Endlich ist der Winter vorbei. Fertig mit Treten an Ort im Fitnessstudio – Sport an der frischen Luft ist wieder angesagt. Lydia Keller schnürt ihre Laufschuhe. In den letzten Wochen hat sie viel über die richtige Trainingsintensität gelesen: Sie will ihren Körper fordern, aber nicht überfordern. Um ihre Herzfrequenz zu messen Fitness-Armband Welche Funktionen sind sinnvoll? , schnallt sich die 52-Jährige deshalb einen speziellen Gurt um die Brust und die Pulsuhr ans Handgelenk. Durch Eintippen von Geschlecht, Alter und Gewicht hat sie die Uhr auf den idealen Trainingspuls programmiert. Läuft Lydia Keller zu schnell, mahnt das Gerät mit dezentem Piepsen zur Mässigung.

Wer hip sein will, trainiert nach Feierabend auf einen Marathon hin.

 

Doch so richtig zum Laufen kommt die Zürcherin gar nicht: Schon nach wenigen Metern lockeren Trabens piepst es am Handgelenk. Beinahe 155 Schläge zeigt die Messung auf dem Display – maximal 130 Schläge sollten es nach den Berechnungen der Uhr sein. Lydia Keller wird von einer anderen Läuferin locker überholt, deren Uhr gibt keine Laute von sich. In Keller steigt die Wut hoch, und der Puls schnellt weiter in die Höhe.

Laufen oder Joggen ist in den letzten Jahren enorm populär geworden. Wer hip sein will und etwas auf sich hält, trainiert nach Feierabend auf einen Marathon oder zumindest auf einen der zahlreichen Volksläufe. Regelmässig grosse Distanzen zu absolvieren ist ein Zeichen von Durchhaltewillen und Fitness. Doch viele Freizeitsportler überfordern sich: Vor allem Anfänger gehen ans Limit und spurten ausser Atem, bis die Gelenke knacken .

Pulsuhr kann ein wichtiger Helfer sein

Das beobachtet auch der ehemalige Spitzenläufer Markus Ryffel. «Viele Männer glauben nur dann richtig trainiert zu haben, wenn sie fast auf allen vieren heimkommen. Das ist Unsinn. Schliesslich sollte das Training der Erholung dienen und nicht den Berufsstress Stress Wenn man ständig auf der Überholspur lebt fortsetzen.» Mit ein Grund, weshalb sich viele Frauen in gemischten Laufgruppen oder beim Joggen mit ihrem Partner nicht wohl fühlen, sondern gestresst sind. «Frauen spüren viel besser, was ihnen gut gut», sagt Ryffel.

«Die Intensität stimmt, wenn ich mich beim Laufen noch mit jemandem unterhalten kann.»

Markus Ryffel, ehemaliger Spitzen-Langstreckenläufer und Laufcoach

 

Wer aus seinem Training möglichst grossen gesundheitlichen Nutzen ziehen und Fortschritte erzielen will, sollte nicht zu langsam, vor allem aber nicht zu schnell durch die Wälder rennen. Eine Pulsuhr kann zu grossen Eifer dämpfen. Der empfohlene Maximalpuls berechnet sich nach einer weit verbreiteten Faustregel aus der Zahl 220 minus Alter. Bei einem mittelstarken Training sollte sich der Puls zwischen 60 und 75 Prozent des Maximalpulses bewegen, bei einem anstrengenden Training zwischen 75 und 90 Prozent.

Aber Vorsicht: «Der Puls ist nicht das Mass aller Dinge», warnt Ryffel. «Entscheidend ist die innere Uhr, mein Empfinden. Die Intensität stimmt, wenn ich mich beim Laufen noch mit jemandem unterhalten kann.» Überhaupt würden diese Pulsempfehlungen nur etwa auf die Hälfte aller Menschen zutreffen, so der Zweite über 5000 Meter an den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles. Wer seine Werte genau kennen will, sollte einen so genannten Laktatstufentest beim Sportarzt machen. Dazu kommt, dass manche Menschen genetisch bedingt einen generell höheren Puls haben.

Mit regelmässigem Training zur optimalen Herzfrequenz

Dem idealen Puls nachzurennen, um eine möglichst optimale Fettverbrennung zu erzielen, macht also nicht viel Sinn. Wichtiger ist regelmässiges Training, Abwechslung und viel Geduld. «Wer Fortschritte machen will, sollte zweimal pro Woche leicht trainieren und einmal etwas intensiver», rät Markus Ryffel. Und wer sich durch ein leichtes Training unterfordert fühlt, trainiert seinem Körper zuliebe besser eine halbe Stunde länger, statt die Intensität zu erhöhen. Für leichtere Einheiten eignen sich Nordic Walking oder Aqua-Fit bestens. Zudem beugt regelmässiges Krafttraining Krafttraining Warum man sich überwinden sollte Rücken- und Gelenkbeschwerden vor.

Wenn Lydia Keller künftig auch in niedrigen Intensitäten trainiert – also nicht immer nur läuft, sondern auch einmal walkt –, dürfte sich ihr Puls langsam, aber sicher den idealen Werten annähern. «Das soll aber nicht das einzige Ziel sein», sagt Ryffel noch einmal. «Beim Sport will ich den Alltag hinter mir lassen, körperlich und seelisch auftanken, die Natur geniessen und etwas für meine Gesundheit tun.» Deshalb läuft Markus Ryffel noch heute bis zu fünf Mal pro Woche frühmorgens durch das verschlafene Bern – mit viel Genuss und meistens ohne Pulsuhr.

Regelmässig laufen: So kommen Sie in Schwung
  • Wärmen Sie sich gut auf.
  • Laufen Sie nicht zu schnell, sondern lieber etwas langsamer, dafür länger.
  • Trainieren Sie besser jeden Tag eine halbe Stunde als zweimal pro Woche eine Stunde. So geben Sie Ihren Muskeln, Sehnen und Bändern Zeit, sich an die Belastung zu gewöhnen.
  • Die empfohlenen Pulswerte sind Richtwerte. Entscheidend ist Ihr Wohlbefinden. Wenn Sie das Training leicht schaffen, profitiert der Körper am meisten.
  • Laufen Sie auch bei schlechtem Wetter und achten Sie auf gute Kleidung.
  • Vergessen Sie nach dem Laufen das Stretching und die Kraftübungen nicht.
  • Laufen Sie niemals, wenn Sie erkältet sind oder Fieber haben.
  • Bauen Sie Bewegung in Ihren Alltag ein: Benutzen Sie die Treppe statt des Lifts, steigen Sie zwei Stationen früher aus oder gehen Sie über Mittag spazieren.
Wissen, was dem Körper guttut.
«Wissen, was dem Körper guttut.»
Chantal Hebeisen, Redaktorin
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