Die Vorstellung ist ein Albtraum: Der Pfändungsbeamte steht vor der Tür und will einem das letzte Hemd nehmen. In der Realität geschieht das aber nicht aus heiterem Himmel, sondern hat eine längere Vorgeschichte.

Am Anfang des Übels stehen Schulden und ein Zahlungsbefehl: Man wird betrieben. Zur Pfändung kommt es aber erst, wenn alles Reden und Sichwehren nichts nützt oder man schon gar keine Energie dazu hat. Zuständig ist das Betreibungsamt – es muss sich an einige Regeln halten.

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1. Die schwierige Vorgeschichte

Angenommen, man kann die Steuern nicht fristgerecht zahlen oder kommt mit anderen Rechnungen nicht mehr klar: Dann flattern Mahnungen ins Haus, und es kann sein, dass eines Tages der Pöstler mit einem Zahlungsbefehl vor der Tür steht.

Wenn man nicht weiss, worum es eigentlich geht, oder mit der Forderung nicht einverstanden ist, sollte man innerhalb von zehn Tagen Rechtsvorschlag erheben. Falls tatsächlich eine Rechnung untergegangen ist, kontaktiert man am besten direkt den Gläubiger und bittet um einen Rückzug der Betreibung, sobald man gezahlt hat. Dann ist man den Eintrag im Betreibungsregister wieder los – ebenso entgeht man einer Pfändung.

Wenn man keinen Rechtsvorschlag erhebt oder der Gläubiger ihn vor Gericht erfolgreich aus dem Weg räumt, kann er die Betreibung fortsetzen lassen – und es kommt zur Pfändung.

2. Beim Betreibungsamt antraben

Den Anfang macht die sogenannte Pfändungsankündigung. Das ist nichts anderes als eine Einladung des Betreibungsamts. Man muss beim Amt antraben und alle nötigen Unterlagen wie Bankauszüge und Quittungen mitbringen. Nur selten findet der Pfändungstermin bei der verschuldeten Person zu Hause statt. Am ehesten dann, wenn das Amt vermutet, dass man Bargeld bunkert oder einen Picasso im Keller versteckt.  

Beim Termin müssen Verschuldete die Hosen komplett herunterlassen, was ihre finanzielle Situation betrifft. Sie müssen offenlegen, was sie verdienen, welche Ausgaben sie haben und wie viel Vermögen auf den Konten liegt. Auch wertvolle Gegenstände oder Immobilien muss man angeben. Wer etwa den besagten Picasso im Keller verschweigt, macht sich strafbar.

Achtung: Wenn man den Pfändungstermin ignoriert, schneidet man sich ins eigene Fleisch. Dann darf das Betreibungsamt die Polizei schicken oder berechnet ein zu tiefes Existenzminimum.

3. Das Betreibungsamt rechnet

Aufgrund der Angaben rechnet das Amt das sogenannte betreibungsrechtliche Existenzminimum aus. Das ist der monatliche Betrag, den jemand mindestens zum Leben braucht. Auf dieses Minimum darf das Betreibungsamt nicht zugreifen.

Zuerst beurteilt das Amt, welchen Grundbedarf man hat. Dazu gehören etwa die Kosten für Nahrung, Kleidung, Wäsche und Körperpflege. Es gelten die Pauschalen in den Richtlinien der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz:

  • für eine alleinstehende Person monatlich 1200 Franken,
  • für Ehe- oder Konkubinatspaare 1700 Franken.

Einzelne Kantone haben abweichende Bestimmungen.

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Hinzugerechnet werden die tatsächliche Miete inklusive Nebenkosten, Heizkosten, Krankenkassenprämien, Berufsauslagen, Fahrt zum Arbeitsplatz, Unterhaltsbeiträge, Schulkosten der Kinder und Arztkosten. Steuern werden nicht berücksichtigt.

