Kann etwas als echtes Verbrechen geahndet werden – auch wenn das, was strafrechtlich verhandelt wird, in echt gar nicht passiert ist? Eine volljährige Frau hat sich mithilfe eines Gesichtsfilters zum Kind verjüngt und für die Videoplattform Onlyfans beim Sex gefilmt. Ein Mann, der das Video betrachtete und weiterverbreitete, landete wegen Kinderpornografie vor Gericht. 

Das Bezirksgericht Zürich befand, beim Videomaterial handle es sich um verbotene Pornografie – ungeachtet des tatsächlichen Alters der Darstellerin.

Sex und Gewalt – Handyspeicher belastet Beschuldigten 

Der 36-jährige Angeklagte trat 2022 mehreren russischen Telegram-Gruppen bei. Er sagte, er habe sich über den Kriegsverlauf in der Ukraine informieren wollen. 

Aus diesen Telegram-Chats landeten mehrere Videos auf dem Handy des Mannes. Eines zeigt, wie eine vermeintlich Minderjährige an einem Mann Oralverkehr vollzieht. Weitere Videos zeigen Szenen von exzessiver Gewalt an Menschen. 

Die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat klagte den Mann an wegen Erstellung von verbotener Pornografie und mehrfacher Gewaltdarstellung. Ausserdem auch wegen Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes, bei der Hausdurchsuchung waren mehrere Hanfpflanzen gefunden worden. 

Zynische Rechtfertigungsversuche des Angeklagten

Der Fall ist pikant. Denn die mutmassliche Minderjährige aus dem Video ist, so steht es in der Anklageschrift, «tatsächlich volljährig». Sie bietet sexuelle Dienstleistungen an und verbreitet diese über die legale Bezahlplattform Onlyfans. Allerdings nutzt die Frau einen Filtereffekt, der sie jünger wirken lässt. So jung, dass «die Darstellerin wie ein vor oder Anfang der Pubertät befindliches Mädchen wirkt», schreibt das Gericht. 

In der polizeilichen Einvernahme versuchte der Beschuldigte, den Konsum des Videomaterials zu rechtfertigen. Er habe trotz des Verjüngungsfilters gewusst, dass die Darstellerin über 18 Jahre alt sei, da ihre Brüste bereits hängen würden und die Darstellung des Oralverkehrs «professionell» wirke. Das Gericht schlug diese Erklärung als «geradezu zynisch» in den Wind. Vor allem der Kommentar zur Oralsextechnik kam angesichts tatsächlich existierender Kinderpornografie und Kindesmissbrauchs gar nicht gut an.

Das Bezirksgericht hatte die Frage zu klären, ob es sich hier um den Konsum und die Weiterverbreitung von Kinderpornografie handelte, weil der Beschuldigte das Video über Instagram an einen weiteren Nutzer weitergeleitet hatte. Oder ob es sich im Sinne der Verteidigung um sogenannte Scheinkinderpornografie handelte. Das heisst, dass die Darstellenden nur so tun, als seien sie Kinder. Im Zweifel gelte dafür die Straffreiheit, so die Verteidigung.

In seinem Urteil kommt das Gericht zum Schluss, dass das Video zwar tatsächlich nicht sexuelle Handlungen mit Minderjährigen zeige. Dass es sich jedoch um virtuellen Kindesmissbrauch handle. Unter diesen Straftatbestand fallen auch Darstellungen, die sexuelle Handlungen mit Kindern mit gestalterischen oder elektronischen Mitteln zeigen. Also etwa Comics oder Videospiele – oder eben mit einem Gesichtsfilter inszenierte Kindlichkeit.

Vervielfältigen gilt als Herstellen

Der Beschuldigte wird unter anderem der Pornografie schuldig gesprochen und zu einer bedingten Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 30 Franken verurteilt. Dass er nicht vorbestraft war und sich kooperativ zeigte, wirkte sich strafmildernd aus. Dazu kam eine Busse von 200 Franken für die Hanfpflanzen. Die Probezeit wurde auf drei Jahre festgesetzt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, es wurde Berufung dagegen erhoben.

Alle wissen: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Was gilt, wenn im Internet pornografische Inhalte konsumiert werden? Der Beobachter hat eine Übersicht über die rechtlichen Grundlagen verfasst: «Wann wird der Konsum von Sex im Internet zur Straftat?»