Ein Paar aus dem Aargau wünscht sich sehnlichst ein Kind. Doch auf natürlichem Weg will es einfach nicht klappen. So entschliessen sich die beiden für eine Leihmutterschaft. Sie finden über ein Reproduktionszentrum in Georgien eine Frau, die bereit ist, ihr Kind auszutragen.

Aus medizinischer Sicht läuft alles problemlos. Im Jahr 2019 bringt die Leihmutter ein gesundes Kind zur Welt. Die Samenspende kam vom Schweizer Vater, die Eizelle von einer dritten Frau in Georgien. Die georgischen Behörden stellen eine Geburtsurkunde aus, in der das Ehepaar aus der Schweiz als Mutter und Vater eingetragen ist. Nach dortigem Recht gelten sie automatisch als Eltern.

Leihmutter wird rechtlich als Mutter angesehen 

Ende gut, alles gut? Aus juristischer Sicht nicht. Die frisch gebackenen Eltern können zwar mit dem Baby in die Schweiz einreisen, doch die kantonale Behörde anerkennt die georgische Geburtsurkunde nicht.

Das Paar prozessiert bis vor Bundesgericht – und verliert im Februar 2022. Die georgische Leihmutter wird als Mutter im Personenstandsregister eingetragen und erhält das alleinige Sorgerecht. Das Kind muss zudem den Namen der Leihmutter tragen. Der Ehemann kann das Kind als leiblicher Vater relativ einfach formell anerkennen. Die Wunschmutter aber muss das Kind adoptieren Adoption Wie ein Kind aus dem Ausland adoptieren?  – das kann Jahre dauern.

Warum hat das Gericht so entschieden? Weil in der Schweiz der Grundsatz gilt, dass die gebärende Frau zwingend die leibliche Mutter ist. Auch wenn die Leihmutter genetisch nicht verwandt ist mit dem Kind.

Hierzulande ist es verboten, sein Wunschkind von einer anderen Frau austragen zu lassen. In den USA, in Georgien, Indien oder der Ukraine ist es aber erlaubt. Damit Paare wissen, worauf sie achten müssen, hier die wichtigsten Fakten zur Leihmutterschaft.

Warum ist Leihmutterschaft in der Schweiz verboten?

Weil sie viele rechtliche und ethische Fragen aufwirft, die das Wohl des Kindes und die Würde der Frau betreffen. Die Schweizer Gesetzgebung argumentiert, bei einer Leihmutterschaft werde das Kind zur Ware Samenspende Einmal Einstein, bitte schön? , die man bei jemandem bestellen könne. Es drohe die Gefahr, dass es später deswegen eine Identitätskrise entwickeln könnte. Oder dass Wunscheltern und die Leihmutter seinetwegen in Streit gerieten. Ein weiteres Argument betrifft die Leihmütter. Sie würden instrumentalisiert und potenziell ausgenutzt. Ihre rechtliche und soziale Absicherung sei schwierig zu bewerkstelligen. Zudem könne es sein, dass die Leihmutter hin und her gerissen sei zwischen ihren Gefühlen für das ausgetragene Kind und der Verpflichtung gegenüber den späteren Eltern.

Machen sich Paare strafbar, die eine Leihmutter engagieren?

Nein. Paare dürfen im Ausland eine Leihmutter beauftragen, ihr Kind auszutragen. Strafbar machen sich aber etwa Ärztinnen und Ärzte, die in der Schweiz zu einer Leihmutterschaft verhelfen, oder Personen, die eine solche vermitteln.

Darf man mit dem Kind in die Schweiz einreisen?

Das kommt darauf an, in welchem Land es geboren ist. In den USA geborene Kinder etwa erhalten automatisch einen amerikanischen Pass Doppelbürger Zwei Pässe – viele Pflichten und die Eltern eine Geburtsurkunde, die sie als rechtliche Eltern ausweist. In Fällen, in denen die Elternschaft nicht geklärt ist, können die Schweizer Behörden eine Einreise verweigern. Es ist deshalb ratsam, sich frühzeitig anwaltlich beraten zu lassen, damit man bei der Einreise alle nötigen Dokumente hat.

Was braucht es, damit Wunscheltern rechtlich als Eltern gelten?

Wenn die Einreise mit dem Kind geklappt hat, sind die rechtlichen Angelegenheiten damit noch lange nicht erledigt. Die Wunscheltern werden auch mit einer ausländischen Geburtsurkunde nicht automatisch als rechtliche Eltern anerkannt. Auch dann nicht, wenn sie darin als Eltern vermerkt sind.

Sie müssen beim Zivilstandsamt ein Gesuch stellen, damit das Kindesverhältnis offiziell anerkannt und ins Personenstandsregister eingetragen wird. Selbst wenn die Wunscheltern genetisch mit dem Kind verwandt sind, kann es sein, dass das Zivilstandsamt eine Eintragung verweigert. Je nachdem, welches Recht anwendbar ist, regeln strenge formelle Voraussetzungen, wie eine Vaterschaftsanerkennung auszusehen hat. Noch schwieriger ist es bei der Mutterschaft: Nach Schweizer Recht ist einzig die gebärende Frau die Mutter. Wenn das Amt das Kindesverhältnis nicht anerkennt, kann das dazu führen, dass das Kind erst einmal elternlos ist und keine Nationalität hat. Immerhin kann der leibliche Vater sein Kind in der Schweiz relativ einfach nachträglich anerkennen. Ist es mit dem Wunschvater genetisch nicht verwandt ist, muss er es adoptieren.

Was kostet die Leihmutterschaft?

Das ist abhängig vom Land, in dem die Leihmutter das Kind gebärt. In der Ukraine etwa kann man ab rund 45'000 Franken ein Kind austragen lassen. In den USA variieren die Regelungen von Staat zu Staat. Am häufigsten beauftragen Paare in Kalifornien eine Leihmutter. Hier müssen Paare mit Kosten von mindestens 150'000 Franken rechnen.

Wie sieht es in Zukunft aus?

Die nationale Ethikkommission hat zur Legalisierung der Leihmutterschaft bereits 2013 Stellung genommen. Sie rät dazu, die Fortpflanzungsmedizin im Bereich Leihmutterschaft grundsätzlich zu liberalisieren. Alle Beteiligten müssten ausführlich informiert werden, es brauche zudem einen detaillierten Vertrag, und die medizinische Versorgung der Leihmutter müsse garantiert sein. Geht es nach der Ethikkommission, soll die Leihmutter nicht bezahlt werden, sondern lediglich eine Entschädigung für ihren Erwerbsausfall erhalten. Nicht einig war sich die Kommission darüber, ob rechtliche Vorschriften ausreichen, um alle Beteiligten genügend zu schützen.

Seither hat sich in dieser Frage nichts mehr getan. Eine baldige Änderung ist nicht in Sicht. Das Parlament hat sich aber vor kurzem für eine Legalisierung der Eizellenspende ausgesprochen. Vielleicht, damit weniger Paare ins Ausland ausweichen.

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