Die Geschichte machte Schlagzeilen: 2010 kaufte Dinara Kulibajewa-Nasarbajew, die Tochter des kasachischen Präsidenten, eine Villa am Genfersee – zum völlig überhöhten Preis von 75 Millionen Franken. Die Herkunft des Geldes war beim Deal überhaupt nicht von Belang. Das sorgt für Irritationen: «Ich verstehe nicht, wieso man beim Kauf einer Aktie abklären muss, woher das Geld kommt, nicht aber beim Kauf einer 75-Millionen-Villa», sagt etwa Daniel Thelesklaf, der früher die Meldestelle für Geldwäscherei des Bundes leitete und heute Leiter der Stabsstelle Financial Intelligence Unit in Liechtenstein ist.

Der spektakuläre Hauskauf in Anières war ein Auslöser dafür, dass die Bundesanwaltschaft gegen Tilmur Kulibajew, den Gatten der Villenbesitzerin, eine Strafuntersuchung wegen Verdachts auf Geldwäscherei einleitete. Wie in anderen Fällen lässt sich vermuten, dass die protzige Liegenschaft mit Schwarzgeld finanziert wurde. Beispiele, wo vor allem Käufer aus der ehemaligen Sowjetunion zu Phantasiepreisen Häuser im Engadin, am Zürich- oder Genfersee kauften, finden sich fast beliebig, wie beim Luzerner Château Gütsch, das der Russe Alexander Lebedew erwarb und das trotzdem noch immer meist leer steht. Und Ilijas Krapunow, Sohn eines ehemaligen kasachischen Ministers, kaufte das Hôtel du Parc auf dem Mont Pèlerin, nachdem er schon für 32 Millionen Franken eine Villa in Cologny erstanden hatte.

SP-Nationalrätin Margret Kiener Nellen, die sich oft mit Fragen zur Geldwäscherei beschäftigt, warnt denn auch: «Dass bei solchen Käufen unsauber erworbenes Geld im Spiel ist, scheint offenkundig.» Doch selbst wenn es Hinweise gäbe, dass mit gewaschenem Geld Häuser gekauft wurden, wären den Behörden die Hände gebunden: Der Immobilienhandel untersteht in der Schweiz nicht dem Geldwäschereigesetz.

Der Basler Strafrechtsprofessor Mark Pieth, international gefragter Spezialist für Korruptions- und Geldwäschereibekämpfung, stellt fest, dass es beim Einbruch der Börsen 2008 eine Verlagerung der Geldflüsse in den Immobilienbereich gegeben habe – mit exponentiell steigenden Preisen. Auffällig sei, dass häufig Russen in der Schweiz Immobilien gekauft hätten.

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Plötzlich sind die Marshallinseln im Spiel

Eine Verbindungsperson zur russischen Kundschaft ist G. S., die früher in der Finanzbranche gearbeitet hat. G. S. ist die Schlüsselfigur beim Hotel Albana in Weggis, das 2007 für vier Millionen Franken verkauft wurde. Käufer war der Russe Alexander Udodov respektive die Avrora Albana GmbH in Zürich. Diese will 45 Millionen in ein Kongresshotel investieren. Gegenwärtig ruht das Projekt, weil Einsprachen des Heimatschutzes und von 22 Bürgern vor Verwaltungsgericht hängig sind. Ausländische Investitionen in Hotelprojekte sind beliebt, weil der Erwerb nicht der Lex Koller unterliegt, die den Grundstückserwerb durch Ausländer einschränkt. M. B., Ehemann von G. S. und Projektleiter in Weggis, sagt: «Wenn das Projekt nicht bewilligt wird, würde das Hotel verlottern, und schliesslich werden dann Wohnungen gebaut, was nicht den Vorstellungen der Investoren entspricht.» Könnte man Wohnungen bauen, würde allerdings das Land um ein Mehrfaches an Wert zunehmen.

Das «Albana» war während Generationen in derselben Familie. Veräussert wurde es, weil es für Hotels kaum mehr möglich sei, Kredite zu vernünftigen Bedingungen zu erhalten – so der Verkäufer, der anonym bleiben will. Bei ihm hatte sich G. S. gemeldet, bald war man sich handelseinig. Für ihn habe das Geschäft einen seriösen Anstrich gehabt, sagt der Verkäufer, auch weil zuerst eine vertrauenswürdige Immobilienfirma und ein bekannter Architekt die Verhandlungen geführt hätten und der Verkaufserlös über die CS gekommen sei. Kurz darauf wurden diese aber ersetzt, und dem Verkäufer gingen noch andere Lichter auf: «Ich habe festgestellt, dass sich die Käuferschaft hinter einer Firma versteckt, die auf den Marshallinseln domiziliert ist.»

