Vor kurzem erhielt Beobachter-Abonnent Boris Hauser* ein persönliches Schreiben der Cembra Money Bank. «Wir schätzen Sie als besonders vertrauenswürdig ein. Darum gehören Sie zu dem kleinen Kreis ausgewählter Personen, die dieses exklusive Angebot von uns erhalten», heisst es darin. Das Kreditinstitut bietet Bargeld für unerwartete Situationen – und leistet Überzeugungsarbeit mit allen Mitteln. So enthält der Brief Erfahrungsberichte begeisterter Kunden, ein Formular für die Bargeld-Anfrage und verspricht ein Überraschungsgeschenk.

«Ein klarer Fall von aggressiver und penetranter Werbung», findet Mario Roncoroni von der Berner Schuldenberatung.

Ist das überhaupt erlaubt?

Seit dem 1. Januar 2016 ist aggressive Werbung für Konsumkredite verboten. Doch was fällt überhaupt unter den Begriff? Der Bundesrat überliess das Definieren der Richtlinien der Kreditbranche, die folgende Punkte als «aggressiv» definierte:

  • Besonders schnelle Kreditversprechen ohne gründliche Prüfung
  • Junge Erwachsene als primäre Zielgruppe
  • Werben mit ökonomisch nicht sinnvollen Argumenten
  • Finanzierung kurzzeitiger kostspieliger Freizeitaktivitäten
  • Aufdringliche Verteilaktionen auf öffentlichen Plätzen

Der Vorschlag des Branchenverbandes Konsumfinanzierung Schweiz (KFS) wurde durchgewinkt: «Für den Kreditgeber ist ersichtlich, welche Art von Werbung er zu unterlassen hat», heisst es in einer Medienmitteilung. Wer gegen die Richtlinien verstösst, muss mit einer Busse von bis zu 100'000 Franken rechnen.

Anpassung der Richtlinien sei zwingend nötig

Sowohl Mario Roncoroni als auch Beobachter-Experte Michael Krampf sind der Meinung, dass die Werbung der Cembra Money Bank offensichtlich aggressiv sei. Nur: Das Unternehmen verstösst gegen keinen der Konventionspunkte.

Eine Anpassung der Richtlinien ist aus Roncoronis Sicht deshalb zwingend nötig. «Die Konvention ist sicher eine Verbesserung, die Branchenverbände konnten zum Zeitpunkt der Niederschrift aber nur auf bisher bekannte Beispiele zurückgreifen», erklärt er. Diese müssten nun ergänzt werden. So banalisiere die Cembra Money Bank die Kreditaufnahme («Gerne schauen wir gemeinsam mit Ihnen, wie viel [Bargeld] Sie möchten und wie es in Ihr Budget passt»), ködere die Empfänger («Sichern Sie sich mit Ihrer Bargeld-Anfrage bis 31. Oktober eine tolle Überraschung») und schmeichle ihnen übermässig («Wir schätzen Sie als besonders vertrauenswürdig ein»).

Dieser Meinung schliesst sich auch die Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) an: Das Schreiben bewege sich auf einer psychologischen Flughöhe, auf welcher die Betroffenen besonders empfänglich sind. Ausserdem ruft es bei Céline Thomi, Leiterin Recht SKS, datenschutzrechtliche Bedenken hervor: «Das Unternehmen weiss dank ausgefeiter Datenanalysetools exakt, wen sie mit derartigen Schreiben beliefern muss, um eine möglichst grosse Rücklaufquote zu haben.»

Worauf wartet der Verband?

Markus Hess, Geschäftsführer der Konsumfinanzierung Schweiz (KFS), beharrt darauf, dass Cembra Money Bank nicht gegen die Konvention verstösst. Auch, dass diese zu wenig weit greife, weist er zurück. Die Richtlinien seien im Juni 2016 in einer aufwändigen Zusammenarbeit entstanden und vom Bundesrat abgesegnet worden. «Vor diesem Hintergrund ist es sicher wesentlich zu früh, bereits eine Überarbeitung der Werbekonvention zu fordern. Erst müssen zur heute geltenden Werbekonvention ausreichend Erfahrungen gesammelt werden.»

Beobachter-Experte Michael Krampf hält das für unnötig: «Es lassen sich jetzt schon genügend Beispiele sammeln, um die bestehende Konvention zu prüfen.»

 

*Name geändert

Merkblatt «Konsumkredit» bei Guider

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