfirma muss Bühler vor Gericht gehen oder alle gezahlten Raten einklagen – abzüglich eines angemessenen Betrags für die Nutzung des Wagens. Sie hat Strafanzeige gegen das Inkassobüro eingereicht. EVO Security weist sämtliche Vorwürfe zurück. Es gilt die Unschuldsvermutung.

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Quelle: Brightcove

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