Insider: «Ich erschrecke immer wieder»

Eigenartige Geschäfte gibt es auch im Kunsthandel, der ebenfalls vom Geldwäschereigesetz ausgenommen ist. Wie mehrere Kenner der Szene bestätigen, wird in diesem Markt oft bar gezahlt. Und wo Bargeld im Spiel ist, ist die Geldwäscherei nicht weit weg. «Mir ist ein Fall bekannt, bei dem ein Kunstwerk im Wert von einer Million Franken im Tresorraum einer Bank gegen einen Barcheck die Hand gewechselt hat», erzählt ein mit der Kunstszene intim vertrauter Anwalt. Er fügt bei: «Ich erschrecke immer wieder, auf welch unverfrorene Weise im Kunsthandel Geld gewaschen wird.» Etliche Kunsthändler seien sehr willfährig, wenn ihre Kunden Barzahlung bevorzugen würden. So ist einem anderen Insider aufgefallen, dass jeweils nach Abschluss der Kunstmesse Art Basel die Kunsthändler grosse Mengen Bargeld bei den Banken einzahlen würden.

Die UBS, die die Art Basel seit Jahren sponsert, berät wohlhabende Kunden bei Kunsttransaktionen. Dieses «Art Banking» wurde 2009 zwar aufgehoben, später in reduziertem Umfang aber wiederaufgenommen. Gerüchteweise habe das mit Geldwaschproblemen in Zusammenhang gestanden, was die UBS indes verneint. Immerhin sagte die Leiterin des UBS Art Competence Center, Patricia C. Amberg, schon 2010: «Geldwäschereiversuche über Kunstobjekte sind nicht selten.»

Der Kunsthandel wehrt sich dagegen, dass sein Geschäft dem Geldwäschereigesetz unterstellt wird. Die Branche vertraut auf die Selbstregulierung. Die Mitglieder des Kunsthandelsverbands der Schweiz, sagt Präsident Claudius Ochsner, sollten keine Barbeträge im Gegenwert von mehr als 10'000 Euro annehmen. Und bei Überweisungen kann man das Problem abschieben: «Es liegt an der Bank, bei einer Zahlung abzuklären, ob das Geld aus einer sauberen Quelle stammt.» Die Selbstregulierung sei ein erster Schritt – «angesichts der Probleme aber ein Tropfen auf einen heissen Stein», sagt der Zürcher Raubkunst-Spezialist Andrea Raschèr. «Es fliessen sehr grosse Summen von in- und ausländischem Schwarzgeld in diesen Markt, daher braucht es ganz klar eine Unterstellung unter das Geldwäschereigesetz.»

Das Problem, weshalb seine Branche immer wieder mit Geldwäscherei in Verbindung gebracht wird, ortet Verbandspräsident Ochsner bei den unorganisierten kleinen oder nur gelegentlichen Händlern. «Wir wissen, dass es hier schwarze Schafe hat, aber wir können sie nicht kontrollieren», sagt er. Experte Mark Pieth vergleicht den Kunsthandel mit dem Handel von Fussballspielern: «Hier wie dort weiss man nicht, was eigentlich der berechtigte Preis wäre.» Man könne einen Preis künstlich hochtreiben und so das Kaufobjekt als Vehikel für Geldwäscherei benutzen. Auch wenn später ein Objekt günstiger verkauft werden müsse, ist dann doch ein Teil der Schwarzgelder weiss geworden.

EU und Liechtenstein sind weit voraus

Das erste Gesetz der Geldwäscherei lautet: Überall dort, wo die Geldflüsse nicht reguliert werden, wo viel Bargeld im Spiel ist und ein liquider Markt besteht, dringt unsauberes Geld hinein. Und wie so oft hinkt die Schweiz in der Bekämpfung des Missstands der weltweiten Entwicklung hinterher. Die Financial Action Task Force (FATF) on Money Laundering, das führende internationale Gremium im Kampf gegen die Geldwäscherei, hat die Schweiz schon dafür kritisiert, dass sie wichtige Schlupflöcher offen lasse. Denn in der EU und in Liechtenstein unterstehen der Kunst- und der Immobilienhandel sowie der Handel mit Juwelen bei Barzahlungen über 15'000 Euro der Geldwäschereigesetzgebung.