Dann nimmt das Amt das Einkommen unter die Lupe. Wenn man verheiratet ist, wird auch das Einkommen des Ehepartners angerechnet, da eine gesetzliche Unterstützungspflicht besteht. Eine Pfändung wird jedoch nicht beim Ehepartner durchgeführt, nur weil der andere Schulden hat.

Wenn später etwa die Krankenkassenprämie oder der Mietzins steigen, kann man jederzeit beim Betreibungsamt eine Revision fordern. Einige Kantone bieten dafür Onlineformulare an, es geht aber auch mündlich oder per Post.

4. Man kann sich gegen die Berechnung wehren

Die schriftliche Berechnung des Existenzminimums bekommt man normalerweise als Verfügung, zusammen mit der Pfändungsurkunde. Wenn man nicht einverstanden ist, kann man die Berechnung innerhalb von zehn Tagen anfechten – und zwar kostenlos, mit einer Aufsichtsbeschwerde. Dazu schickt man einen eingeschriebenen Brief an die kantonale Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, die Fehler des Betreibungsamts feststellt und korrigiert.

Anwaltschaftliche Hilfe braucht es dafür nicht. Man muss zusammenfassen, womit man nicht einverstanden ist, und eine Kopie der Verfügung und alle nötigen Belege beilegen.

5. Das wird gepfändet

Zuerst nimmt das Amt diejenigen Dinge, die es am einfachsten zu Geld machen kann. Daraus ergibt sich folgende Reihenfolge:

  1. Einkommen: Dazu gehört in erster Linie der Lohn (siehe «Lohnpfändung»). Und zwar derjenige Teil davon, der das errechnete Existenzminimum übersteigt – die sogenannte pfändbare Quote. Auch IV-Taggelder, IV-Renten aus der zweiten Säule und Pensionskassenrenten sind pfändbar wie Lohn. Es gibt aber auch Einkommen, die das Betreibungsamt grundsätzlich nicht anfassen darf (siehe «Wann Sozialleistungen gepfändet werden können»). Dazu gehören AHV-Renten und IV-Renten aus der ersten Säule. Ebenfalls unpfändbar sind Hilflosenentschädigungen, Sozialhilfeleistungen, Ergänzungsleistungen und Leistungen der Familienausgleichskassen.

    Achtung: Geld aus der Pensionskasse ist normal pfändbar. Wenn man eine Kapitalauszahlung erhalten hat, darf das Amt aber nicht einfach alles aufs Mal pfänden. Es muss eine hypothetische monatliche Rente berechnen und darf nur pfänden, was das Existenzminimum übersteigt. Man lässt das Kapital am besten auf ein separates Konto auszahlen und bestreitet nur den normalen Lebensunterhalt damit. Falls man das Geld mit anderem Vermögen vermischt oder damit auf zu grossem Fuss lebt, kann das Betreibungsamt grosse Beträge auf einmal pfänden.
  2. Wertvolle Gegenstände: Wenn das Einkommen nicht ausreicht, kann das Amt prüfen, ob die verschuldete Person wertvolle Gegenstände besitzt. Einen Fernseher, der sechs Jahre alt ist, wird es aber kaum mitnehmen. Ein dreijähriger Mini Cooper kann aber durchaus unter den Hammer kommen – es sei denn, das Auto ist unverzichtbar, zum Beispiel für den Beruf oder wegen einer körperlichen Behinderung.
  3. Liegenschaften: Erst wenn es sonst nicht genug gibt, versteigert das Amt unbewegliche Sachen wie Liegenschaften.
Rechtsratgeber
Merkblatt «Lohnpfändung»

Beobachter-Abonnentinnen und -Abonnenten erhalten mit dem Merkblatt «Lohnpfändung – Leben mit dem Existenzminimum» weitere Infos zu ihren Rechten und Pflichten sowie eine Zusammenstellung eines Fallbeispiels, das zeigt, wie die pfändbare Quote berechnet wird.

