Beobachter: Herr Fehr, welche Reisekrankheiten plagen Touristen in Europa vor allem?
Jan Fehr: Im Mittelmeerraum ist die grösste Gefahr die Sonne und das mit ihr verbundene Risiko von Hautkrebs. Wenn sonnenhungrige Schweizer mit heller Haut ihre Büros verlassen und den ganzen Tag draussen verbringen, sind Sonnenschutz und Kopfbedeckung essenziell. Hinzu kommt: In warmen Ländern geht man immer wieder einmal barfuss oder in offenen Schuhen, wodurch eine höhere Gefahr besteht, sich zu schneiden. Es könnten Bakterien in die Wunde gelangen und eine Infektion verursachen. 


Wie sieht es mit Stichen und Bissen aus?
Mücken sind vor allem in Nordeuropa ein grosses Thema. Hier ist Prävention in Form von Mückenschutzmitteln und angemessener Kleidung wichtig. Wer sich kratzt, bekommt kleine Wunden, wodurch Bakterien unter die Haut gelangen können. Gefährliche Tiere gibt es in Europa nur wenige. Im Mittelmeerraum findet sich unter anderem die Schwarze Witwe. Ihr Biss ist schmerzhaft, aber nicht bedrohlich. Anders sieht es bei der nachtaktiven Speispinne aus. Ihr Biss kann lokale Schmerzen, Schwellungen, Rötungen und sogar Gerinnungsstörungen sowie Nierenprobleme verursachen. Im Meer kann der Kontakt mit Quallen zu Hautirritationen führen. 

Dann sind da noch die Zecken.
Richtig. Diese können das FSME-Virus (Frühsommer-Meningoenzephalitis) übertragen. In Europa ist die FSME auf dem Vormarsch – auch in der Schweiz stiegen die Fallzahlen in den letzten Jahren. Reisende, die viel Zeit in der Natur verbringen – egal, ob in der Schweiz oder einem anderen europäischen Land –, sollten sich deshalb gegen das FSME-Virus impfen lassen, um einer Hirnhautentzündung vorzubeugen. 


Kommt die Zeckenimpfung für diesen Sommer nicht zu spät?
Der optimale Impfschutz ist nach drei Impfungen, verteilt über rund ein Jahr, erreicht. Deshalb empfiehlt es sich, im Herbst für die darauffolgende Wärmesaison mit der Impfung zu beginnen. Wer dies verpasst hat, kann sich für diese Saison dennoch schützen. Es gibt ein Schnellimpfschema, womit man innerhalb weniger Wochen einen sehr guten Impfschutz erreicht.


Gibt es weitere Ferienarten, die eine spezielle Vorbereitung verlangen?
Wer seine Ferien auf über 2500 Metern verbringt, läuft Gefahr, höhenkrank zu werden. Für solche Reisen sollte man Zeit einplanen, damit sich der Körper akklimatisiert. Ab dieser Schwellenhöhe sollten für den weiteren Aufstieg nicht mehr als 300 bis 400 Meter pro Tag geplant werden. Massgebend ist die Höhe, auf der man schläft. Man kann also tagsüber einen Berggipfel erklimmen, wenn man nachts in einer Berghütte tiefer unten schläft. 


Sommer, Sonne, Spass – steigt damit auch die Gefahr sexuell übertragbarer Krankheiten? 
Wenn der Alltagsstress abfällt und noch Alkohol im Spiel ist, können sexuell übertragbare Infektionen (STI) ein Thema werden. Eine Reisevorbereitung in Form einer Hepatitis-B-Impfung und Kondomen im Gepäck zum Schutz vor HIV können essenziell sein. Auch an eine Impfung gegen Humane Papillomaviren (HPV) sollte gedacht werden. Für spezielle Situationen kann zudem eine HIV-Prophylaxe sinnvoll sein.


Zu welchen weiteren Reisevorbereitungen raten Sie? 
Es lohnt sich, die vom Bundesamt für Gesundheit empfohlenen Basisimpfungen aktuell zu halten. Dazu gehören etwa die Impfungen gegen Starrkrampf, Diphtherie, Hepatitis B, Masern, Mumps, Röteln sowie Windpocken. Menschen, die längere Zeit in Regionen mit prekären sanitären Bedingungen verreisen, sollten zudem eine Hepatitis-A-Impfung in Erwägung ziehen. Auch eine Tollwutimpfung kann abhängig von der Feriendestination sinnvoll sein. Und natürlich die Covid-19-Impfung, die in gewissen Ländern immer noch verlangt wird.


Was sollte man vor Ort beachten?
Am wichtigsten sind Sonnen- und Mückenschutz. In südlicheren Regionen lohnt es sich, Schuhe vor dem Anziehen auszuschütteln, um Spinnenbisse oder Skorpionstiche zu vermeiden. Ich empfehle zudem jedem, sich vor Reisebeginn über die Infrastruktur am Ferienort zu informieren. Wo gibt es ein Spital? Wie lautet die medizinische Notfallnummer? Auch um einen guten Versicherungsschutz sowie die Notfallnummern der Schweizer Kontaktstellen sollte man sich frühzeitig kümmern. Treten während oder nach den Ferien Fieber oder andere Beschwerden in ungewohnter Intensität auf, sollte man einen Arzt konsultieren.

Tipps: Das sollte in die Reiseapotheke

Damit die Ferien nicht ins Wasser fallen, lohnt es sich, eine kleine Notfallapotheke zusammenzustellen. Packen Sie je nach Destination, Ferienart und individuellem Bedarf die folgenden Dinge ein:

  • Sonnenschutzmittel mit hohem Lichtschutzfaktor 
  • Insektenschutzmittel und Salbe gegen Insektenstiche
  • Pflaster, Verbandszeug, Pinzette, Desinfektionsmittel, Wundsalbe
  • Mittel gegen Fieber, Schmerzen, Übelkeit, Durchfall und Allergien
  • Zeckenzange
  • Kondome

Weitere Tipps finden Sie hier: Reiseapotheke: Mit dieser Checkliste geht nichts vergessen Checkliste Das muss in die Reiseapotheke

Individuelle Reiseberatung gibt es am Zentrum für Reisemedizin der Universität Zürich: ebpi.uzh.ch

Zur Person

Jan Fehr ist Professor an der Universität Zürich. Er leitet das Departement Public & Global Health, zu dem auch das Zentrum für Reisemedizin gehört.

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