Als der Bundesrat vor Jahren den Immobilienhandel dem Gesetz unterstellen wollte, wusste das die Branche mit massivem Lobbying zu verhindern. Jetzt sind ähnliche Abwehrmechanismen festzustellen. Tayfun Celiker, Direktor des Schweizerischen Verbands der Immobilienwirtschaft (SVIT), sagt. «Wir haben schon genügend Instrumente, um Geldwäscherei zu bekämpfen. Und wir wehren uns dagegen, dass man die Immobilienbranche einem Generalverdacht unterstellt.»

Auch wenn das Fachgremium FATF in einem Bericht von 2007 zahlreiche Beispiele aufführt, wie Geld mit dem Kauf von Immobilien gewaschen werden kann, ist es tatsächlich schwierig, konkrete Beispiele zu finden – eben weil die Herkunft der Gelder nicht überprüft werden muss. Doch Paolo Bernasconi, der frühere Staatsanwalt des Kantons Tessin und Spezialist für Geldwäscherei, sagt: «Bargeldtransaktionen im Immobilien- und Kunsthandel, aber auch bei Juwelen und Luxusautos haben ein gewaltiges Ausmass angenommen, was selbstverständlich die Geldwäscherei wesentlich erleichtert. Das hat mit den immer freieren Märkten zu tun, aber auch mit der Globalisierung und dem freien Personenverkehr.» Bei Immobilienkäufen komme es oft vor, dass die Käufer mit Koffern voll Bargeld in Millionenhöhe zahlen.

Die Immobilienbranche behauptet, fast alle Immobilienkäufe würden über Banken laufen, und diese müssten die Herkunft der Gelder überprüfen. Dem widerspricht Daniel Thelesklaf, der die Tricks der Geldwäscher aus dem Effeff kennt: «Man kann unter fremdem Namen oder über eine Gesellschaft Immobilien kaufen. Die Bank hat nur mit einer Partei zu tun und ist nicht verpflichtet, den Verkäufer zu fragen, woher der Käufer das Geld hat.»

«Mit Strohmännern leicht zu umgehen»

Bei der Abklärung von Geldern gehen die Banken nach einem Risikoschema der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht vor, das verschiedene Stufen enthält. Dabei gehören russische Oligarchen zur höchsten Risikostufe. «Dieser risikobasierte Ansatz hat sich bewährt», so Fachmann Mark Pieth, «und deshalb sollte auch der Immobilienhandel in dieses Schema eingebunden werden.» Vorsicht ist angezeigt, wenn eine Liegenschaft lange unverkäuflich ist und sich plötzlich ein Käufer findet. Oder wenn Preise weit über den marktüblichen gezahlt werden. Eine Prüfung des Käufers müssten eigentlich die Notare vornehmen. «Mittels Strohmännern lässt sich das aber leicht umgehen», sagt Experte Thelesklaf.

Weniger beachtet, aber offenbar ebenso anfällig für die Geldwäsche sind Juwelen und Schmuck. «Ich kenne einen Fall, bei dem ein Russe bei einem Juwelier für vier Millionen Franken ein Collier gekauft hat – und der Verkäufer hat nicht nachgefragt, woher das Geld kommt. Das ist üblich in dieser Branche», sagt Paolo Bernasconi. Dass auch diese Branche nicht dem Geldwäschereigesetz untersteht, versteht er nicht. «So, wie das Gesetz heute funktioniert, ist es völlig widersprüchlich. Da muss der kleine Treuhänder bei 10'000 Franken die Identität jedes Kunden abklären und dazu auch noch, woher das Geld kommt. Aber ein Juwelier, der vielleicht im selben Haus seinen Laden hat, muss das selbst bei Millionenbeträgen in bar nicht tun.»

Zu den Schlupflöchern im Schweizer Geldwäschereigesetz gehört auch der Rohstoffhandel. «Die EU steht vor einem neuen Regulierungsschub bei der Geldwäscherei», sagt Mark Pieth. «Die Schweiz sollte sich von dieser Entwicklung nicht überraschen lassen und lieber rechtzeitig handeln.» Im Parlament sind zahlreiche Vorstösse hängig, die die Schweizer Gesetzgebung dem internationalen Standard anpassen wollen. Die Verwaltung sei dabei, zu prüfen und zu analysieren, teilt das federführende Finanzdepartement mit.