Beobachter: Patti Basler und Philippe Kuhn, auf einer Skala von eins bis zehn, wie irr …
Patti Basler: Zwölf.


… wie irr war das Jahr 2020?
Philippe Kuhn:
Zwölf ist eine schöne Zahl, es gibt das Dutzend, die zwölf Apostel. In der Mathematik ist das anders, da haben wir das Zehnersystem.
Basler: Er ist so ein Mathematik-Nerd, er zählt auch immer die Tasten auf seinem E-Piano. Du bist ein verkappter Mathematiker, aber du bist für beides nicht gut genug, für Musik auch nicht.
Kuhn: Genau, dann wird man Kabarettist. Oder Epidemiologe.
Basler: Du gleichst ja auch ein bisschen dem Marcel Salathé. Oder dem kürzlich verstorbenen Sean Connery. Mach doch mal die Augenbraue!
Kuhn: (nimmt ein kleines Mikrofon, hält es wie eine Pistole, hebt die linke Augenbraue) Ist ja auch lustig, der James Bond. Der Macho vom Dienst hat die kleinste Knarre.
Basler: Der musste eben nichts kompensieren.


Entschuldigung, wenn ich hier mal ordnend einzugreifen versuche. Zurück zum irren Jahr 2020. Die Trump-Epidemie haben wir glücklich hinter uns, Corona noch nicht. Wobei: Sie beide haben es ja überstanden.
Basler:
Wir hatten beide Covid. Zuerst dachte ich, ich hätte einfach einen Kater. «Aber wovon denn?», habe ich mich gefragt. Früher, da hatte man noch Kater, das ist ja das Prinzip, dass man sich jemanden schöntrinkt, quasi mit einem Tiger ins Bett geht und dann mit einem Kater aufwacht. Aber das war vor der Pandemie. Ich habe mich also gefragt: «Woher kommen denn jetzt die Kopfschmerzen und die Müdigkeit?» Die zweite Eskalationsstufe war ein Muskelkater. Ich habe wirklich gedacht, es reisst mir jemand das Fleisch von den Knochen. Dann habe ich versucht, ein bisschen Sport zu machen, mit dem Gegenbier versucht man schliesslich den Kater zu ersäufen, mit Gegensport macht man den Muskelkater kaputt. Aber der Gegensport hat dann mich kaputtgemacht, ich konnte mich fast nicht mehr bewegen.
Kuhn: Ich habe dann gesagt: «Ich habe auch so Muskelkater, ich bin auch so müde.»
Basler: Und ich war so kaputt und faul, und darum habe ich …
Kuhn: Du hast zu mir gesagt: «Könntest du nicht einen Test machen gehen?» Und ich ging dann in dieses Testcenter und sagte: «Ich bin schlapp und die Beine tun mir weh.» Und die haben gesagt: «Ja, also dafür können wir Sie nicht testen, da sind uns unsere Tests zu schade.» Da hab ich ganz schnell so einen Husten hingehüstelt, und sie fragten, ob ich das öfter habe, und ich: «Ja, ganz stark.» Und so konnte ich dann einen Schnelltest machen. Ich war positiv und habe dann Patti angerufen, sie ging auch testen und war auch positiv.
Basler: Wir sind schliesslich eine eingetragene Bühnenpartnerschaft, ein Haushalt, quasi. Aber es war ein leichter bis mittelschwerer Verlauf, also schon etwas (singt) «Atemlos durch die Nacht» … Ich hatte kein Fieber, aber so 16 Stunden Schlafen pro Tag, total kaputt.


Sie beide sind jetzt wenigstens für eine Weile immun.
Kuhn:
Vielleicht. Es braucht nur einen einzigen Fall, wo das nicht stimmt, und dann ist das wissenschaftlich schon wieder widerlegt.
Basler: Das ist ja der Unterschied zu Verschwörungstheorien – die müssen nur einen einzigen Beweis für etwas haben. Und die Wissenschaft braucht bloss einen einzigen Beweis gegen etwas, damit es widerlegt ist.


Werden Sie sich impfen lassen?
Basler: Ich hoffe natürlich, dass Viola Amherd die neuen Kampfflugzeuge einsetzt, um den Leuten die Impfung in den Hintern zu schiessen.
Kuhn: Da kann man diese Kontrollchips gleich mitschiessen. Oder man macht es mit Chemtrails.


