Eines Tages klingelte eine Frau bei der Beobachter-Redaktion. Sie erzählte ihre tragische Geschichte: Ihre Tochter war ermordet worden. Zur grossen Trauer über den schrecklichen Verlust kam die Ernüchterung darüber, dass sie keinerlei finanzielle Unterstützung bekam.

Der Beobachter berichtete in mehreren engagierten Artikeln und entfachte damit eine landesweite Diskussion über den fehlenden Opferschutz in der Schweiz. Das war 1978. Aus dem Engagement entstand die sogenannte Beobachter-Initiative, die von einem Grossteil der Bevölkerung getragen wurde und schliesslich ins Opferhilfegesetz mündete. Es wurde am 1. Januar 1993 in Kraft gesetzt.

Die Opferhilfe soll von schweren Gewalttaten Betroffene unterstützen – indem sie bei der Bewältigung hilft, finanziell entlastet und die Opfer im Strafverfahren besserstellt. Wie das passiert, ist primär im Opferhilfegesetz festgehalten. Die Erfahrungen zeigen, dass das Gesetz bis heute einem grossen Bedürfnis entspricht. So wurden im Jahr 2017 rund 38'800 Beratungsfälle verzeichnet; bei fast der Hälfte davon war eine Körperverletzung der Auslöser.

Doch was genau steckt hinter dem abstrakten Begriff «Opferhilfe»? Wer erhält wann welche Unterstützung? Die Antworten.

Wer gilt als Opfer?

Opfer im Sinn des Gesetzes ist jede Person, die durch eine Straftat in ihrer körperlichen, sexuellen oder psychischen Integrität unmittelbar verletzt worden ist. Dabei spielen Alter, Geschlecht oder Staatsangehörigkeit keine Rolle.

Welche Leistungen bietet die Opferhilfe?

Im Wesentlichen Beratung und Hilfe durch spezialisierte Opferberatungsstellen sowie finanzielle Leistungen an die Betroffenen. Wenn ein Strafverfahren Strafprozessordnung Was für Beschuldigte und Opfer gilt gegen den mutmasslichen Täter läuft, hat das Opfer ausserdem besondere Rechte in diesem Verfahren.

Wer ausser den direkten Opfern hat Anspruch auf Unterstützung?

Die Opferhilfe steht nicht nur direkt Betroffenen, sondern unter Umständen auch deren Angehörigen offen: Kinder, Ehepartner, Eltern und andere Personen, die dem Opfer in ähnlicher Weise nahestehen, zum Beispiel Konkubinatspartner.

Bei welchen Delikten ist man zur Opferhilfe berechtigt?

Bei folgenden Straftaten besteht ein Anspruch auf Leistungen:

Bei welchen Delikten gibt es keine Opferhilfe?

Keinen Anspruch hat, wer zum Beispiel von einem Betrug oder Diebstahl betroffen ist, beschimpft oder verleumdet wurde. Denn hier liegt keine Verletzung der körperlichen, sexuellen oder psychischen Integrität vor.

Welche Beratungsstelle ist ­zuständig?

Für jeden Kanton gibt es mindestens eine Opferberatungsstelle. Opfer und Angehörige können aber frei entscheiden, wohin sie sich wenden. Ein Verzeichnis der Beratungsstellen findet man unter hier

Was bieten die Beratungsstellen?

Die Leistungen der Opferhilfestellen können medizinischer, psychologischer, sozialer, materieller oder juristischer Art sein. Zunächst unterstützen die Beratungsstellen das Opfer und seine Angehörigen durch kostenlose Beratung und decken durch Soforthilfe die dringendsten Bedürfnisse ab; auf diesem Weg kann beispielsweise eine Notunterkunft Häusliche Gewalt Männer prügeln ungestraft vermittelt werden.

Zur Bewältigung und Verarbeitung der Tat bieten die Beratungsstellen auch längerfristige Hilfe oder vermitteln dafür aussenstehende Fachpersonen, etwa Psychologen oder Anwältinnen. Je nach finanzieller Situation des Opfers können dafür Kostenbeiträge gewährt werden.

Zudem unterstützen die Stellen beim Einreichen eines Gesuchs um finanzielle Hilfe.

Muss ein Strafverfahren laufen, damit man Unterstützung erhält?

Für die erste Kontaktaufnahme wird nicht vorausgesetzt, dass bereits ein Strafverfahren im Gang ist. Es genügt zunächst, wenn die betroffene Person glaubhaft macht, dass sie Opfer ist. Dem Opfer soll nämlich auch geholfen werden, wenn es die Tat nicht anzeigen will oder wenn der Täter flüchtig ist oder nicht ermittelt werden kann.

Bei knapp der Hälfte der Beratungsfälle wird kein Strafverfahren eingeleitet. Strengere Voraussetzungen gelten bei der finanziellen Hilfe.

Wie werden Gewaltopfer finanziell unterstützt?

