Denen helfen, die noch weniger haben: Das war seit Beginn der Corona-Krise Amine Diare Condes Motto. Der 22-Jährige aus Guinea ist seit knapp sieben Jahren in der Schweiz – ohne Papiere. Obwohl er deshalb selbst am Existenzminimum lebte, zog er zu Beginn der Corona-Pandemie das Projekt «Essen für alle» hoch. Mit Hilfe von Hunderten Freiwilligen verteilte er Essen an Menschen «Essen für alle» Wie ein Sans-Papiers in Zürich den Armen hilft , die in der Pandemie alles verloren hatten – Job, Einkommen, Perspektive.

Der Beobachter nominierte Conde vergangenes Jahr für den Prix Courage und erhielt zahlreiche Zuschriften von Lesern, die ihm helfen wollten. Nun hat der junge Guineer die gute Nachricht erhalten: Er darf in der Schweiz bleiben. Seinem Härtefallgesuch wurde stattgegeben, er erhält eine provisorische B-Bewilligung


Beobachter: Herr Conde, wo waren Sie, als die Nachricht erhielten?
Amine Diare Conde: Ich bereitete bei der «Essen für alle»-Aktion die Verteilung für den nächsten Tag vor. Als mein Anwalt anrief, schlug mein Herz schneller. Aber ich hatte eine gute Vorahnung.  


Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie vom positiven Bescheid hörten?
Ich fühlte mich zum ersten Mal seit sieben Jahren frei. Ich darf nun selbst Entscheidungen treffen, arbeiten, einen Handyvertrag machen. Ich bin plötzlich nicht mehr jemand, der jederzeit von der Polizei angehalten und mitgenommen werden kann. Wenn die Polizei mich kontrolliert, kann ich fragen, wieso sie das tut. Ich habe gegen die Behörden gewonnen, die mich ausschaffen wollten. Aber auch die Schweiz hat gewonnen. Ich werde für sie da sein und mich gegen Armut und für Gleichberechtigung einsetzen. 


Wen haben Sie zuerst angerufen?
Meine Gastschwester. Sie weinte, als ich ihr die gute Nachricht mitteile. Sie und ihr Partner haben sich sehr für mich eingesetzt. Wir sind eine Familie.


Haben Sie gefeiert?
Corona erlaubt das nicht. Bei «Essen für alle» hat mein Team in kleinem Rahmen eine Flasche Champagner aufgemacht, auch wenn ich das eigentlich nicht wollte. Seit dem Bescheid habe ich Hunderte von Anrufen und Nachrichten bekommen. Ich kenne sehr viele Leute, bin in zahlreichen Organisationen aktiv. Es freuen sich viele Menschen für mich. 

«Die grosse Solidarität ist etwas, was mir an der Schweiz besonders gefällt.»

Amine Diare Conde

Haben Sie sich bei jemandem in Guinea gemeldet?
Ja, bei meiner Familie, aber erst nach ein paar Tagen. Ich kenne die Schweiz besser als mein Herkunftsland. Hier ist meine Heimat, hier habe ich meine Schweizer Gastfamilie und Freunde. 


Was sind Ihre weiteren Pläne? 
Ich möchte eine Lehre machen, am liebsten als Hochbauzeichner oder Laborant. Ich habe gerade erst meinen Sekundarschulabschluss mit der Note 5,2 gemacht, Mathematik habe ich mit einer 6 abgeschlossen. Und ich möchte arbeiten und Steuern zahlen. Denn es frustriert mich schon lange, dass ich nicht arbeiten durfte. Bereits 2016 wurde mir eine Lehrstelle angeboten, die ich ablehnen musste. Die Schweiz hat viel Geld in mich gesteckt und endlich kann ich etwas zurückgeben. 


Haben Sie bereits eine Lehrstelle in Aussicht?
Ich hatte einige Angebote, aber wegen Corona ist derzeit alles schwieriger. Viele arbeiten im Homeoffice und können mir von dort aus schlecht etwas beibringen. 


Sie sind bereits jetzt politisch aktiv – unter anderem in der Autonomen Schule Zürich. Werden Sie sich weiter engagieren?
Sobald ich kann, möchte ich den Schweizer Pass beantragen und für ein politisches Amt kandidieren. Ich möchte mich für Gleichheit einsetzen und Sans-Papiers aus der Illegalität holen.


Werden Sie weiter bei «Essen für alle» mitmachen? Das Projekt wird mittlerweile vom Sozialwerk Pfarrer Sieber betrieben. 
Ja, die Leute brauchen uns. Obwohl es bitterkalt ist und oft in Strömen regnet, stehen immer noch Hunderte Familien jede Woche für Lebensmittel an. Letzten Samstag kamen 712 Familien. Ich bin sehr dankbar, dass weiterhin so viele Spenden eingehen. Das ist etwas, was mir an der Schweiz besonders gefällt: Die grosse Solidarität.

Kandidat 5: Amine Diare Conde

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Amine Diare Conde ist nominiert für den Prix Courage 2020. Der Sans-Papier bekämpft in der Corona-Krise mit seiner Aktion «Essen für alle» den Hunger in Zürich.
Quelle: Beobachter Bewegtbild
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