Wer soll denn zuerst geimpft werden?
Kuhn:
Ich würde die Impfung versteigern, an den Meistbietenden. Eigentlich läuft es ja jetzt schon so: Die Länder, die am meisten zahlen können, haben die Impfung.
Basler: Die 300 Reichsten sind während der Pandemie noch etwas reicher geworden, die Ärmsten haben sich umgebracht, die Alten sterben weg. Es ist ja schon alles ein bisschen durchdacht, die AHV wird saniert. 2021 wird es in der Zeitung statt des Bunds «Kultur» einfach den Bund «Todesanzeigen» geben. – Nein, sinnvoll wäre natürlich, wenn zuerst die Risikogruppen und das Pflegepersonal geimpft würden.
Kuhn: Aber das machen sie ja meistens nicht in der Schweiz, das, was Sinn ergibt.
Basler: Und als Nächstes müssten die Jungen die Impfung bekommen, sie sind die Superspreader, die ihre Körperflüssigkeiten und Zungen einander in den Rachen stecken.

«Ich hoffe, dass man die neuen Kampfflugzeuge einsetzt, um den Leuten die Impfung in den Hintern zu schiessen.»

Patti Basler, Kabarettistin und Autorin

Es gibt eine relativ neue Vermutung, wissenschaftlich noch nicht widerlegt, dass Covid-19 eine erektile Dysfunktion auslösen kann …
Basler:
Das wäre so ein Segen.


… wird das den Kampf gegen das Virus beschleunigen?
Basler:
Pfizer ist an der Impfung dran, und die haben auch Viagra. Das könnte man direkt dem Impfstoff beifügen. Das ist ein gutes Geschäftsmodell. Die Leute sollen durchseucht werden, und dann kann man mehr Viagra verkaufen.
Kuhn: Ich weiss nicht, ob dieses Geschäftsmodell wirklich funktioniert. Die Leute mit der häufigen Blutgruppe 0 sollen ja weniger Corona bekommen.
Basler: Die Blutgruppe ist, glaube ich, die einzige Gruppe, aus der ich nicht ausgeschlossen werde.


Apropos ausgeschlossen: Das WEF werden wir 2021 nicht bekommen.
Basler: Aber wir Schweizer sind dann im Mai so gut durchseucht, dass wir nach Singapur eingeladen werden, und zwar als Luftfilter. Als Randfiguren, wir dürfen am Rand des Saals hyperventilieren.


Noch etwas werden wir vermissen im Jahr 2021: Der Ikea-Katalog wird nicht mehr gedruckt.
Basler:
Ja, dann kann man das Himmler-Bett nicht mehr angucken, das, wo alle Schrauben nur rechts drehen.

«Das tun sie meist nicht in der Schweiz, das, was Sinn ergibt.»

Philippe Kuhn, Musiker und Kabarettist

Es ist ja nicht leicht, Satire zu machen in einer Zeit, in der so viele Menschen sterben. Über Ikea und Todesanzeigen und dass jetzt die AHV saniert wird.
Basler:
Ja, manchmal sind wir schon etwas zynisch … Aber ich glaube, wenn du als Satirikerin transparent machst, dass du eigentlich – gegen jede Vernunft – die Menschen gernhast, dann wird das eher akzeptiert.
Kuhn: Das mit dem Sarkasmus und Zynismus ist ein Problem, wenn die Leute, die das praktizieren, einfach keine Profis sind. Zum Beispiel Lehrpersonen oder Polizistinnen oder Busfahrer. Sarkasmus und Zynismus sollte man den Profis überlassen, dann ist das völlig in Ordnung.
Basler: Ausser wenn es nur aus Bitterkeit kommt, dann tut es eigentlich dem Publikum mehr weh, aus Mitleid, als dass ihm der Spiegel vorgehalten wird. Das sieht man im Moment bei vielen Kulturschaffenden Corona-Krise trifft Freischaffende hart Für Musikerinnen und Musiker wird es düster , gerade Comedians, die eigentlich sonst auf der Bühne lustig sind, aber zurzeit gibt es einfach nicht wahnsinnig viel zu lachen. Dass sie in Zynismus abdriften aus einer persönlichen, privaten Bitterkeit, das ist nicht lustig fürs Umfeld.
Kuhn: Ich finde halt, man muss eine Balance finden zwischen Sarkasmus und Zynismus.
Basler: Das hast du schön gesagt, das sagt Simonetta Sommaruga auch.


