Die Ambulanz wartet mit laufendem Motor vor der Wohnung. 20 Minuten lang fährt sie nicht los, obwohl der 92-Jährige A. C.* (Name der Redaktion bekannt) einen Schlaganfall erlitten hat und schnellstmöglich in ein Spital gebracht werden sollte. Der Rettungssanitäter sagt der Ehefrau, man müsse erst einen Platz im Spital für ihren Mann suchen, es sei noch unklar, wo er aufgenommen werden könne. Es ist Mittwochmorgen Anfang September in der Stadt Zürich. Und Plätze auf Intensivstationen sind rar.

Schutz & Rettung Zürich bestätigt, dass «die Einweisung von Patienten derzeit teilweise erhöhten Abklärungsbedarf erfordert». Es könne in wenigen Fällen zu Verzögerungen kommen. «Aktuell ist die Aufnahmesituation angespannter als in den vorhergehenden Wellen», sagt die Sprecherin.

Die Zahl der Covid-Kranken in den Intensivstationen ist spätestens seit der Ausweitung der Zertifikatspflicht in den Fokus des Interesses geraten. Denn damit begründen die Behörden die verschärften Massnahmen, die nötig seien, damit die Gesundheitsversorgung nicht überlastet werde. Der Beobachter hat die Zahlen unter die Lupe genommen.

  • Am Universitätsspital Zürich sind am 13. September um 13 Uhr von 64 Betten in der Intensivpflegestation (IPS) 62 belegt. Für diese zertifizierten IPS-Betten kann das Universitätsspital genügend Fachpersonal garantieren. «Die Intensivstationen sind somit ausgelastet, die Lage ist angespannt und sehr dynamisch», sagt eine Spitalsprecherin. In 20 der 64 Betten liegen Covid-Patientinnen, «fast alle ungeimpft».
     
  • Am Unispital Basel sind 30 der total 42 zertifizierten IPS-Betten belegt. In 13 Betten liegen Covid-Patienten, «alle ungeimpft», sagt ein Sprecher. Alle diese Corona-Patientinnen lägen dort «aufgrund schwerer und schwerster Verläufe von Covid-19». Also «wegen» Covid, und nicht bloss einfach «mit» Covid. Notfälle habe man bisher keine abweisen müssen.
     
  • Am Inselspital Bern sind die 28 IPS-Betten zu 90 Prozent ausgelastet. In 14 Betten liegen Covid-Patienten, alles schwere Fälle, sagt ein Sprecher. Alle seien ungeimpft. Notfälle habe man noch keine abweisen müssen.

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) schätzt, dass in der Schweiz rund ein Drittel der Intensivbetten von Covid-Kranken besetzt ist. Wie viele davon derzeit ungeimpft sind, weiss das BAG nicht. Zwar erhält das Bundesamt solche Zahlen von 21 Spitälern, aber mit rund einem Monat Verspätung. Eine zeitnahe Erhebung dieser Kennziffer fehlt, weil die Daten erst erfasst werden, wenn der Patient das Spital verlässt – oder stirbt. Das BAG weiss heute deshalb nur, dass in diesen 21 Spitälern zwischen dem 12. Juli und 8. August 60 Prozent der Covid-Kranken auf den Intensivstationen ungeimpft waren, 11 Prozent geimpft, und bei 29 Prozent ist der Impfstatus unbekannt.

Impfung schützt zurzeit sehr gut vor schweren Verläufen

Ausserhalb der Intensivstationen sieht die Situation anders aus: 95,1 Prozent aller Patienten, die seit dem 28. Juni mit positivem Corona-Befund ins Spital mussten, sind ungeimpft (siehe Infografiken unten). Die Zahl der hospitalisierten Corona-Patienten ist allerdings unscharf. Es gebe darunter vermutlich auch Fälle, «die aus anderen Gründen hospitalisiert wurden», sagt das BAG. Einige Patienten gaben an, sie hätten trotz positivem Corona-Test keine Covid-Symptome. Ihr Anteil an allen Covid-Patienten im Spital beträgt kumuliert seit dem 14. Juni 6 Prozent. Oder 1654 Personen von 27'696 hospitalisierten Personen mit Corona. Über 7 Prozent gibt es keine Angaben zu Symptomen, sei es, weil diese im Spital nicht erhoben worden sind, oder weil sie bei der Einlieferung nicht ansprechbar waren.

Fazit: Die Zahl der Personen, die sich trotz Doppelimpfung mit Corona infizierten und ins Spital mussten, ist klein, die Impfung schützt zurzeit sehr gut vor schweren Verläufen. Auf den Intensivstationen liegen aktuell vor allem Ungeimpfte. Das lässt sich auch bei sehr kritischem Nachfragen erhärten.

Wenig Hospitalisierte sind geimpft

Infografik: Wenig Hospitalisierte in der Schweiz sind geimpft
Quelle: BAG – Infografik: Anne Seeger

Impfdurchbrüche vorwiegend bei Älteren

Infografik: Impfdurchbrüche mit Spitalaufenthalt betreffen v.a. ältere Personen
Quelle: BAG – Infografik: Anne Seeger

Belastete Intensivstationen

Infografik: Geschätzte Auslastung der Intensivbetten in Schweizer Spitälern
Quelle: BAG – Infografik: Anne Seeger

4'597'571 Geimpfte leben per 15. September 2021 in der Schweiz und Liechtenstein.

Infografik: Anteil an tödlichen Impfdurchbrüchen in der Schweiz
Quelle: BAG – Infografik: Anne Seeger
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