Es gibt Kostenbeiträge – beispielsweise für die Dienste von Anwalt oder Psychologin. Daneben können Opfer und Angehörige je nachdem auch Entschädigungen und/oder Genugtuungsleistungen beantragen. Eine Entschädigung soll den finanziellen Schaden der Tat abgelten, etwa den Erwerbsausfall oder die Bestattungskosten. Eine Genugtuung hingegen, auch Schmerzensgeld genannt, soll das seelische Leid ausgleichen.

Mehr zu Opferhilfe bei Guider

Wer Opfer einer Straftat geworden ist, hat ein Recht auf Opferhilfe. Doch was heisst das konkret und wohin können sich Betroffene wenden? Erfahren Sie als Beobachter-Abonnentin unter anderem, welche Schutzmassnahmen Ihnen bei einem Verfahren zustehen und welche Bedingungen für eine finanzielle Entschädigung erfüllt sein müssen.

Wie hoch kann eine Entschädigung ausfallen?

Der Betrag hängt von den finanziellen Verhältnissen des Opfers ab und liegt bei maximal 120'000 Franken. Ersetzt wird nur der Schaden, der nicht bereits anderweitig gedeckt wird, etwa durch eine Versicherung. Zuständig für die Ausrichtung einer Entschädigung sind spezielle Entschädigungsstellen im Kanton des Tatorts.

Wann kann eine Genugtuung ­geltend gemacht werden?

Berechtigt sind Personen, die durch eine Straftat besonders schwer betroffen wurden. Wer zum Beispiel wegen einer Straftat mit deutlichen, bleibenden Narben im Gesicht leben muss, kann eine Genugtuung verlangen. Das Ziel ist, so den immateriellen Schaden auszugleichen – also den psychischen Schmerz.

Je schwerer jemand von einer Tat betroffen ist, umso höher fällt die Genugtuungssumme aus. Für Opfer beträgt sie maximal 70'000 Franken, für Angehörige hingegen höchstens 35'000.

Welche Fristen gelten, wenn man Unterstützung braucht?

Im Normalfall muss das Gesuch um Entschädigung und Genugtuung innert fünf Jahren seit der Straftat oder nach Kenntnis der Straftat eingereicht werden.

Wer als Kind oder Jugendlicher Opfer eines bestimmten schweren Delikts wurde – etwa sexueller Missbrauch –, hat dafür Zeit bis zum vollendeten 25. Altersjahr.

Für die kostenlose Unterstützung durch Opferberatungsstellen und für das Gesuch um Kostenbeiträge gelten hingegen keine Fristen.

Gerichtsverfahren: Diese Rechte haben Opfer von Gewalttaten

Im Rahmen eines Strafverfahrens stehen Opfern von Gewalttaten in folgenden Bereichen besondere Rechte zu:

Information
Opfer werden darüber informiert, dass sie Opferhilfeleistungen beanspruchen können. Zudem klären die Behörden über wichtige Verfahrensentscheide auf. So erfährt ein Opfer beispielsweise, ob der Täter inhaftiert oder aus der Haft entlassen wurde. Im Weiteren hat das Opfer einen Anspruch darauf, zu wissen, wie das Strafverfahren ausgegangen ist.

Schutz
Das Opfer darf sich bei allen Verfahrenshandlungen von einer Vertrauensperson begleiten lassen. Es kann zudem – mit gewissen Ausnahmen – verlangen, dass eine Begegnung mit dem Beschuldigten vermieden wird; nicht nur im Rahmen einer Gegenüberstellung, auch hinsichtlich zufälliger Begegnungen, etwa im Korridor des Amtsgebäudes. Zum Schutz des Betroffenen kann das Gericht die Öffentlichkeit von Verhandlungen ausschliessen. Auch die Identität des Opfers soll geschützt werden: Behörden und Medien dürfen diese grundsätzlich nicht offenlegen.

Besonderer Schutz für Opfer von Sexualdelikten
Bei Opfern von Sexualdelikten gehen die Schutzrechte noch etwas weiter: Sie können beispielsweise verlangen, von einer Person gleichen Geschlechts einvernommen zu werden. Dasselbe gilt für Übersetzer bei der Befragung. Das Opfer kann auch beantragen, dass mindestens eine Person des Gerichts dem gleichen Geschlecht angehört. Antworten auf Fragen, die die Intimsphäre betreffen, darf das Opfer verweigern.

Beteiligung
Das Opfer kann sich aktiv am Strafverfahren beteiligen, indem es sich als Privatkläger aufstellt – einerseits als Strafkläger, um die Verfolgung und Bestrafung zu verlangen. Anderseits kann es sich als Zivilkläger aufstellen und damit beantragen, dass der Strafrichter auch gleich über privatrechtliche Ansprüche entscheidet – zum Beispiel über Schadenersatz. Das hat den Vorteil, dass das Opfer nicht auch noch ein separates Zivilverfahren in die Wege leiten muss.

Infografik: Andrea Klaiber; Quelle: BFS

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