Wie der Atem die Haltung positiv beeinflusst
Wer auf seine Atmung achtet, verbessert automatisch auch die Körperhaltung. Und die innere Zufriedenheit gibts quasi gratis dazu.
aktualisiert am 29. Juni 2022 - 11:31 Uhr
Das einfachste Mittel, an der eigenen Körperhaltung zu arbeiten , ist der Atem. Wenn wir ihn als aufrichtendes Element miteinbeziehen, fällt eine gute Haltung viel leichter. Die äussere Haltung hat aber auch viel zu tun mit der inneren Haltung. Diese steht ebenfalls in Wechselwirkung mit dem Atem.
Das was genau führt eigentlich zur Atembewegung – einer Bewegung, die wir im Prinzip nicht mal wahrzunehmen brauchen, damit sie reibungslos funktioniert? Es gibt einen grossen Atemmuskel: das Zwerchfell. Es treibt nicht nur den Atem an, sondern übernimmt auch andere wichtige Funktionen im Körper, etwa eine Trennfunktion zwischen den inneren Organen und dem oberen Brustkorbbereich. Das Zwerchfell ist zudem verbunden mit den Faszien im Leib, die von einer entspannten Atmung profitieren und das Wohlbefinden fördern.
Normalerweise wird gleichzeitig in den Bauch und in die Brust geatmet, wobei diese Anteile sich je nach Situation verändern können. Als Faustregel gilt: Je ruhiger man ist, desto tiefer ist wahrscheinlich die Bauchatmung; je aufgeregter die Person ist , desto weiter rutscht der Atem nach oben und desto flacher und schneller wird er.
Mit zunehmendem Alter können die Strukturen des Brustkorbs an Elastizität verlieren. Da es nun anstrengender wird, den Brustraum zu dehnen, rutscht der Atem eher nach unten in den Bauch, was bewirkt, dass der Oberkörper etwas zusammensinken kann. Sich mittels Atem- und Leibesübungen die Elastizität zu erhalten, lohnt sich also.
Das Zwerchfell erfüllt in der Alltagshaltung und den Alltagsbewegungen, aber auch beim Sport eine wichtige Funktion. Es sorgt für die Stabilisierung des aufgerichteten Oberkörpers. Das Aufgerichtetsein wird von der Einatmung gewährleistet.
Als Faustregel gilt: Für eine gute Haltung brauchen wir die Atmung, für die Atmung brauchen wir intakte Knochenstrukturen, und zu gesunden Knochenstrukturen im Alter tragen viel Bewegung und eine gesunde Ernährung mit ausreichender Proteinzufuhr (nicht nur Kalzium!) bei.
Um eine möglichst grosse Flexibilität des Brustkorbs zu erreichen, ist eine die Aufrichtung begünstigende Atmung hilfreich. Diese Flexibilität lässt sich trainieren. Das Gute dabei für Bewegungsmuffel: Man tut schon sehr viel, wenn man sich zwischendurch einfach mal dehnt.
Setzen Sie sich auf einen Stuhl oder stellen Sie sich hin, Füsse flach auf den Boden, ausatmen, aufrichten im Einatmen und im Ausatmen die Schultern nach unten fliessen lassen (Grundhaltung).
Versuchen Sie nun tief in den Bauch zu atmen, wobei tief nicht heisst mit viel Luft, sondern tief hinunter in Ihren Leib. Atmen Sie langsam ein, öffnen Sie den Mund, halten Sie kurz und ohne Druck die Luft an. Schliessen Sie den Mund bis auf ein kleines Loch zwischen ihren locker aufeinander liegenden Lippen, atmen Sie aus mit der sogenannten Lippenbremse: Atmen Sie auf 1 ein. Lassen Sie die Lippen leicht aufeinanderliegen und atmen Sie durch den sich so bildenden Schlitz auf 2, 3, 4, 5 aus, indem Sie die Lippen nur ganz fein anspannen. Die Luft bleibt länger in der Mundhöhle und wir von den Lippen etwas zurückgestaut, was zu einem leichten Druck im Mund führt.
Die Backen dürfen sich leicht blähen. Ihre Bauchmuskulatur bleibt dabei so entspannt wie möglich. Nach dem Ausatmen warten Sie ein paar Sekunden, bis der Atem von alleine wieder einzieht. Atmen Sie wieder durch die Nase ein, Luft anhalten, mit Lippenbremse ausatmen.
Wenn wir atmen, so richtet sich unser Oberkörper von alleine auf. Jedoch bringt es nichts, den Brustkorb mit Luft zu füllen. Probieren Sie es vor dem Spiegel einmal aus: Atmen Sie direkt in die Brust, die sich nun etwas bläht. Atmen Sie wieder aus, und im nächsten Einatem füllen Sie wieder Ihren Brustkorb mit Luft.