6. Wenn das Betreibungsamt Fehler macht

Wenn das Amt zu viel pfändet, kann man sich mit einer Aufsichtsbeschwerde wehren. Das Amt kann zudem nur das Eigentum der verschuldeten Person pfänden.

Falls es zum Beispiel die Rolex des Mitbewohners für die Pfändung vormerkt, sollte man so schnell wie möglich mitteilen, dass das Schmuckstück jemand anderem gehört. Der Beamte muss das dann auf der Pfändungsurkunde vermerken.

Wenn der Gläubiger meint, die Rolex gehöre dem Schuldner, kann er sich innert zehn Tagen beim Betreibungsamt melden und ein sogenanntes Widerspruchsverfahren einleiten. Dann erhält er die Möglichkeit, eine Klage einzureichen. Wenn niemand bestreitet, dass die Uhr dem Mitbewohner gehört, fällt sie aus der Pfändung.

7. Schulden beglichen oder Verlustschein

Wenn nach dem Pfändungsjahr immer noch Schulden übrig sind, bekommt der Gläubiger einen Pfändungsverlustschein. Damit kann er während 20 Jahren erneut die Betreibung einleiten – zum Beispiel wenn die verschuldete Person durch eine Erbschaft plötzlich zu Vermögen kommt. Oder er kann einfach verlangen, dass der Lohn ein weiteres Jahr gepfändet wird – wenn da nicht schon ein anderer Gläubiger wartet.

Falls man seine Schulden auf anderem Weg loswerden will, kann man mit dem Gläubiger schriftlich eine Abzahlung vereinbaren. Wenn alles beglichen ist, muss der Gläubiger den Verlustschein im Original quittiert beim Betreibungsamt einreichen.

Falls einen der Schuldenberg aber überfordert, sollte man sich an eine kantonale Schuldenberatungsstelle wenden.

Wie funktioniert die Lohnpfändung?

Das Betreibungsamt meldet sich beim Arbeitgeber und weist ihn an, die pfändbare Quote monatlich direkt ans Amt zu überweisen.

Angestellte können zwar beantragen, dass die Chefin nichts von der Pfändung erfährt. Aber mit der sogenannten stillen Pfändung muss der Gläubiger einverstanden sein. Dann muss der Schuldner die Quote selbst jeden Monat beim Betreibungsamt abliefern. Dieses Prozedere dauert maximal ein Jahr.

Wann Sozialleistungen gepfändet werden können

Leserfrage: Ich bekomme eine AHV-Rente und Ergänzungsleistungen. Und ich habe Schulden. Kann mir das Betreibungsamt das Geld wegnehmen?

Nein. Das hält das Gesetz so fest. Die Renten der AHV und anderer Sozialversicherungen, etwa der Ergänzungsleistungen (EL), sind grundsätzlich unpfändbar. Denn: Das Geld ist dazu da, um das Nötigste wie Lebensmittel oder Kleidung zu bezahlen, das Existenzminimum.

Im August 2024 hat das Bundesgericht diesen Grundsatz aber aufgeweicht. Es hat entschieden, dass angesparte Guthaben aus AHV-Renten und Ergänzungsleistungen in gewissen Fällen trotzdem gepfändet werden können. Und zwar dann, wenn das Geld auf dem Konto liegen bleibt, auf das es ursprünglich überwiesen wurde.

Es ging um einen Fall, in dem der Schuldner über Monate Guthaben auf seinem Konto angespart hatte. Es stammte aus AHV- und EL-Renten. Er gab zwar regelmässig Geld aus, hatte aber immer zwischen 14’000 und 18’000 Franken übrig.

Diese Ersparnisse haben Vermögenscharakter, urteilte das Gericht, sie können deshalb vom Betreibungsamt gepfändet werden. Obwohl sie ursprünglich unpfändbare Sozialleistungen sind. Wer spart, riskiert also, das Geld zu verlieren.

(Nicole Müller)

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