Es ist recht einfach, bei der Wohnungsbewerbung zu tricksen oder Geschäftskunden zu täuschen. Man kann einfach beim Betreibungsamt einer Nachbargemeinde einen Auszug bestellen, der dann leer ist. Oder zügeln – damit wird der Betreibungsauszug faktisch gelöscht. So explizit hielt es sogar der Bundesrat in einem Bericht fest. 

Für Betrüger ist das so einfach, weil es in der Schweiz keinen landesweit einheitlichen Betreibungsauszug gibt. Mehr noch: Es gibt 361 Betreibungsämter mit teils unterschiedlichen Vorgehen. Es ist zum Beispiel vielerorts noch gar nicht möglich, dass ein Betreibungsamt prüft, ob die Antragstellerin überhaupt in seinem Einzugsgebiet wohnt. 

Ein nationales Betreibungsregister würde funktionieren

Schon vor über zehn Jahren bat Mitte-Nationalrat Martin Candinas den Bundesrat, zu prüfen, wie man dem sogenannten «Schuldnertourismus» Einhalt gebieten könne. Das Parlament und der Bundesrat haben sich mehrmals mit diesem Thema beschäftigt, aber noch gibt es keine Lösung. Der Bundesrat hat immer wieder geantwortet, dass rechtliche und administrative Fragen noch unbeantwortet seien.

Zum Beispiel: Wie identifiziert man einen Schuldner sicher? Wie ordnet man jede Betreibung mit verhältnismässigem Aufwand zu? Hinzu kommt, dass das Betreibungswesen ohnehin Sache der Kantone ist und der Bund gar nicht die Kompetenz hat, etwas zu unternehmen.

Aber: Ein nationales Betreibungsregister würde grundsätzlich funktionieren. Das hat die Konferenz der Zürcher Stadtammänner und Stadtamtsfrauen letzten Herbst mit einer Machbarkeitsstudie gezeigt. Und zwar, wenn flächendeckend die AHV-Nummer respektive die UID-Nummer eingesetzt wird. Das ist heute rechtlich aber noch nicht möglich und müsste punkto Datenschutz gesetzlich geregelt werden. 

Konsumenten könnten Shops vor Einkauf überprüfen

Es ist klar, dass eine schweizweite Betreibungsauskunft etwa für Wohnungsvermieter attraktiv ist, um die Zahlungsfähigkeit potenzieller Mieter einzuschätzen. Aber was bringt sie den Konsumentinnen und Konsumenten? 

«Es ist schon eine erhebliche Vereinfachung und viel billiger, wenn man bei einem Umzug nicht mehrere Auszüge bestellen muss», sagt Yves de Mestral vom Betreibungsamt des Zürcher Kreis 3. Er ist Präsident der Konferenz der Stadtammänner und Stadtamtsfrauen von Zürich. «Ein schweizweiter Auszug kann auch dabei helfen, Vorschussbetrug zu verhindern – also wenn ich etwas bezahle, aber die Ware nicht erhalte.» Wenn man den Betreibungsregisterauszug mit der UID-Nummer prüfen könnte, falle man nicht auf betrügerische Firmen herein.

De Mestral weist auf einen weiteren Vorteil für Konsumentinnen und Konsumenten hin: Ein einheitliches Betreibungsregister könne das grassierende Business mit Bonitätsdaten eindämmen. Tatsächlich speichern sogenannte Wirtschaftsauskunfteien wie Crif oder Intrum massenhaft Daten und verkaufen sie an Versandhäuser oder Telekomunternehmen weiter, die wissen wollen, wie zahlungsfähig jemand ist.

Bonitätsprüfer könnten weniger Daten sammeln

Wenn man also bei Zalando bestellt oder ein Auto leasen will, kann es sein, dass die Anbieter vorab die Bonität der Konsumenten bei diesen Wirtschaftsauskunfteien überprüfen. Über verhängnisvolle Fehler in diesen Datenbanken hat der Beobachter schon mehrmals berichtet. Zum Beispiel über Andreas Meier, der einen Namensvetter hat und ständig mit ihm verwechselt wird. Dieser hat Schulden – und deswegen konnte Meier kein neues Handyabo abschliessen. «Mit einer schweizweiten Betreibungsregister-Auskunft wäre es für Wirtschaftsauskunfteien weniger lukrativ, entsprechende Daten über Privatpersonen zu sammeln», sagt Yves de Mestral. «Denn Vermieter, Versandhäuser oder Geschäftspartner könnten dann viel einfacher direkt im nationalen Register überprüfen, wie die Bonität einer Person aussieht. Das wäre letztlich ein Fortschritt für den Datenschutz.»

«Bonitätsprüfungen durch private Unternehmen sind sehr intransparent.»

Angela Müller, Leiterin der Organisation Algorithmwatch Schweiz

Die Wirtschaftsauskunfteien sind auch der Organisation Algorithmwatch Schweiz ein Dorn im Auge. Die Menschenrechtsorganisation setzt sich dafür ein, dass Algorithmen und künstliche Intelligenz Gerechtigkeit, Demokratie und Nachhaltigkeit stärken, statt sie zu schwächen. Entsprechend positiv beurteilt Leiterin Angela Müller Bestrebungen für einen einheitlichen Betreibungsauszug: «Bonitätsprüfungen durch private Unternehmen sind sehr intransparent. Ihnen den Wind aus den Segeln zu nehmen, finde ich grundsätzlich begrüssenswert.» Für viele Konsumentinnen sei es schwierig zu erkennen, welche Daten überhaupt über sie gesammelt werden und welche relevant dafür sind, wie ihre Bonität eingestuft wird. Für die Entwicklung von staatlichen Lösungen wie dem einheitlichen Betreibungsauszug findet Angela Müller es allerdings wichtig, die Perspektive von Konsumenten schon früh einzubeziehen.

Yves de Mestral und die Konferenz der Stadtammänner und Stadtamtfrauen von Zürich prüfen momentan, welche rechtlichen Grundlagen es für einen nationalen Betreibungsauszug bräuchte, welche Gesetze angepasst werden müssten und was das alles in der Umsetzung kostet. Bis Konsumentinnen sich über allfällige Vorteile freuen können, dürfte es noch eine Weile dauern. 

Wie sollen diese Daten künftig digital ausgetauscht werden?

Sollte es irgendwann mit dem einheitlichen Betreibungsregister so weit sein, wird schon ein Teil der nötigen nationalen Infrastruktur bereitstehen, um diese Daten landesweit auszutauschen. Der Bund baut nämlich zurzeit für ein anderes Projekt, die E-ID, eine technische Infrastruktur auf. 

Diese soll auch für andere nutzbar sein, sagt Rolf Rauschenbach vom Bundesamt für Justiz, der für die Kommunikation des Projekts zuständig ist: «Der Bundesrat hat entschieden, die Vertrauensinfrastruktur für Behörden und Private zu öffnen, damit diese ebenfalls elektronische Nachweise mit ihren Inhalten ausstellen können. Wir sind dafür bereits mit verschiedenen Behörden und Unternehmungen im Gespräch. In diesem Sinne würden wir es begrüssen, wenn auch der nationale Betreibungsauszug darüber laufen würde.» Momentan läuft ein Pilotprojekt mit einem elektronischen Lernfahrausweis im Kanton Appenzell-Ausserrhoden, um die Akzeptanz der Nutzerinnen und Nutzer und die technischen Aspekte zu testen.