Sie werden sehen, dass diese Art der Aufrichtung eher anstrengend ist. Wir haben dann die Tendenz, das Kinn und das Brustbein nach vorn zu recken, was etwas aufgeplustert nach Wildwest-Sheriff aussieht. Wenn Sie nun auf Ihre Füsse achten, merken Sie, dass der Stand gar nicht mehr so fest und sicher ist. Es ist, als ob wir nicht mehr auf den Füssen stehen, sondern bei den Schultern an einen Kleiderbügel gehängt wären.
Und nun versuchen Sie es einmal so: Stellen Sie die Füsse hüftbreit auf den Boden. Sinken Sie ein paar Millimeter in die Knie hinein. Stellen Sie sich vor, Sie hätten Röhrchen, die von der Lunge bis in die Füsse reichen, und atmen Sie durch diese imaginativen Röhrchen bis in die Füsse hinein.
Nun atmen Sie sanft ein in die Tiefe Ihres Bauches und bringen Ihren Atem sogleich zart über die Flanken hinauf zu Ihren Schlüsselbeinen. Merken Sie, wie sich der Rücken etwas streckt, der Kopf leichter auf dem Hals sitzt? Im Ausatem lassen Sie die Schultern nach unten fliessen, ohne die Aufrichtung zu verlieren, und spüren Sie, wie der Nacken und die Arme sich entspannen.
Atmen Sie sanft aus, lassen Sie Kinn und Brustbein ein Mü sinken, spüren Sie die Füsse und bauen Sie Ihren Atem von den Füssen her auf. Atmen Sie dafür sanft tief in den Bauch. In Ihrer Vorstellung holen Sie den Atem aus den Füssen. Bringen Sie ihn dann nach oben zu den Schlüsselbeinen. Sanft, ohne viel Luft, ohne Überatmung, gerade so, dass sich der Oberkörper wieder aufrichtet. Im Ausatem lassen Sie die Schultern nach unten fliessen und senken Sie sich ein bis zwei Millimeter in die Knie hinein. Achten Sie darauf, dass die Wirbelsäule beweglich und flexibel bleibt.
An der spontanen äusseren Haltung lässt sich viel über die innere Haltung dem Leben, den Menschen, sich selbst gegenüber ablesen. Manchmal lohnt es sich, einen Schaufensterbummel zu machen. Nicht nur, um die Auslagen im Schaufenster zu entdecken, sondern die eigene Reflexion im Gehen zu betrachten. Wie gehen Sie? Wie bewegen Sie sich? Wie wirkt Ihre Haltung? Zufrieden? Freundlich? Glücklich? Heiter? Verkniffen? Stock im Arsch? Verunsichert? Lustlos?
Tun Sie dann einfach mal so, als ob Sie der glücklichste Mensch auf Erden wären. Wie würde sich das anfühlen? Wie würden Sie sich bewegen? Wie würden Sie atmen? Welche Rflexion sehen Sie im Schaufenster? Was gefällt Ihnen besser? Das macht die innere Haltung mit der äusseren Haltung.
Je mehr Sie Ihre äussere Haltung pflegen, indem Sie sich so halten und bewegen, als ob Sie Ihr Ziel bereits erreicht hätten, Ihr Wunsch bereits erfüllt wäre, umso eher macht auch Ihr Hirn mit und antwortet mit einer positiven Aktivität. Es gibt Bereiche im Gehirn, deren Aktivierung uns ein Gefühl der Zufriedenheit schenken. Und es gibt die gegenteiligen Bereiche, die uns Unzufriedenheit, Unruhe, Gereiztheit bescheren.
Zum Teil ist diese positive oder negative Hirnaktivität angeboren. Zum Teil ist sie im Verlauf des Lebens anerzogen, unbewusst abgeguckt von Vorbildern, und zum Teil kommt sie von Erlebtem und den Reaktionen darauf. Sie können Ihre Hirnaktivität mit Ihrer Haltung jedoch beeinflussen.
Je mehr Sie eine Körperhaltung, Mimik und Bewegungen einüben, die zu einem zufriedenen, erfüllten Lebensstil passen, umso mehr wird sich Ihre Hirnaktivität zum Positiven hin verändern. Was hier sehr unterstützend wirkt, sind Sport und Bewegung sowie eine regelmässige Meditationspraxis. Manchmal braucht es eine Fachperson oder einen Kurs, um einen guten Start hinzulegen und eine sinnvolle Alltagsroutine diesbezüglich zu etablieren.
Wenn das Schicksal Sie mit negativer Hirnaktivität belastet, so hat das nichts mit Ihnen zu tun. Das ist keine Strafe für etwas, es ist nicht Ihre Schuld, es ist einfach, wie es ist. Aber es ist nicht unveränderbar. Wenn Sie das möchten, können Sie die Entscheidung fällen, dies nach und nach zu ändern. Zögern Sie dann nicht, sich Unterstützung zu holen!