Macht Corona auch die Kultur kaputt?
Kuhn:
Ich glaube schon, dass es im Kultursektor nicht mehr so sein wird wie vorher. Wer sich sagt: «Ich bin jetzt im Corona-Winterschlaf, und nachher werde ich wieder der grosse Star sein» – das werden die grossen Verlierer sein.
Basler: Wahrscheinlich wird es für die grossen Stars weniger ein Problem werden. Aber für die Kleinkunst – das sind die Leute, die im Schnitt 30 bis 50 Zuschauer haben pro Abend, mit dem kann man einigermassen überleben –, für die wirds schwierig. Es lüpft wegen Corona Kulturinstitutionen, es lüpft Kleintheater, es lüpft Kulturkommissionen in den Dörfern, die vielleicht in der Mehrzweckhalle immer mal etwas veranstaltet haben. Da wird vieles nachhaltig kaputt sein.
Kuhn: Plus die ganzen Leute von der Technik, die absolut davon abhängig sind, dass auf der Bühne etwas geliefert werden kann.
Basler: Aber du als ehemaliger Jazzmusiker bist es eh nicht gewohnt, Publikum zu haben.
Kuhn: Ja, vor kurzem hatten wir nur fünf Leute bei einem Auftritt, wegen Corona, da habe ich instinktiv begonnen, Jazz zu spielen.
Basler: Und wenn dann der Corona-Winterschlaf vorbei ist, drängen die ganzen Kulturschaffenden sofort auf die Bühne – und es hat nicht Platz für alle, es gibt nicht mehr gleich viele Bühnen. Da wird es eine knallharte Selektion geben. Und das ist unglaublich traurig, denn viel von der Kultur, die wichtig ist, aber vielleicht nicht kommerziell erfolgreich oder gesponsert und subventioniert, wird untergehen. Ich hoffe natürlich, dass es Geldgeber geben wird. Und dass man bei Abstimmungen und via Verteilung der Steuern diese Kultur nicht vergisst. Das Gleiche gilt fürs Gesundheitswesen und für andere systemrelevante Berufe. Hoffentlich findet da ein Umdenken statt. Aber ich glaube natürlich nicht daran.


Sind Sie denn systemrelevant?
Beide zugleich
: Natürlich.
Basler: Also für mein System sind wir wahnsinnig relevant.


Was gibt Ihnen Hoffnung?
Kuhn:
Ich bin einfach zuversichtlich. Ich habe das Gefühl, dass wir uns mit all den absurden Dingen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen – Klimawandel, wahnsinnige Ungerechtigkeiten überall, Krieg –, dass wir sehr routiniert sind darin, uns selber zu belügen, dass es dann irgendwie besser komme. Ich kann das recht gut. Man nennt das auch manchmal Resilienz , aber eigentlich ist es auch ein Sich-vor-der-Wahrheit-Verkriechen. Ich habe das Gefühl, dass wir das schaffen.
Basler: Der Humor macht sicher alles einfacher. Wenn man ihn nicht verliert, verliert man auch irgendwo die Hoffnung nicht. Ich persönlich hoffe, dass wir auch mit dem letzten Corona-Schleim, den wir aushusten auf der Totenbahre, noch eine Pointe hintenherschicken. Kunst heisst eigentlich immer, den Tod zu verspotten. Denn sie ist im besten Fall etwas, was bleibt, über den eigenen Tod hinaus. Und dass man überhaupt Kunst oder Kultur macht – das dient ja nicht direkt dem Überleben – ist ein Verspotten der Vergänglichkeit. Wir lachen über den Tod und sagen: «Du kommst halt, aber du musst nicht das Gefühl haben, wir hätten die ganze Zeit nur Angst vor dir und du seist unser einziges Thema.» Sondern wir geniessen das Leben trotzdem. Wir können trotzdem lachen.

Über Patti Basler und Philippe Kuhn
  • Patti Basler ist Kabarettistin und Autorin. 2019 wurde sie mit dem bedeutenden Kleinkunstpreis Salzburger Stier ausgezeichnet.
  • Philippe Kuhn ist Musiker und Kabarettist. Er und Patti Basler arbeiten seit 2014 zusammen. Beide wohnen in der Region Baden AG.
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Birthe Homann, Redaktorin
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