Der Aargauer SVP-Nationalrat Andreas Glarner dürfe als «Gaga-Rechtsextremist» bezeichnet werden. Das hat das Bezirksgericht Bremgarten entschieden und den Journalisten Hansi Voigt freigesprochen.

Im politischen Diskurs seien Übertreibungen und scharfe Formulierungen gesellschaftlich akzeptiert und würden in ihrer allfälligen Theatralik auch nicht für voll genommen. Der strafrechtliche Schutz greife im politischen Diskurs erst, wenn jemand nicht nur als Politiker, sondern in seiner Ehre als Mensch herabgesetzt werde, begründete Gerichtspräsident Lukas Trost gemäss mehreren Medien sein Urteil und verwies auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, Glarner will es ans Aargauer Obergericht weiterziehen. 

Das Bundesgericht musste sich in der Vergangenheit immer wieder mit Ehrverletzungsklagen von Politikerinnen und Politikern befassen. Die Beschimpfung als «Dreckslügner» wurde als nicht ehrverletzend erachtet, die Behauptung einer geistigen Nähe zu Nazis dagegen schon. 

Geht: «Dreckslügner», «Dummkopf», «Krimineller»

Ein 61-jähriger IV-Rentner hatte den ehemaligen Thurgauer SVP-Nationalrat Hermann Lei im Zuge der Hildebrand-Affäre als «Dreckslügner», «Dummkopf» und «Kriminellen» bezeichnet. Gegen diese Beschimpfungen wehrte sich Lei bis vor Bundesgericht und unterlag.

Damit wurde das Urteil des Zürcher Obergerichts als Vorinstanz rechtskräftig. Es hatte «Dreckslügner» als «hart an der Grenze» taxiert. «Dummkopf» sei zwar ein Schimpfwort, ob es aber die Ehre verletze, sei fraglich. «Krimineller» wertete das Obergericht im Rahmen einer politischen Auseinandersetzung als zulässig, weil da «mit harten Bandagen gekämpft» und «pointierte Meinungen» hinzunehmen seien. Die Richter berücksichtigten dabei auch, dass Lei tatsächlich wegen Verletzung des Bankgeheimnisses verurteilt worden war. 

Geht nicht: «Gehört in eine Klinik»

Ein Mann postete unter dem Facebook-Eintrag einer Politikerin: «Vielleicht sollte man sie in eine Klinik stecken. Die ist ernsthaft krank.» Später legte er nach, die Politikerin gehöre «administrativ in eine Klinik gesperrt» und solle nicht mehr rausgelassen werden. Er wurde deswegen vom Luzerner Kantonsgericht wegen Beschimpfung verurteilt, wehrte sich vor Bundesgericht und blitzte ab.

Die Aussage stütze sich nicht auf eine medizinische Tatsache, sondern sei «aus der Sicht eines unbefangenen Dritten ausschliesslich abwertend und abschätzig zu verstehen», sagte das Bundesgericht. Auch der Hinweis des Mannes auf das Urteil gegen Hermann Lei (siehe oben) nützte ihm nichts. Diese Beschimpfungen seien «in einer politischen Auseinandersetzung» erfolgt. In seinem Fall gehe es aber um eine «Wertung der Person im menschlich-sittlichen Bereich». 

Geht: Doppelmoral

Im September 2015 platzierte Reto Müller, Präsident der Interessengemeinschaft Arbeitsplätze im Berggebiet, auf den Titelseiten von vier Berner Zeitungen ein Inserat, dessen Gestaltung an das Design der SP erinnerte. Der Text lautete: «Für wenige statt für alle; wählt Kiener Nellen, steuerbares Vermögen CHF 12,3 Millionen; steuerbares Einkommen CHF 0.–.» Es war eine Umkehrung des SP-Wahlslogans «Für alle statt für wenige».

Die damals um ihre Wiederwahl kämpfende Berner SP-Nationalrätin Margret Kiener Nellen zeigte Müller wegen übler Nachrede an, ging bis vor Bundesgericht und unterlag. Im Rahmen eines Wahlkampfs müsse es möglich sein, gegen eine politisch tätige Person den Vorwurf der Doppelmoral zu erheben. Der Vorwurf habe Kiener Nellen «als Mensch nicht geradezu verächtlich erscheinen lassen», urteilten die Lausanner Richter. 

Geht nicht: Vorwurf von Sympathien für Nazis

Der ehemalige Chefredaktor der Wochenzeitung «Confédéré», Adolphe Ribordy, publizierte im Jahr 2007 einen Artikel mit dem Titel «Wie ein Parfüm der 1930er-Jahre» zusammen mit einer Fotomontage, die den damaligen Walliser SVP-Nationalrat Oskar Freysinger neben einer Fotografie von Adolf Hitler zeigte.

Ribordy wurde dafür vom Bundesgericht wegen Ehrverletzung verurteilt. Das Nebeneinanderstellen der beiden Personen enthalte den Vorwurf, Freysinger sympathisiere mit dem Nationalsozialismus. Im Artikel würden die Methoden der SVP mit den Methoden der Nazis verglichen. Ein solcher Verdacht, selbst wenn er mitten im Wahlkampf geäussert werde, überschreite eindeutig die doch recht breiten Grenzen, die der Meinungsfreiheit gesetzt seien, und verletze die Ehre Freysingers nicht nur als Politiker, sondern auch als Mensch, so das Bundesgericht. 

Ehrverletzung – was heisst das?

Das Strafgesetzbuch schützt den Ruf und das Gefühl Betroffener, ein ehrbarer Mensch zu sein. Die berufliche Ehre schützt es nicht.

Es gibt drei Tatbestände. Alle drei werden nur untersucht, wenn die betroffene Person einen Strafantrag stellt.

Üble Nachrede: Ehrverletzende Dinge über jemanden herumerzählen. Wer beweisen kann, dass die Behauptung wahr ist oder er sie für wahr halten durfte,  wird nicht bestraft. In Frage kommen Aussagen über Tatsachen («Dieser Mann ist ein Betrüger») oder gemischte Werturteile («Dieser Mann ist ein Betrüger, dieses Arschloch») – also Aussagen über Tatsachen, verbunden mit einem Werturteil. 
Strafe: Geldstrafe (mindestens drei und höchstens 180 Tagessätze; ein Tagessatz beträgt mindestens 30 und höchstens 3000 Franken – je nach finanziellen Mitteln)


Verleumdung: Ehrverletzende Dinge über jemanden herumerzählen, obwohl man genau weiss, dass sie falsch sind. Es ist egal, ob die Zuhörerin glaubt, was man ihr erzählt. Auch hier kommen nur Tatsachen oder gemischte Werturteile in Frage. 
Strafe: Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe


Beschimpfung: Alle Angriffe auf die Ehre, die keine üble Nachrede oder Verleumdung darstellen. Also etwa ein reines Werturteil («Arschloch») oder wenn man die Dinge nur gegenüber dem Opfer äussert.  
Strafe: Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen

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