Der Bundesrat darf die Gemeinden nicht verpflichten, ihre Bürgerinnen und Bürger darüber zu informieren, wo sich der nächstgelegene Schutzraum befindet. Es fehlt ihm die dafür notwendige Kompetenz. Damit nimmt man in Kauf, dass nicht bereitgestellte Plätze im Ernstfall fehlen.

Das Problem der fehlenden Kompetenz betrifft auch andere Bereiche. Zum Beispiel die Versorgung mit Medikamenten. Anfang 2022 schrieb das Bundesamt für Gesundheit über die Engpässe: Die Lage sei ernst, der Handlungsspielraum des Bundes aber beschränkt. Denn zuständig auf staatlicher Ebene seien primär die Kantone.

Das Debakel beim elektronischen Patientendossier (EPD) hat letztlich dieselbe Ursache. Im August 2021 hatte der Bundesrat das in einem Bericht offen deklariert: «Die föderalistische Struktur des Gesundheitswesens und die verschiedenen involvierten Akteure erschweren die Einführung des EPD. Das Gesetz wurde als Rahmengesetz ausgestaltet und weist dem Bund mangels Bundeskompetenz nur wenige Aufgaben zu.»

Das habe eine zentrale Steuerung erschwert. Der Handlungsspielraum des Bundes sei durch die Verfassung beschränkt. Er habe «nur bedingt Möglichkeiten, die Akteure in die Pflicht zu nehmen».

Auch aus der Covid-Krise kennt man das Problem. Zwei Jahre lang fehlten Informationen über Masken, Beatmungsgeräte, Diagnosen, die Auslastung der Intensivstationen und vieles mehr. Immer wieder hatte man keine Daten zur Verfügung. Oder sie waren nicht einheitlich erfasst, so dass man sie nicht vergleichen konnte. Oder sie wurden gar nicht übermittelt – manchmal auch absichtlich nicht.

Stolperstein war auch hier die Verteilung der Kompetenzen, wie sie die Bundesverfassung vorsieht. Die Kantone entscheiden, ob ein nationales Datenmodell oder ein Schnittstellenkonzept nötig ist. Sie sind nicht einmal verpflichtet, mit dem Bund zusammenzuarbeiten. Bis dann die Krise da ist, Notrecht gilt und der Bund handeln kann.

Leider lassen sich fehlende Informationen aber nicht einfach herbeizaubern – und die Krisenmanager werden auch das nächste Mal im Dunkeln tappen. Der damalige Bundespräsident Guy Parmelin sagte Ende 2021 in einem Interview über die Pandemie: «Der Föderalismus ist eine der vielen Stärken in unserem Land. Natürlich ist er manchmal schwerfällig und kompliziert. Gerade in einer Krise.»

Föderalismus zeichnet die Schweiz aus. Er muss aber aktiv gepflegt und bei Bedarf angepasst werden. Im Wahljahr 2023 wird es der Politik leichtfallen, wortreich den 175. Geburtstag des Bundesstaates zu feiern. Wirksamer als die Lobesreden wäre eine konsequente Arbeit an den Ursachen der Probleme.

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Michel Huissoud