Frage von Armin F.: «Eigentlich haben wir guten Sex. Meine Freundin liebt es aber besonders, wenn wir lange zärtlich herummachen. Mein bestes Stück liebt das weniger: Es verliert oft die Motivation.»

Antwort von Koni Rohner, Psychotherapeut FSP:

Kein Grund zur Panik. Erstens kann die «Motivation» – und damit meinen Sie sicher die Erektion – während des Liebesspiels auch wieder wachsen. Und zweitens sind Sie nicht der einzige Mann, der ein Problem mit Sex und Zärtlichkeit hat. Psychotherapeuten berichten, es gebe immer mehr auch junge Männer, die unter Potenzschwierigkeiten leiden würden. Als Ursache vermuten sie, die Männer hätten Angst, als Macho, als Missbraucher wahrgenommen zu werden. Aus Angst, rücksichtslos zu wirken, unterdrücken sie unbewusst ihre natürlichen sexuellen Impulse zu sehr.

Wobei es für Menschen keine «natürliche» Sexualität gibt, wie sie in der Tierwelt die Regel ist. Mit Schlüsselreizen und Reaktionen darauf ist die Kopulation der Tiere genau programmiert. Menschliche Sexualität hat zwar ebenfalls einen Anteil animalisches Erbe, ist aber in ihren Äusserungsformen erlernt, durch die Kultur geprägt. So gehört in unserem Kulturkreis Küssen zur Liebe, in gewissen afrikanischen Kulturen aber nicht.

Was Männer von Frauen lernen können

Daraus kann man die Schlussfolgerung ziehen, dass man für die leidenschaftliche Liebesbegegnung beides braucht: den animalischen Fortpflanzungstrieb und ein verfeinertes menschliches Liebesspiel. In die menschliche Sexualität sind nämlich nicht nur die Geschlechtsorgane einbezogen, auch die Hände und der Mund sind Instrumente der Liebe. Besonders unsere – im Unterschied zu den Tieren – nackte Haut kann uns in der erotischen Begegnung Freude bereiten. Statt hastig übereinander herzufallen, kann man stundenlang Herz an Herz liegen, den Körper des andern mit Mund und Händen erkunden, gegenseitig die Wärme spüren, sich so nahe sein, als wäre man ein Körper. Das ist Liebe, die unter die Haut geht.

Offenbar ist diese Form des Liebesspiels für die meisten Frauen eine Selbstverständlichkeit. Dass Männer stärker auf Koitus und Geschlechtsorgane fixiert sind, mag etwas mit der Natur ihrer Sexualität zu tun haben, wird aber sicher durch den Konsum von Pornofilmen verstärkt. Wenn es dann im Bett mit der Partnerin anders läuft, wenn sie nicht einfach nur ein Objekt sein will, sondern eine symmetrische, erotische Begegnung sucht, können Potenzängste auftreten. Hier können Frauen helfen, indem sie deutlich machen, dass sie mehr Wert auf Erotik und Nähe legen als auf eine imponierende Erektion.

«Komm her, ungezogener Junge»

Trotzdem: Einfach nur kuscheln, herzen und küssen ergibt keine kraftvolle und reife Sexualität. Irgendwann darf es auch etwas heftiger zur Sache gehen. Die meisten Frauen wünschen sich zwar Nähe und Zärtlichkeit, aber nicht nur. Frauen mögen manchmal auch «böse Buben». «Come here, rude boy» – «Komm her, ungezogener Junge, und liebe mich», singt Rihanna in einem ihrer Hits. Auf Seiten des Mannes braucht das mehr als ein Zärtlichkeitsbedürfnis, es braucht ein starkes Begehren und die Kraft, das Ziel erreichen zu wollen.

Der italienische Schauspieler Giancarlo Giannini, bekannt für seine smaragdgrünen Augen wie für seine Erfolge bei Frauen, wurde einst nach dem Rezept gefragt, wie er Frauen erobere. Giannini gab sinngemäss zur Antwort: «Von einem bestimmten Punkt an muss man sich vom Frauenversteher in einen Mann verwandeln.»

Was Zärtlichkeit, Hautkontakt, ausgedehntes Liebesspiel und verfeinerte Erotik angeht, können Männer eine Menge lernen und ihre Liebhaberqualitäten steigern. Sie dürfen aber nicht anfangen, ihren eigenen sexuellen Impulsen zu misstrauen und sie zu ignorieren.

4 Tipps für genussvollen Sex
  • Der Orgasmus ist nicht das Wichtigste an der sexuellen Begegnung.
  • Männer können lernen, Zärtlichkeit und Hautkontakt mit leidenschaftlichem Begehren zu verbinden und zu geniessen. Übung macht den Meister.
  • Trotz Frauenemanzipation dürfen Männer ihren sexuellen Impulsen trauen.
  • Abwechslung macht den Sex aufregend. Mal darf es etwas wilder und oberflächlicher sein, mal sanfter, zärtlicher und tiefer.