Der schweizerischste Ort der Schweiz ist nicht das Bundeshaus oder das Swissminiatur, sondern das Passbüro. Ein Ort, so effizient, so klinisch helvetisch, dass beim Besuch sogar ein Weltenbürger wie ich patriotische Gefühle entwickelt.

Nehmen wir das Stadtzürcher Passbüro als Beispiel. Als ich letztens dort meinen Pass erneuern musste, kam ich aus dem Staunen nicht mehr raus: keine Schlangen, kurze Wartezeiten und Beamt:innen, so freundlich und tiefenentspannt, dass sie so lange Passfotos von mir knipsten, bis ich zufrieden war.

Das ganze Amt ist voll digitalisiert und durchgestylt. Bequeme Sessel und freundliche Wegpfeile am Boden und an den Wänden. Rein und raus in zehn Minuten – so was bietet sonst nur die Langstrasse.

Als schweizerisch-polnischer Doppelbürger weiss ich, dass das nicht selbstverständlich ist. Als Kind habe ich viele Tage auf Ämtern verbracht, in denen der kommunistische Mief noch an der Tapete klebte.

Ein Bild, das sich mir besonders eingebrannt hat: Ich stehe als Achtjähriger im Vorraum eines Amtes in der polnischen Pampa, trage kurze Hosen und halte auf dem Schoss einen gigantischen Schinken – den ich zur Beamtenschmierung mitgebracht habe. So wartete ich einen ganzen Nachmittag lang. Noch heute erinnert mich der Geruch von Schinken an die post-kommunistische Bürokratie.

Der Schweizer Passbeamte wollte keinen Schinken von mir. Nur 145 Franken (inklusive Porto) für einen Pass, der zwei Tage später fixfertig in meinem Briefkasten lag. Er ist wunderschön.

Verziert mit Alpenketten, Edelweiss-Hologrammen und Wasserzeichen, die im UV-Licht zu glühen beginnen. Dutzende Sicherheitsspielereien auf jeder Seite. So viel Dekoration gönnt sich unser Land sonst nie. Aber beim Passbüchlein wird geprotzt.

So angenehm das Passbüro auch ist, so unangenehm sind die Verfahren, wie man überhaupt erst zu einem Pass kommt. Unzählig sind die Fälle von Familien, die abgeschoben werden oder auseinanderbrechen, weil es ihnen an Schweizer Pässen fehlt. Selbst Menschen, die hier geboren sind, erhalten nicht automatisch einen.

Der Schweizer Pass ist mehr als nur ein Panini-Album für Zollstempel. Er ist destillierte Effizienz. Heiratsgrund und Mordmotiv. Wer auf diesem Planeten das Glück hatte, mit einem geboren zu sein, darf das Leben auf einem niedrigeren Schwierigkeitsgrad spielen – und alle paar Jahre in den Genuss eines Passbüros kommen.

Die Schweiz ist vielleicht nicht das Land der Poetinnen und Künstler. Wir sind weder besonders mutig noch lustig. Aber wir haben funktionierende Passbüros. Das ist immerhin etwas.

Meine Bewertung fürs Passbüro: ★★★★☆

Zur Person
Patrick «Karpi» Karpiczenko