«Blatten wird bis 2030 wieder aufgebaut!»: Über diesen Satz des Gemeindepräsidenten Matthias Bellwald würde ich mich gern gemeinsam mit den Einwohnern freuen. Genauso wie ich gern an die Roadmap glauben würde, wie sie am 3. September vorgestellt worden ist. Sie sieht vor, die Gefahrenkarte des Bergsturzgebiets bis zum 31. März 2026 anzupassen.

Diese Gefahrenkarte entscheidet über die künftige Bauzone. Seltsam nur: Sie soll Ende März vorliegen – noch bevor die Machbarkeitsstudie zur Absenkung des aufgestauten Sees fertig ist. Auch die Grundlagen zu den Naturgefahren fehlen dann: mögliche Hochwasser, weitere Lawinen am Kleinen Nesthorn, am Breitlauihorn oder am Schafbärg. Oder auch die Verflüssigung von neun Millionen Kubikmetern vereistem Geröll.

Partnerinhalte
 
 
 
 

Dringende Schutzmassnahmen nicht umgesetzt

Was soll man davon halten? Nun, die Geschichte des Wallis zeigt uns leider, dass Optimismus bei der Risikoanalyse kein guter Ratgeber ist. Und die Politik auch nicht.

Zur Person
Michel Huissoud

Die 2016 begonnene dritte Rhonekorrektion wurde 2021 ausgesetzt und im Mai 2024 offiziell gestoppt. Der Regierungsrat hielt dieses Jahrhundertprojekt, das die Steuerzahlenden mehr als drei Milliarden Franken gekostet hätte, für unverhältnismässig. Zwei Monate nach dem Stopp trat die Rhone in Siders über die Ufer, überschwemmte das Viertel Sous-Géronde und verwüstete die Aluminiumproduktionsstätte.

Zu diesem Zeitpunkt hätten längst dringende Schutzmassnahmen umgesetzt sein müssen, doch die Arbeiten hatten nicht einmal begonnen. Eine parlamentarische Untersuchungskommission befasst sich seit Monaten mit dem, was das Westschweizer Fernsehen als «politisch-administrativen Schiffbruch» bezeichnet hat. 

14 Jahre später kommt aus: Es gibt keine Planung

Während man im Wallis auf den entsprechenden Untersuchungsbericht wartet, spült es weitere alte Leichen an die Oberfläche. Etwa die ehemalige Deponie Gamsenried: Das Unternehmen Lonza lagerte dort jahrzehntelang Chemieabfälle. Der Standort zwischen Visp und Brig ist die grösste und komplexeste Altlast der Schweiz. Schon 2011 forderte der Kanton von Lonza eine dringende Sanierung. 14 Jahre später stellt die Eidgenössische Finanzkontrolle fest: 

Es gibt weder eine Planung noch eine Kostenschätzung, geschweige denn einen Verteilschlüssel für die vielen Beteiligten.

In der Zwischenzeit birgt jedes Hochwasser der Rhone das Risiko einer erneuten Überschwemmung. Im Januar 2025 beschloss man in einer Dringlichkeitssitzung, auf einem Kilometer Länge eine 32 Meter tiefe unterirdische Mauer zu bauen. Sie soll die alte Deponie besser schützen und verhindern, dass sich die Verschmutzung im Katastrophenfall weiter ausbreitet.

Das ist vielleicht die einzige gute Nachricht für die Verantwortlichen, die die Gefahrenkarte von Blatten aktualisieren müssen: Die Leute unten im Rhonetal treffen auf Risiken, die sie oben nicht haben. Der Berg, der das Dorf verschüttet hat, war immerhin nicht vergiftet.