Ich gehöre tatsächlich zu den Menschen, die es immer wieder versuchen: Ich – Asche auf mein Haupt – fasse Vorsätze. So geschehen auch Ende 2019. Fest hatte ich mir vorgenommen, im neuen Jahr die langersehnte Weltreise zu machen. Visionen wollen realisiert werden: Ich wollte die Küste Südafrikas sehen, den südamerikanischen Urwald und die Tempel Japans.

Damit mein Vorsatz den nötigen «Selbstverwirklichungstouch» bekam, kündigte ich im Januar meinen Job, erzählte der ganzen Welt von meinem Abenteuer und zeichnete ein wunderbares Vision-Board. Nichts konnte mich mehr aufhalten.

Das Schicksal – Kismeti, wie wir im Kosovo so gern sagen – hatte jedoch andere Pläne: Corona. Es folgten Lockdown, Ungewissheit und Ängste. Weltreise? Verschoben.

Erinnern Sie sich noch an all die Dinge, die Sie in dieser Zeit vermisst haben? Musik, die nachts aus den Clubs dröhnt, Geburtstage feiern und Kaffeepausen mit Arbeitskollegen. Oder die schlichte und doch so wertvolle Freiheit, raus in die Welt zu ziehen. Alles fehlte mir.

Meine Verwandten im Kosovo, die Kriege und Armut überstanden hatten, schienen die Weltkrise gelassener zu sehen: «Shnosh», meinten sie. Was so viel bedeutete wie: Solange wir gesund sind, kommt alles gut.

In der monatelangen Isolation, sagte ich mir, würden wir zumindest den Wert von vielem wieder schätzen lernen. Und malte mir aus, wie das Leben nach der Pandemie aussehen würde. Dass wir mehr Verständnis füreinander haben. Lernen, sorgsamer mit Natur und Welt umzugehen. Den Wert von Freiheit, Familie, Freunden und natürlich Gesundheit erkennen. Selbst die Vorsätze am nächsten Silvester widmete ich dem neu gewonnenen Bewusstsein: mehr Projekte zur Klimaunterstützung fördern und endlich auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen!

Ich machte sogar einen Deal mit Gott: Sollten wir all dies überstehen, würde ich die kleinen Dinge mehr schätzen, mich weniger von der Turbulenz unserer Zeit einengen lassen und statt des Benz von nun an den Bus nehmen. Ich nahm mir fest vor: Ich würde ein besserer Mensch werden.

Fast drei Jahre ist der erste Lockdown jetzt her. Es dauerte nicht lange, bis sich die Aufregung über die Party wieder legte, man wieder Lesungen und Events besuchen konnte, das Homeoffice runtergeschraubt wurde und ich eine neue Berufung fand. Natürlich wieder eine, mit der ich mit voller Kraft meine emanzipierte Karriere vorantreiben konnte.

Die Corona-Vorsätze gingen vergessen – bis mich vor einigen Tagen eine Agentin an das Ablaufdatum meiner Reisegutscheine und an meine damaligen Pläne erinnerte. Falls Sie jetzt denken, ich hätte aus meinen Fehlern gelernt, sollten Sie lieber nicht mein diesjähriges Vision-Board anschauen.

Zur Person
Shqipe Sylejmani